Der Nachtschatten

78 7 0
                                    

Schnell huschte ich in den Wald. Niemand durfte mich entdecken. Ich kannte seine Wut nur zu gut. Niemand kannte ihn besser als ich, obwohl ich ihn abgrundtief hasste. Was hatte ich mir nur mit diesem Plan gedacht? Hatte ich gehofft, seine Aufmerksamkeit zu bekommen? Womöglich, aber das hatte nichts an der Tatsache geändert, dass er mich suchen würde, solange bis er mich hatte und einsperrte. Ich kannte seine Taktiken, seinen Verstand, seine Intelligenz. Obwohl er nicht danach aussah, konnte er die genialsten Pläne schmieden, nur leider konnte er sie nie erfolgreich umsetzen. Aber das wollte ich ändern. Geduckt lief ich einen schmalen Trampelwand entlang, der zum Glück trocken war, sonst wären meine Stiefel jetzt hin gewesen. Ein trockener Wind fuhr durch meine Haare. Genervt schaute ich zum Blätterdach empor. ,,Jetzt eine Trockenperiode? Jetzt, wo die Drachen angreifen?" Mit immer weiter sinkender Laune schlug ich mich tiefer in den Wald hinein. Was sollte ich tun, damit er mir vertraute? Konnte ich überhaupt noch was tun? Dieser Anführer der verrückten Bande hatte mich bestimmt schon verraten. Ich hatte es an seinen Augen abgelesen. Ihn konnte man wie ein offenes Buch lesen. Anscheinend wusste er nicht, dass man seine Gefühle so eindeutig von seinen Augen ablesen konnte. Diese Angst um etwas war das erste, was ich in ihnen sehen konnte. Er hatte Angst, jemanden zu verlieren. Und diese Person würde ich finden, er hatte alles zerstört, für das ich gekämpft hatte. Ich spürte, dass ich dem Wesen näher kam und beschleunigte meine Schritte. Plötzlich landete ein Feuerball vor meinen Füßen. Mit einem erschrockenen Schrei wich ich zurück und versteckte mich hinter einem Baum. Langsam lichtete sich der Nebel und ich entdeckte einen grünen Zipper. Wütend nahm ich meinen Bogen von meinem Rücken, nahm einen Pfeil aus dem Köcher, der ebenfalls an meinem Rücken gebunden war, und richtete den Pfeil auf den Drachen. Ich zielte, spannte die Sehne und wollte den Pfeil loslassen, als eine dichte grüne Wolke mich umringte. Sofort ließ ich den Bogen sinken und rettete mich mit einem Sprung ins Gebüsch vor der Explosion. Der Drache setzte seinen Weg in Richtung des Hauptsitzes fort. Kurz stand ich unschlüssig da und verfolgte den Zipper mit meinen Augen, ehe ich mich abwandte und meinen Weg fortsetzte. Er würde schon mit den Drachen klarkommen. Ein geborener Drachenjäger war er, das wusste ich. Er kam mit einer handvoll Drachen gut zurecht. Ich hatte schon oft gesehen, wie er sie erledigte, hatte von ihm gelernt und es selber angewandt. Stolz musterte ich meinen Rock aus Nadderleder und strich sanft darüber. Drachen existierten nur, um getötet zu werden. Er hatte das immer gesagt und ich glaubte ihm, den ich wusste, dass er wusste, wovon er sprach. Und jetzt würde ich ihm endlich beweisen können, dass ich auch was konnte, wovon er profitieren konnte. Jahrelang hatte er mich abgewiesen und jetzt würde ich ihm den Drachen bringen, nach dem er seit fünf langen Jahren trachtete. Auf einer Anhöhe blieb ich stehen und endlich entdeckte ich ihn. So nah war ich ihm schon gewesen, doch nur in der schwärzesten Nacht. Seine Augen waren geschlossen, aber seine Flanken hoben sich. Vorsichtig rutschte ich den kleinen Hügel hinunter und stand vor dem schwarzen Drachen. Langsam zog ich meine Axt aus meinem Gürtel und wartete darauf, dass der Drache aufwachte. Dieser öffnete tatsächlich seine Augen und knurrte mich wütend an. An seiner Vorderpfote entdeckte ich eine blutende Wunde. Es sah nach einem Streifschuss eines Pfeiles aus. Grinsend ging ich auf den Nachtschatten zu. Der Drache bäumte sich auf und brüllte laut. Dadurch ließ ich mich aber nicht abschrecken, sondern kam immer näher. Der Nachtschatten machte einen komischen Laut und öffnete sein Maul zu einem eigenartigen Husten. Es hatte also geholfen. ,,Sieh dich doch an, du sollst der gefährlichste Drache der gesamten Wikingerwelt sein. Und jetzt kannst du dich noch nicht mal gegen mich wehren? Was ist aus deinen berüchtigten Plasmablitzen geworden?" Der schwarze Drache ließ sich erschöpft fallen und sah mich aus glanzlosen, verschwommenen Augen an. Er sah krank aus, alle Symptome sind aufgetreten. ,,Und jetzt bist du krank geworden, weil du aus dem kleinen Teich getrunken hast, richtig?" Ich lachte gehässig auf. ,,Ja, den habe ich vergiftet." Der Nachtschatten knurrte und ließ mich nicht aus den Augen. Mehr brachte er nicht zustande. Hätte das Gift nicht gewirkt, wäre ich jetzt Drachenfutter. Zum Glück lief mein Plan bis jetzt gut. Ich setzte mich neben den Drachen und zeichnete im Sand. ,,Weißt du, dieser Plan, dass jemand entführt wird und ihr alle herkommt, um ihn zu befreien, ist komplett von mir ausgedacht. Von vorne bis hinten habe ich alles geplant, alles gut durchdacht und verändert, bis er wasserdicht war. Und jetzt sieh dich an. Du liegst hier, wartest auf deinen Tod, und das alles habe ich mir ausgedacht." Ich verwischte meine Zeichnung und seufzte leise. ,,Ich hoffe, Dagur weiß es zu schätzen, was ich hier gemacht habe. Wenn ich mit dir ins Dorf komme, wird er Augen machen. Seit fünf Jahren redet er nur von dir, du solltest dich geehrt fühlen." Ich schloss kurz meine Augen und seufzte erneut. ,,Schon verrückt, dass ich gerade mit einem Drachen rede." Ich stand auf, sah dem Drachen in die Augen, in denen ich Schmerz und Angst sah. ,,Ich kann dich von deinen Schmerzen befreien." Der Drache knurrte mich an, bäumte sich auf und schien seine gesamte Kraft zu sammeln. Vorsichtig zog ich mich zurück. Entsetzt starrte ich ihn an. Er bildete tatsächlich Gas in seinem Maul und es begann bläulich zu leuchten. Schnell hechtete ich in Sicherheit, bevor sein Plasmablitz mich traf. Er schoss den Plasmaball in meine Richtung und die Wucht, mit der der Plasmaball eintraf, schleuderte mich aus meinem Versteck hinaus. Mein Nadderlederrock fing Feuer und es fraß sich langsam durch ihn hindurch. Wütend sah ich den Nachtschatten an, der wieder in sich zusammengesackt war. ,,Das wirst du büßen, Nachtschatten." Ich zückte meine Axt und stürmte auf ihn zu, ohne das Feuer zu beachten, dass sich langsam durch den Wald fraß und schon bald die Lichtung erreichen würde.

I won't let you goWhere stories live. Discover now