02| Unexpected

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Kapitel 02
Unexpected
[Melody Rose Morgan]
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Schnell steige ich auf mein Skateboard und fahre los. Das billige Laminat ist ungewohnt glatt, wodurch ich schneller fahre, als gedacht. Trotzdem macht es einen mortz Spaß.

«Wuhu!», schreie ich und grinse. Die Schüler, die in den Gängen herumlungern oder gerade erst die Schule betreten, starren mich völlig entgeistert an, so als könnten sie nicht fassen, was ich hier tue. Logan rennt mir hinterher, um mich aufzuhalten, was auch nicht anders zu erwarten war.

«Was genau machst du da?», fragt er mich, sichtlich verängstigt. Seine Stirn ist zu mehreren Kringeln zusammengezogen und ich meine sogar ein wenig Angstschweiß erkennen zu können.

«Siehst du doch», antworte ich schulterzuckend, während ich weiter fahre.

«Meine visuellen Fähigkeiten sind durchaus im Stande, aber ich verstehe nicht so ganz ...eh warum du das tust», fragt er und zieht seine buschigen Augenbrauen zusammen, sodass sie schon fast einer Monobraue gleichen.

«Mittlerweile müsstest du mich echt gut genug kennen», sage ich und springe abrupt von meinem Skateboard herunter, um es in die Hand zu nehmen. Das veranlasst Logan dazu, drei Kreuze zu machen.

«Die Frage ist eher, seit wann du so ein Schisser bist», füge ich noch hinzu und schiele in Richtung einer Strähne, die mir mitten ins Gesicht hängt. Genervt versuche ich sie weg zu pusten.

«Na ja», fängt er an, «Das ist eben unser letztes Jahr auf der Highschool.»

Ich blicke ihn an, als wäre er ein Alien, das soeben direkt aus seinem Raumschiff auf diese Erde geklettert ist.

«Was haben deine Eltern mit dir gemacht?», frage ich und lege meinen Kopf schief, «Sie haben dir eine Gehirnwäsche verpasst oder?»

«Nein», antwortet er knapp.

«Oh Gott es waren die Körperfresser, so wie in diesem einen Film!», sage ich und tue geschockt. Ich drehe seinen Kopf hin und her, während ich ihn prüfend ansehe. Grummelnd schiebt Logan meine Hände weg. Dann dreht er sich zu seinem Spind, um ihn zu öffnen.

«Kann ich nicht einfach mal dieses Jahr zu den Normalen auf dieser Schule gehören?», schmollt er. Ich lehne mich an eine der blauen Spind Türen.

«Normal ist aber langweilig», sage ich und grinse.

»Mit dir wird einem auf jeden Fall nie langweilig», antwortet Logan, während er sich zu mir umdreht. Er strubelt mir noch einmal durch die Haare, bevor er sich zum Gehen wendet. Leider haben wir auch dieses Jahr so gut wie keinen Kurs zusammen. Ich strecke ihm die Zunge raus, auch wenn er es nicht mehr sehen kann. Stattdessen ernte ich einen strengen Blick von unserem Schulleiter.

Grinsend mache ich meinen Spind auf und krame darin herum. Sogleich fallen mir ein paar lose Zettel entgegen, die noch von letztem Jahr in meinem Spind herumfliegen. Seufzend bücke ich mich, um sie aufzuheben.

Als ich aufsehe, erkenne ich einen Blondschopf, der an seinem Spind lehnt. Als ich genauer hinsehe erkenne ich, dass es Mason ist. Mason ist der beliebteste Junge der Schule und somit auch mit dem beliebtesten Mädchen der Schule zusammen.

Als ich gerade das letzte Blatt aufheben will, sehe ich, wie ein paar Nike Airforce auf den Zettel treten.

«Könntest du bitte von meinem Blatt heruntergehen?», frage ich die Person über mir genervt.

«Sorry, ich habe dich da unten gar nicht gesehen», säuselt eine hochnäsige Stimme, die mir nur allzu bekannt vorkommt und die ich so gar nicht vermisst habe.

Ich beschließe nichts zu sagen, sondern einfach nur aufzustehen. Es würde genau fünf Wörter brauchen, um ihr meine Meinung zu sagen, aber das wären zehn Sekunden zu viel Arbeit. Seufzend hole ich mein Handy heraus und ziehe meine Kopfhörer an.

Sofort dröhnt mir Nirvana entgegen. Genau zwei Takte bis ich alles um mich herum vergesse und zum nächsten Klassenraum schlappe. Ich gucke zweimal zur Seite, bevor ich wieder auf mein Skateboard steige und losfahre. Genau zehn Sekunden dauert es, bis ich in den Klassenraum schlittere und der Lehrer gerade noch zur Seite springen kann.

«Miss Morgan!», ruft dieser erbost. Auch wenn er einer der Lehrer ist, die man noch voll gut ertragen kann.

«Sie schon wieder!», murmelt er kopfschüttelnd und fügt dann noch hinzu, «Willkommen zurück!»

«Ich freue mich auch, Sie wieder zu sehen!», antworte ich und spaziere in die letzte Reihe auf meinen Stammplatz. Mit einem Griff nehme ich mein Mäppchen heraus und knalle es auf dem Tisch. Ich nehme meinen schwarzen, schon halb ausgetrockneten Edding aus dem Mäppchen und male einen Strich an die Kante des Tisches. Seit ich auf diese Schule gehe habe ich jedes Jahr einen Strich hier hingemalt. Dieser wird wohl mein letzter sein. Nicht dass ich jetzt sentimental werde oder so, ganz im Gegenteil, ich freue mich, wenn diese Hölle endlich vorbei ist.

Der Lehrer leitet das neue Schuljahr wie immer ein, fügt aber noch eine ewig lange Rede zum Thema Abschlussprüfungen ein. Er hat dafür jetzt genau sechzehn Minuten und vierundvierzig Sekunden gebraucht.

«Und natürlich möchte ich Sie alle noch einmal daran erinnern, dass das fahren jeglicher Gefährte in diesem Schulgebäude unterlassen ist», fügt Mr. Smith am Ende noch hinzu, wobei sich alle in diesem Raum schlagartig zu mir umdrehen.

Das sind bei dreißig Schülern genau sechzig Augen, die auf mich gerichtet sind. Mich wundert es, dass alle den Unterricht so genau verfolgen, dass sie mitbekommen, was der Lehrer sagt. Schnell haben sie sich wieder abgewendet.

«Kann mir einer sagen, was politisch gesehen in den Ferien passiert ist?», fragt Mr. Smith nun, um mit dem Unterricht anzufangen.

Meine Hand bewegt sich wie automatisch nach oben. Nur, weil ich das hier als «die Hölle auf Erden» bezeichne, muss das noch lange nicht heißen, dass ich nicht gut bin.

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unexpected [s.m] Where stories live. Discover now