#81 Zwischen den Zeilen

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Namjoon

Auf halber Strecke zu Yoongi gesellte sich wieder Lilly zu ihnen, in dem sie ihm, wie so oft, auf den Rücken sprang und sich an ihn ranclinchte, wie ein kleines Baby-Äffchen. Namjoon störte es nicht im Geringsten, denn sie wog auch nicht wirklich mehr als ein Baby-Äffchen - zumindest gefühlt. Namjoon fragte sich fast, wie viel sie eigentlich wog und ob es weniger war, weil sie eine Landare war.  Aber das war wahrscheinlich kaum der richtige Zeitpunkt für wissenschaftliche Analysen. 

Jungkook nahm die ganze Aktion mit einem irritierten Seitenblick zur Kenntnis und sparte sich einen Kommentar. 

"Weißt du, ob Yoongi in seinem Thornsaal ist?", wollte Namjoon von Lilly wissen und sie kuschelte sich an ihn. "Er ist grade tatsächlich nicht dort. Sollte er zumindest nicht, denn Thannam hat ihn in den Speisesaal geschleift. Er ist unausstehlich heute. Loss Intoxication, Tequila, die Hälfte der Bauleute ist krank, Jimin meldet sich nicht bei ihm, Estelle verläuft sich andauernd..." Sie seufzte mitleidig. "Er hat eine Menge Stress, okay?"

Jungkook sah Lilly nur mit großen Augen an. "Er säuft?", fragte er entgeistert und Namjoon zog eine Augenbraue hoch. "Nein, nein. Tequila ist Lillys Ferathalys Selphoria, eine Hauspflanze. " Jungkook schien nicht wirklich überzeugt, doch er hatte auch keine Zeit Zweifel zu äußern, denn sie hatten den Weg zum Speisesaal eingeschlagen und praktischerweise kam ihnen Yoongi entgegen. 

Lilly hüpfte von Namjoons Rücken und bezog Stellung neben ihm, während Jungkook seine andere Seite flankierte. Wieso hatte er das Gefühl, dass er das regeln musste? 

"Yoongi." Yoongi hob den Blick und musterte die drei. "Lass mich raten: Du willst mich ausschimpfen, weil ich deinen weinerlichen Kumpel in die Idiotenzelle gepackt habe?", wollte Yoongi wissen, doch Namjoon schüttelte schnell den Kopf. "Wir brauchen eine Erlaubnis für einen Übergang und eine Rückkehr", ließ er den König wissen und Yoongi warf Jungkook einen Blick zu und seine Augen wurden schmal.

"Wieso das? Der Zwerg kann nicht zurück", meinte er fest und verschränkte die Arme. War ja klar, dass Yoongi sie nicht so einfach ziehen lassen würde. Nicht, wenn es darum ging, dass Vics Protector wieder halbe Depressionen schob, weil Jungkook abhaute. Schon alleine aus 'wirtschaftlicher' Sicht war es also eine dumme Idee Jungkook wieder abziehen zu lassen. 

Doch der hatte natürlich andere Pläne. "Aber wir müssen. Da ist noch einer von uns", äußerte er fast unfreundlich und schenkte Yoongi einen Blick, der ihm wohl sagen sollte, dass er ein nein nicht akzeptiert. Uhh, bitte nicht. Sie sollten sich nicht gegenseitig reizen. 

Yoongis Blick wurde kälter als eine arktische Frühlingsbriese. Nicht gut, gar nicht gut. Namjoon fragte sich, wie er das bitte regeln sollte. Yoongi wandte sich nun an ihn, als würde er nur zu deutlich machen wollen, dass er keine Lust hatte sich mit dem jungen Schwarzhaarigen zu unterhalten. "Redet er immer nur in halben Sätzen?", wollte er wissen. 

Jungkook legte die Stirn in Falten und zischte. "Ich meine es ernst. Jin ist in der anderen Welt und er ist ganz allein!" Yoongi seufzte genervt und wandte seinen Blick nun doch Jungkook zu. 

"Im Grunde nicht mein Problem", erwiderte er knapp, "Was hat er schon hier verloren? Curare ist kein Spielplatz und kein Ort für Menschen. Er ist kein Mate von irgendwem, also warum sollte ich ihn ohne Grund einwandern lassen? Seht es mal aus meiner Position: Hier sammeln sich immer mehr Menschen an und ich frag mich allmählich, wie ich das vertuschen soll, denn auch wenn die Leute nichts sagen sind Menschen hier eher ungern gesehen." 

Namjoon horchte auf. Warum? Das musste einen Grund haben und Namjoon würde den sowas von aus Yoongi rausquetschen, wenn er die Gelegenheit dazu bekam. Landare verteilten Antipathie nicht ohne triftigen Auslöser. Also waren vor ihm schon mal Menschen hier gewesen? Oder es gab Menschen, die von Curare wusste? Namjoon speicherte die Info ab. 

Jungkook seufzte während dessen nur und konnte in Sachen Genervtheit Yoongi echt bald Konkurrenz machen. "Ich will nach Hause", knurrte er unglücklich. 

Yoongi beschloss scheinbar, dass er wieder keine Lust hatte sich mit Jungkook abzugeben und wandte sich wieder an Namjoon. "Ist der immer so eine Memme?"

Ha, das konnte Jungkook aber auch! Zumindest schien sich das der junge Mann zu denken, denn auch er wandte sich an Namjoon, der überfordert zwischen den beiden hin und her sah. "Ist der immer so ein Arschloch?!"

Oh, no. Die beiden kamen richtig in Fahrt. 

"Wird er dann immer zur Zicke, wenn er merkt die Memmen-Tour zieht nicht?"
"Ist er immer so verständnislos, oder einfach dumm?!"
"Ist er immer so lebensmüde?"
"Ist ist er immer so großspurig?"
"Ist er generell so, dass er nicht schnallt wann er die Fresse halten sollte und mit wem er sich besser nicht anlegt?"
"Kann ihm mal jemand sagen, dass mich sein Gelaber einen Scheiß interessiert?!"

Das wohl eher unnötig, denn dass Yoongi ihn hörte wurde doch nur sehr gut durch den Todesblick deutlich, dem er den jungen Mann schenkte. Mit einer pfeilschnellen Bewegung, die Namjoon zusammenzucken ließ, hatte Yoongi den Jüngeren am Genick gepackt und ein Stück zu sich gezogen.

"Jetzt hör mit mal genau zu, du postpubertärer Totalausfall. Spar dir deine Beleidigungen und dein wirklich nerviges Verhalten und Schlag in der Bibliothek noch mal nach, wie man sich verhalten sollte, wenn man eine Bitte hat. Du willst was von mir, okay? Ist es also zu viel verlangt, dass du mir wenigstens einen vernünftigen Grund nennst, warum ich mich für deinen Hintern ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit begeben soll?"

Jungkook sagte zunächst nichts mehr und Namjoon legte sich ein paar Worte zurecht, um das Ganze hier irgendwie zu kitten. Er konnte verstehen, dass Jungkook frustriert war. Doch so kam er bei Yoongi nicht weiter, beziehungsweise hatte Jungkook auch keine Ahnung, wie der König tickte. 

Das alles hier war kein 'Nein' auch wenn es vielleicht so wirkte, doch Yoongi sagte auch nicht zu allem 'Ja und Amen'. Er wollte einen Grund hören und kein Gejammer. Wenn er sich schon mit seinem Volk anlegte, weil sie sich jetzt noch einen Menschen aufholzten, dann wollte er wissen wofür. Und das war eine Sache, die Namjoon an Yoongi schätze, auch wenn Jungkook das nicht verstand. 

Namjoon, wollte grade was sagen, da kam ihm Jungkook jedoch zu vor. "Es geht hier um einen der wenigen Menschen, die mir was bedeuten", meinte er leise und biss die Zähne zusammen. Yoongi zog eine Augenbraue hoch. "Na, dann", meinte er noch immer kühl und ließ Jungkook wieder los. Er schenkte ihm ein schmales Lächeln. "Das ist immerhin eine Aussage auf die Frage warum. Alle mal besser, als das bloße Rumheule eines Teenagers, der seinen Willen nicht bekommt." Er wandte sich ab und machte sich weiter auf den Weg zum Thornsaal.

"Macht was ihr denkt, aber seht selber zu wie ihr das regelt.  Wehe ich sehe jemanden von der AF-Flotte fliegen und wehe meine Kapazitäten werden belastet", meinte er angesäuert und verschwand um die Ecke. 

Namjoon lachte leise und schüttelte den Kopf. Dieser Kerl. Scheinbar ließ sein Stolz nicht zu, dass er einfach nur ja sagte, nein, er verpackte die Zustimmung einfach in Ablehnung. Typische Yoongi. Bei ihm musste man wirklich zwischen den Zeilen lesen. 

Jungkook hatte es nicht verstanden, natürlich hatte er das nicht. Er wusste gar nicht, was Yoongi da grade gesagt hatte. Denn ein Verbot gegen die AF-Flotte hieß übersetzt: Die IDC darf fliegen. Und genau zu der gehörte Lilly. Um es mal genau zu präzisieren hatte Yoongi Lilly den Auftrag gegeben die Jin-Sache zu regeln. 

"Ist doch super gelaufen", hörte er Lilly sagen und nickte, worauf Jungkook schnaubte. "Ja klar. Blablabla. Wollt ihr den Sumpf laufen, oder was?" Lilly lächelte zufrieden. "Jungkook, ich gehöre nicht zur AF, ich bin eine Voyager. Er hat uns nur quasi untersagt Jimin oder Taehyung mitzunehmen, was ich auch verstehen kann, schließlich ist Jimin vorn nicht mal zwei Tagen fast gestorben und Taehyung ist grade unten in den Sümpfen und wird danach eine Pause benötigen."

Jungkook sah sie unentschlossen an. Doch Lilly klatschte nur in die Hände. "Also worauf warten wir? Am besten starten wir sofort. Jungkook hat Recht: Die Zeit vergeht da draußen viel zu schnell, der arme Jin. Also lasst uns ein paar Sachen packen, damit wir uns umziehen können, wenn wir durch Gwenn durch sind und ab gehts. Es ist zwar nicht optimal, wenn Circaya drei Personen trägt, aber es ist okay." 

Sie hüpfte fröhlich voraus ohne weiter auf ihre männlichen Missionskollegen zu achten. "Das kann ja heiter werden", meinte Jungkook. Namjoon grinste nur amüsiert und machte sich dran Lilly zu folgen. 

"Du solltest meine Frau besser nicht unterschätzen."

Curare Teil IOù les histoires vivent. Découvrez maintenant