Der Akzent mit dem Draht zum Höschen

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Rückblickend werde ich diesen Tag sicherlich als den 'Tag der Überraschungen' bezeichnen. Eine angenehme Überraschung war es, zu entdecken, dass Theresa mit mir zusammen arbeitet.

Eine weniger angenehme Überraschung ist, dass meine neue Chefin mir vergessen hat zu sagen, dass ich eine kleine Rede halten soll nachdem ich mich schon bei jedem Mitarbeiter einzeln hatte vorstellen müssen.

Ich stehe nun also hier auf dem Podium, vor mir alle hundertvierzig Mitarbeiter sitzend die mich erwartungsvoll anschauen. Ich bin angespannt. Gelinde ausgedrückt.

Um ein wenig Zeit zu schinden, bedanke ich mich erst mal bei Frau Strauß und meinen neuen Kollegen für den herzlichen Empfang.

Und damit bin ich mit meinem Latein auch schon am Ende. Ja, ich bin amtlich am Arsch.

Spontan entscheide ich mich dazu, mit offenen Karten zu spielen. Das ist immer eine gute Idee und kommt sympathisch rüber.

Anscheinend empfinden meine Zuhörer das ähnlich. Denn als ich kopfschüttelnd und schmunzelnd eingestehe, dass mein Kopf vollkommen leergefegt ist, fangen alle an zu lachen und nicken verstehend. Offenbar können sie nachvollziehen, dass dieser Morgen doch ein wenig anstrengend für mich ist.

„Erzählen Sie doch ein wenig über sich. Wir sind alle neugierig.", ruft plötzlich eine Stimme aus einer der hinteren Reihen zu mir nach vorne. Als ich nachsehe zu wem die Stimme gehört, entdecke ich Mia die mir zuwinkt. Neben ihr sitzt Theresa die mich aufmunternd anlächelt. Ich muss, denke ich, also ziemlich erbärmlich aussehen. Mias Zwischenruf trifft auf Zustimmung bei den Kollegen und so beginne ich ohne groß nachzudenken.

„Gut, dann versuche ich Ihre Neugierde zu stillen. Ich heiße Michael Fassbender und komme ursprünglich aus Irland, wie man unschwer an meinem Akzent erkennen kann." Dafür ernte ich erneute Lacher. Denn, auch wenn ich schon seit einigen Jahren in Deutschland lebe, habe ich mir meinen deutlichen Akzent beibehalten. Und das auch mit voller Absicht. Erstens, lege ich Wert auf meine Wurzeln und besuche meine Familie und Freunde in Irland so oft ich kann. Ich liebe mein Heimatland und fühle mich nur dort richtig Zuhause.

Zweitens, ist mein Akzent ein Frauenmagnet. Keine Ahnung warum, aber das weibliche Geschlecht fühlt sich sofort magisch zu mir hingezogen wenn ich den Mund aufmache. Es ist, als ob meine Worte einen direkten Draht zu ihren Höschen hätten.

Einen nicht zu unterschätzenden Teil wird wahrscheinlich auch meine große Gestalt und athletische Figur damit zu tun haben. Generell kann ich im Moment ruhig mal ein wenig mehr Selbstvertrauen an den Tag legen! Ich sehe mit meinen rot-braunen, kurzen Haaren und den sehr dunklen braunen Augen ziemlich ansehnlich aus. Und intelligent bin ich auch.

Ich ordne meine Gedanken wieder, schließlich bin ich ziemlich abgeschweift, und spreche weiter.

„Mein Vater ist jedoch Deutscher, wodurch ich schon immer eine Verbundenheit mit dem Land verspürt habe. Es war also nicht verwunderlich für meine Eltern, als ich nach der Schule entschieden habe, in Deutschland zu studieren. Ich ging also nach Berlin und begann Psychologie zu studieren. Wobei mir recht schnell klar wurde, dass ich mich auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen spezialisieren würde. Als ich mein Studium abgeschlossen hatte, bekam ich sofort eine Anstellung in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie, in der ich bis zu meinem Umzug tätig war. Während meiner Tätigkeit habe ich mich im besonderen Maße mit den Themen „Trauma" und „Kindeswohlgefährdung" auseinandergesetzt. Ich denke, dass ich in Ihrer Einrichtung gut an diese Bereiche anknüpfen kann und freue mich auf mein neues Tätigkeitsfeld."

Schluckt das, ihr Pisser, denke ich triumphierend, als ich den Blick über meine verdutzten, zukünftigen Kollegen schweifen lasse. Es hat wohl keiner damit gerechnet, dass ich die Ansprache doch noch so gut hinkriege.

Point of no returnWhere stories live. Discover now