Kapitel 22 | Spannungen

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Mein Blick fliegt hoch zu den hölzernen Statuen. Ich sehe mir die Gesichter genau an, die kleinen Augen, die perfekte Nase, die Lippen. Die Mutter.

Meine Hand streicht über das Holz, die feinen Konturen entlang, über das kalte Wachs erloschener Kerzen, bis hin zu dem Stein, auf dem sie stehen. Alle sieben.

Außer mir ist niemand in der Kapelle und die Stille erscheint mir in diesem Augenblick genau richtig. Für einen Moment schließe ich meine Augen, dabei spüre ich die hölzernen Augen der Sieben auf mir ruhen. Sie stehen im Halbkreis hinter dem Altar am Ende des Raumes.

Ich bin noch in Gedanken, als die schwere Holztür aufgeschwungen wird und jemand eintritt.

"Ich wusste nicht das Ihr hier seid, MyLady. Wollt Ihr lieber alleine sein?" Eine Magdt steht mitten in der Tür und sieht mich geduldig wartend an.
"Schon gut. Trete ein", antworte ich ihr. Die Holztür schließt sich und langsame Schritte nähern sich mir. Die Frau bleibt neben mir stehen, faltet ihre Hände und senkt ihren Kopf.

Sie hat ein schmales Gesicht; schwarze, glatte Haare, die sie fein gebürstet zu einem Zopf gebunden hat und die ihr über die Brust gehen. Generell ist sie ziemlich dünn, ihre Klamotten sind dreckig und teilweise auch zerfetzt. Sogar Blutflecken sind zu erkennen.

Mein Blick aus meinem Augenwinkel scheint sie bemerkt zu haben, denn sie öffnet ihre Augen wieder und sieht mich an.

"Wollt Ihr sicher nicht alleine sein, Euer Gnaden?"

Ich schüttle nur meinen Kopf.
Die entstandene Stille bricht sie recht schnell wieder.

"Glaubt Ihr an die Götter?"
Für einige Sekunden schweige ich.
"Nein."
"Warum, wenn ich Euch fragen darf, MyLady?"
Ein leises Seufzen verlässt meine Lippen.
"Wenn es Götter gäbe, hätten sie die Rote Hochzeit verhindert. Oder nicht? Würden Götter solche Grausamkeiten dulden?" Auch sie schweigt jetzt.

"Ich glaube, dass die Götter für uns alle einen Plan haben. Wir wissen nur nicht welchen und wann unser Leiden endet. Aber jeder weite Weg wird sich lohnen und wir werden unsere Bestimmung finden, egal was passiert", sie macht eine Pause. "Was passiert ist, ist schlimm und unverzeilich. Aber es öffnet Euch völlig neue Möglichkeiten.. Ihr habt starke Männer hinter Euch, sogar einen Drachen. Nutzt Eure Stärken, MyLady."

Ich bleibe still, lege dann aber meine Hand auf ihre und sehe sie an.

"Ihr habt Recht."
Sie nickt langsam und sieht mich ruhig an.
"Wie heißt Ihr?"
"Talisa, Euer Gnaden."
"Ich lasse Euch neue Sachen in Euer Gemach bringen", sage ich und lächle sie an. Danach drehe ich mich um und öffne die Holztür der Kapelle. "Talisa", ich bleibe nochmal in der Tür stehen und sehe zu der Frau zurück. "Es gibt keine Götter mehr für mich. Ich glaube nur an einen Gott; den Tod. Und ich werde ihn zu den Richtigen bringen."

_____________

"Ein neuer Brief", Theon legt mir das Papier auf den Tisch. "Von deinem Vater. Wieder."
Ich sitze mit aufgestützten Ärmen vor dem Schreibtisch in dem Gemach, welches ich mir angeeignet habe. "Er will, dass ich die Burg und seine Männer freigebe?"
Theon nickt.
"Denkt er wirklich, ich würde soetwas machen? Denk er ich wäre dumm?" Ich muss schnauben. "Warum denkt er, ich würde das machen? Will er mich in Grauenstein einsperren, wie ein kleines Mädchen?"
"Er denkt wahrscheinlich, dass du auf ihn hören würdest, weil er dein Vater ist", meldet sich Jory zu Wort und wirkt genauso wenig begeistert wie ich.
"Ich habe keinen Vater mehr", sage ich stumpf. "Wir können hier über Jahre hinweg bleiben, falls er uns belagern würde."

"Kann er gar nicht", meint Jory und steht von seinem Stuhl in der Ecke auf. "Thaeryis hätte alle innerhalb kürzester Zeit eingeäschert und dein Vater würde ohne Armee dastehen. Er ist nicht dumm." Jetzt stützt er sich vor mir auf den Tisch und sieht mich direkt an.

"Was, deiner Meinung nach, sollte ich tun?", frage ich ihn unverwandt und lehne mich vor. "Auch wenn wir hinter den dicken Mauern jetzt endlich sicher sind, scheint es so als wären wir hier gefangen. Praktisch vor unseren Toren stehen die Lannisters. Mein Vater lauert irgendwo in den Wäldern und wir wissen nicht wo. Was also, deiner Meinung nach, sollte ich tun?"

Unsere Gesichter sind mittlerweile nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt.

"Brenn sie nieder", meint er leise. Es ist kurz still und für einen Moment sehen wir uns nur stumm an. Dann lehne ich mich jedoch wieder zurück. "Kann ich nicht."
"Warum?" Er ist offenkundig über meine Antwort verwundert.

"Die Männer meines Vaters folgen ihm zwar. Er aber gibt die Befehle und schickt sie quasi in den Tod, wissentlich. Ich will keine Unschuldigen verbrennen."

"Und was, bei allen Göttern, willst du dann tun?"
Ich seufze, auch wenn ich eher belustigt als verzweifelt bin. "Wozu bist du eigentlich hier, wenn du mir nicht weiterhelfen kannst?"
Eine seiner Hände wandert zu meiner und streicht langsam darüber.
"Ich kann dir weiterhelfen", erwidert er dann leiser und ein Grinsen huscht über sein Gesicht.
Hinter ihm räuspert sich Theon und Jory's Hand verschwindet wieder genauso schnell wie sie da war.
"Vielleicht solltest du mit deinem Vater verhandeln. Wir sitzen hier, offensichtlich gefangen und dein Vater wird das wissen. Also warum nicht für Frieden verhandeln?"

Ich sehe ihn nachdenkend an.
"Ja... mein Vater weiß, dass wir nicht genug Männer haben um ihn zu überfallen."
Dann strecke ich mich vor und lege ein Papier vor mich.
"Friede...das würde uns allen viel bedeuten. Aber denkst du Roose geht darauf ein?" Jory spricht mir aus der Seele.
"Er wird", antworte ich jedoch sicher.
"Er wird sich die Chance nicht entgehen lassen. Ich bin seine Erbin und ich bin mir ziemlich sicher, dass er seinen Bastardsohn nicht als seinen Erben anerkennen wird."
Beide nicken.
"Ihr könnt jetzt gehen."
Jory sieht mich beim rausgehen noch einmal an, geht dann aber ohne etwas zu sagen.

Überlegend fasse ich nach einer Feder und beginne zu schreiben. Ich achte darauf, meine Worte gut zu wählen und bringe den fertigen Brief zu den Raben, der auch sofort losgeschickt wird.

Auf dem Rückweg zu meinem Gemach treffe ich auf Talisa. Diesmal hat sie ihre Haare fein gekämmt über ihrem Rücken hängend.
Sie knickst vor mir und lächelt mich an.
"Danke für Eure Großzügigkeit, MyLady. Die Sachen sind wunderschön."

Erfreut erwiderte ich ihr Lächeln.
"Ich habe etwas für Euch gemacht, als Dank", sagt sie und zieht etwas aus ihrer Tasche und hält es mir hin.
Beim Betrachten erkenne ich, dass es eine Kette mit einem relativ breiten schwarzen Band ist. An der Kette ist ein Anhänger in Form eines Kreuzes, das Kreuz des Hauses Bolton. Ich kann sogar den gehäuteten Mann darauf erkennen. Auf dem Band sind außerdem feine Wellen, die mich an etwas erinnern.
"Talisa...danke."
"Wisst Ihr, Ihr seid es würdig den Namen Bolton zu tragen. Ihr foltert nicht willkürlich, aber beweist dennoch Stärke. Die Männer glauben an Euch, Euer Gnaden."
Ihre Worte berühren mich überraschender Weise und so lasse ich sie mir die Kette anziehen, die sehr eng an meinem Hals anliegt.

Nachdem sie mir die Ketze angezogen hat, nehme ich ihre Hönde in meine.
"Ihr seid eingeladen morgen Abend mit an meinem Tisch zu speisen."
Talisa's Lächeln wird noch breiter und ihre Augen strahlen mit.
"Danke, Euer Gnaden."

Danach gehe ich wieder in mein Gemach und setze ich mich auf meinen Stuhl.
Die Wellen von der Kette erinnern mich an...
Den Armreif von Robb.

Ich sehe zu meinem Handgelenk.

Der Armreif ist aus hellem Holz, zwei Schattenwölfe sind darauf gebrannt, sie sehen sich praktisch an. Auf dem Rest des Armreifs befinden sich die feinen Wellen, wunderschön verziert und ausgearbeitet.
Robb hat es mir kurz nach unserer Hochtzeit geschenkt..

Drachenmädchen || Game of Thrones FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt