Kapitel 1| Das Geschenk ✔️

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Mein Atem erzeugt kleine Wölkchen in der eiskalten Luft, während ich mein Pferd weiter durch das kleine Tannenwäldchen treibe.
Das Rauschen der Tannenzweige im Wind und das flattern meines Mantels sind unser einziger Begleiter; nur die Hufe meines Friesen poltern noch gleichmäßig dazu.

Ein laute Krachen bringt mich abrupt zum anhalten und neugierig blicke ich in Richtung der Geräuschquelle.
Kurzer Hand steige aus dem Sattel; mit gespanntem Bogen laufe ich in den Wald.
Die dünne Schneeschicht knirscht leise unter meinen Schritten, hier und da zerbricht auch ein kleiner Ast unter meinem Gewicht.
Das Poltern ist wieder zu hören, diesmal aber leiser und mit kritischem Blick sehe ich zu einem kleinen Loch, das in einen großen Stein führt.
Herunterfallende Steine haben die Geräusche verursacht.
Ich will mich auch schon wieder abwenden, als mir etwas braun-grünes gerade zu ins Auge springt.
Auch jetzt erst bemerke ich das schwache Flackern und das leise Knacken eines Feuers.
Interessiert schleiche näher heran und räume etwas Geröll weg, um einen besseren Blick auf das grünliche Etwas werfen zu können.
Vorsichtig strecke ich meine Hand aus und fahre über eine Art Schuppen, die den ganzen Stein bedecken, kurz darauf zucke ich aber wieder zurück, da der Stein förmlich glüht.

Dieser Fels sieht aus wie ein Drachenei.

Geht es mir durch den Kopf.
Doch woher sollte ein versteinertes Drachenei kommen?
Auch wenn daraus kein Drache mehr schlüpfen sollte, ist es dennoch sehr anschaulich.

Zischend erlischt das Feuer neben mir und ich beschließe, wieder nach Grauenstein zu reiten; mit dem Ei in der Satteltasche.
Also ziehe ich meine Lederhandschuhe an und verstaue das Ei.

Kurz darauf sitze ich wieder auf meinem Friesen und treibe ihn an.

Die schweren Tore von Grauenstein schwingen knarrend und ächzend auf und gewähren mir Einlass. "MyLady, willkommen zurück. Wir haben uns bereits Sorgen gemacht."

"Ich wurde aufgehalten. Bring meine Satteltaschen in mein Gemach."

Über Tag hat es geschneit und so knirscht die dünne Schneeschicht unter meinen Stiefeln, während ich über den Hof zum Eingang der Großen Halle laufe. Die davor stehenden Wachen öffnen für mich die Tür.

Viele Gesichter blicken mich aus der dämmrigen Halle an; Lords und Ritter, die zu meinem Namenstag-Fest erschienen sind. An den Wänden hängen mit regelmäßigem Abstand Fackeln, die warmes Licht spenden, außerdem brennen vier Kamine, durch die die Luft etwas stickig wird. "Lady Bolton! Welch Freude Euch endlich wieder zu sehen." Ein beleibter Mann mit Bart steht auf. "Wohl wahr. Ich hätte fast vergessen wie Ihr ausseht", ich sehe zu dem Ritter auf, wenn auch nur ein paar Zentimeter. Wenn ich ehrlich bin, kann ich mich nicht mal mehr an den Namen des Mannes vor mir erinnern.

Ich wimmle ihn ab und dränge mich weiter nach vorne zum Podest. Immer wieder werde ich von weiteren Beglückwünschern angehalten und in kurze Gespräche verwickelt, weswegen es eine Weile dauert, bis ich endlich bei meinem Bruder angelangt bin. Ramsay ist jedoch nicht alleine. Bei ihm sitzen zwei Lords, die sich sichtlich über etwas empören.

"Ihr solltet ihn umbringen und es beenden", erklärte einer der beiden gerade, als ich endlich zu ihnen trete. "MyLords", ich folge den Blicken der Gäste und sehe einem Mann in die Augen. Er trägt nicht mehr als einige Lumpenfetzen und hat ungewaschenes, zerzaustes Haar. An einer Hand fehlt ihm der kleine Finger und an zwei weiteren fehlt die Haut, an einem dieser Finger sind tiefe Wunden im Fleisch, als hätte er ihn sich abbeißen wollen. Weiterhin hat er keine Schuhe an und irgendetwas scheint sich durch seine Füße gebohrt zu haben, denn blutige Krusten überziehen eine runde Stelle. Um seinem Hals trägt er eine schwere Kette, die von zwei kleinen Jungen gehalten wird, die ab und zu daran ziehen.

"Los, geht auf die Knie vor Lady Bolton", sagt einer der Kinder zu ihm. Der Große Walder. Er und sein Bruder, der Kleine Walder, dienen hier auf Grauenstein als Knappen. Wieso der Große Walder jedoch groß und der Kleine Walder klein genannt werden, weiß niemand, denn es verhält sich genau anders herum von ihrer Körpergröße.

Der Mann in Ketten weicht unter meinem Blick ein Stück zurück und als die Jungs noch einmal heftig an der Kette zerren, geht er auch auf die Knie. "MyLady", gibt er in leiser, zitternder Stimme von sich.

"Äußerst erfreulich, dass Ihr Euch doch noch zu uns gesellt, Lady Luna. Wir hatten schon fast befürchtet, Ihr schafft es nicht mehr rechtzeitig."
Ich wende meinenBlick von dem Knienden ab. "Entschuldigt, dass ich Euch habe warten lassen, doch ich hatte dringende Angelegenheiten zu erledigen."
Die zwei Lords nicken verständnisvoll.
"Wir haben gerade über den Gast Eures Bruders gesprochen", mischt sich nun auch der zweite Mann ein, den ich zuerst sprechen hörte.
Der andere Lord rümpfte seine Nase.
"Nicht auszuhalten."

Der Mann vor mir blickt kurz auf. Auf seinen Fetzen sind rote Flecken.
"Warum habt Ihr Blut auf Eurer Kleidung?", frage ich an ihn gerichtet. Beim Klang meiner Stimme zuckt er zusammen.

"Ich habe eine Ratte gefangen..und-"

"Eine Ratte?" Ramsay beginnt laut zu lachen."Meinem Vater würde es nicht gefallen, dass du einfach seine Ratten isst. Vielleicht sollten wir dich dafür bestrafen."

Der Sitznachbar meines Bruders mischt sich nun auch ein. "Alleine dieser Gestank ist strafbar!"
"Wir könnten das für Euch übernehmen, wenn es MyLady recht ist."
Während mich die zwei Lords drängen, ihnen den Rest zu überlassen und Ramsay sein Lachen nicht mehr zurückhalten kann, fleht der Mann auf Knien um Gnade.
"Bitte, MyLady..."

Mein Namenstags-Fest sollte anders für mich beginnen.

"Schweigt", fahre ich auf, leise und auch an niemand bestimmtes gerichtet, doch meine Worte zeigen Wirkung. "Niemand wird bestraft werden", sage ich gereizt und sehe die zwei Lords scharf an. "Und ihr", wende ich mich an die kleinen Freys "lasst das. Ihr würdet besser daran tun, endlich aus meinen Augen zu verschwinden, sonst könnt ihr bei den Hunden schlafen."

Kurz darauf liegt die Kette auf dem Boden und die zwei Kinder sind verschwunden.
Zwischenzeitlich rufe ich Miranda zu mir, die ihr Tablett mit einem Krug Wein auf einem Tisch abstellt.
"Schön Euch wieder zu sehen, MyLady."
"Lass ein warmes Bad ein und leg frische Kleidung zurecht."
"Für Euch?"
"Nein." Miranda versteht und geht mit einem kleinen Knicks.
Den Mann in Lumpen schicke ich mit ihr.
"MyLady ist ebenso gnädig wie schön", säuselt der Mann neben meinem Bruder.

"Soll das alles ein schlechter Scherz sein?", frage ich, als ich endlich auf meinem Platz am Tisch sitze.
"Wieso? Vater sagte doch, du brauchst einen Gemahl. Warum also keinen von diesen feinen Herren?"

"Feine Herren?" Ich muss lachen. "Vielleicht hast du vergessen, dass mir Vater die Wahl freigestellt hat." Und dafür bin ich ihm ausgesprochen dankbar.

Die Speißen werden aufgetragen und zwischen den Gängen kommen Frauen und Männer mit Geschenken zu uns an den Tisch. Das meiste ist Schmuck, Teppiche und dieser gleichen.
"Nun gut, diese Geschenke sind alle äußerst reizend", meldet sich Ramsay neben mir zu Wort. "Mein Geschenk hat mehr Leben in sich. Obwohl ich mir da doch nicht mehr so sicher bin."
Er lacht. "Du hast ihn vorhin schon kennengelernt. Ich nehme an du weißt wer er ist?"

"Theon Graufreud, Erbe von Peik? Er hat den Jungen Wolf verraten und Winterfell eingenommen."
"Und unser König hat mich geschickt, weil du auf Abenteuer warst."
"Mh. Nenn es wie du nennst", ich mache eine wegwerfende Handgeste. "Ich glaube in dir steckt mehr Bolton als in unserem Vater und mir zusammen. Und du bist nur zur Hälfte von meinem Blut."
Ramsay verdreht die Augen.

Mein Halbbruder hatte sich schon immer für's Häuten interessiert. In letzter Zeit konnte er dieser Beschäftigung intensiv nachgehen. Außerdem hat er die Jagd für sich entdeckt, aber eine spezielle Art.

"Du hast ihm ziemlich zugesetzt."

"Das war meine Aufgabe. Aber jetzt ist es deine, mit ihm anzustellen was auch immer dir im Sinn steht. Ich hab ihn für dich schon abgerichtet."

"Ich sehe schon, du hast gute Arbeit geleistet", sage ich zwar, aber zweifle still. Noch nie hatte ich einen besonders großen Drang, anderen Schmerzen zuzufügen.

Aber das kann sich ja noch ändern, oder?

Drachenmädchen || Game of Thrones FFWhere stories live. Discover now