76| Unexpected

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Kapitel 76
Unexpected
[Melody Rose Morgan]
-
"Das hält man doch nicht im Kopf aus", brummt Ben genervt, als Shawn von James Corden begrüßt wird.

"Halt einfach die Klappe"

Ich durchblicke diesen Typen einfach nicht. Wieso nervt er mich mit seiner Präsenz?

Er könnte einfach woanders hingehen und mich in Frieden lassen. Dann hätten wir Beide gewonnen. Schließlich ist Shawn laut ihm ein billiger Abklatsch des ohnehin schon schlechten Justin Biebers. Diese Tatsache wiederum hat mich unfassbar wütend gemacht. Wie kann er nur so etwas sagen?
Auf eine Art und Weise fühle ich mich dadurch persönlich angegriffen.

"Boar, der ist so schleimig!"

"Nolite manducare ex"

"Was soll denn der Scheiß?"

Ich drehe meinen Kopf mühsam zu ihm um.

"Ich dachte, dass es vielleicht etwas hilft, wenn ich dir auf Latein sage, dass du deine Fresse halten sollst. In unserer Sprache verstehst du es ja anscheinend nicht"

Ben schneidet eine Grimasse und äfft mich nach.

Dann richtet er seinen Blick auf den Fernseher.

"Sehe ich so aus, als könnte ich Latein?"

Diese Aussage veranlasst mich zu einem Lachen.

"Ne, wenn ich dich so angucke, dann bezweifle ich, dass du überhaupt Schulbildung genossen hast"

"Aber du"

Ein weiteres Lachen entflieht mir. Doch anscheinend hat es gewirkt, denn er hält wirklich seine Klappe.

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Von: melody.cobain@ gmail.com
An: muffin.lover@ gmx.de
Betreff:...

So you've got plans tonight? I'm a couple hundred miles from Japan and I...
Rate mal, wer die Late Late Night Show gesehen hat?
Wenn es nach Ben geht, dann nur, weil ich so sehr auf James Corden stehe.
-M

Von: muffin.lover@ gmx.de
An: melody.cobain@ gmail.com
Betreff:...

Ist das denn nicht wahr? Du kannst ruhig zugeben, dass du diesem attraktiven Typen nicht wiederstehen kannst. So sehr ich es versuche, gegen ihn habe ich keine Chance.

Wer ist Ben?
-S

"Dein Lover ist eifersüchtig!", höre ich Ben prompt hämisch sagen.

Sofort lege ich das Handy weg.

"Was fällt dir eigentlich ein? Meine Nachrichten gehen dich einem Scheiß an!", meine Stimme artet in ein Schreien aus.

"Zick nicht so rum"

Schnell stehe ich auf und gehe in mein Zimmer. Es wird sowieso langsam Zeit ins Bett zugehen.

Ohne ein weiteres Wort an ihn zu verschwenden, knalle ich die Tür meines Zimmers zu.

Vier Schritte bis zu meinem Schallplattenspieler. Nur zwei Griffe, um ihn anzuschalten. UFO dröhnt durch mein ganzes Zimmer.

-

Zehn Schritte bis zu dem einzig freien Sitzplatz in der U-Bahn.

Eingequetscht zwischen all den Menschen fühle ich mich nicht wohl. Überall sind Bakterien. Überall schnieft jemand in ein Taschentuch. Ich habe das Gefühl, dass ich die ganze verseuchte Luft einatme.

Gegenüber von mir sitzt ein Pärchen. Der Junge hat mittellange, blaue Haare. Er ist leicht pummelig. Ich lege meinen Kopf schief. Das Mädchen hat Haare in der Farbe eines Regenbogens.

Auf irgendeine Art und Weise bessert dieses Bild meine Laune. Die Art und Weise, wie sie Händchen halten.

Vielleicht, weil ich an Shawn denken muss.
Die Art, wie er sie ansieht. Vielleicht weil ich mir erhoffe, dass er mir genauso in die Augen schaut.

Am Ende jedoch sind es vielleicht nur die Farben, die diesen tristen, verregneten Tag lebendig machen.

"Wollen sie sich hinsetzen?", frage ich eine alte Dame, deren Haare ergraut sind.

Dankbar nickt sie und lässt sich auf den bunten Sitz nieder.

Ich lächele und blicke zu einem Jungen.

Er sieht aus wie Kurt Cobain. Ob ihm das schon einmal jemand gesagt hat?

Es ist einer der Tage, in denen nicht wirklich etwas passiert, in denen man einfach seinen Gedanken nachhängt.

Sie scheinen unendlich zu sein und immer weiter zu gehen.

Es ist wie bei einem Spiel, bei dem man von einem Stein auf den nächsten hüpft. In dieser Art und Weise springen meine Gedanken umher.

Wahre Kunst. Was ist das eigentlich? Ich denke manchmal ich habe sie in den Werken Kurt Cobains gefunden. In den Werken Shakespeares. Doch selber werde ich nie welche erschaffen.

Meine Hände werden nie dazu in der Lage sein Dinge zu erschaffen, die von solcher Bedeutung sind. Sehe ich wahre Kunst, weiß ich, dass sie es ist. Müsste ich sie definieren, könnte ich es nicht. Denn wie sollte das gehen?

Ist in Wahrheit die Definition, dass unser Geist nie in der Lage sein wird, auf eine erzwunge Weise, wahre Kunst zu erschaffen? Dass man sie einfach nicht definieren kann? Das Genie ist über alles erhoben.

Ich steige aus.

Die Art Academy zwingt mich, mich an Regeln zu halten. Meinen Verstand einzukerkern, ihm seine Freiheit zu nehmen.

Mit jeder Stunde, in der ich in den Vorlesungen sitze, wird mir bewusster, dass ich mich nicht frei fühle. Meine Kunst wird zerstört, obwohl ich dachte sie aufleben lassen zu können.

Meine Werke werden nicht kritisiert. Sie werden entweder zerstört oder zum Himmel gelobt. Es ist falsch.

Mein Magen zieht sich zusammen.

Mittlerweile bin ich angekommen und betrete die Academy.
Mein Blick fällt zuerst auf eine meiner Professorinnen, die eine Liste aushängt. Mit schnellen Schritten gehe ich in ihre Richtung.

Die Listen geben unsere Gruppenpartner für das nächste Projekt vor.

"Sarah", murmele ich, als ich den Namen lese. Das Mädchen, das sich mir vorgestellt hat. Ein Herzinfarkt bahnt sich bei mir an, als ich 'Ben lese'. Doch zum Glück bin ich bloß in der Zeile verrutscht. Raphael steht stattdessen da. Ich kenne ihn nicht. Wer er wohl ist?

"Sarah", rufe ich, als ich das Mädchen an mir vorbeilaufen sehe. Das kleine Mädchen dreht sich zu mir um. Ein Hauch von Irritation überfliegt ihr graziles Gesicht.

"Hey", sagt sie dann und kommt auf mich zu.

"Wir machen die Partnerarbeit zusammen. Du, ich und ein Raphael. Kennst du ihn?", frage ich und sehe sie nachdenklich an.

"Nein, kenne ich nicht... Wie heißt du eigentlich? Das letzte Mal hatte ich gar nicht nach deinem Namen gefragt"

"Oh stimmt, tut mir leid. Ich heiße Melody", murmele ich und mache einem Mädchen Platz, dass sich an mir vorbei zu der Liste quetscht.

Sarah lächelt: "Melody ist ein schöner Name"

"Na ja...", ich zucke mit meinen Schultern.

unexpected [s.m] Where stories live. Discover now