Fünf Minuten Spaß

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Am nächsten Morgen fühle ich mich schon wieder viel geordneter als gestern noch.

Ich habe abends lange mit Karen telefoniert. Es war ein entspanntes und unkompliziertes Gespräch, angefüllt mit geflüsterten Zärtlichkeiten und der tiefen Gewissheit sie schrecklich zu vermissen.

Es ist so anders als mit Theresa, mit der eine Unterhaltung einem Minenfeld gleicht. Ich schwebe ständig in der Gefahr bei jedem kleinen Schritt in der Luft zerrissen zu werden.

Hinterher war ich mir wieder unumstößlich sicher, Karen zu lieben und sie um nichts in der Welt verlieren zu wollen.

Keine Ahnung was mich da gestern geritten hat, aber ich werde nie wieder zulassen, dass die Leidenschaft die ich gegenüber Theresa empfinde, die Kontrolle übernimmt. Auch wenn mir klar ist, dass diese Leidenschaft mächtig ist. Ich werde vorsichtig sein müssen. Und mich wahrscheinlich, von meinem Vorhaben sie flach zu legen, verabschieden. Was sowieso besser ist, sollte ich wirklich ihr Vorgesetzter werden.

Ich bin also bester Laune und total im Reinen mit mir, als ich mit Frau Strauß auf Theresa warte, die gerade an die Bürotür unserer Chefin klopft.

„Bleiben Sie sitzen.", biete ich Frau Strauß an und gehe zur Tür um diese zu öffnen.

Als ich mein Vorhaben in die Tat umsetze, stehe ich einer Theresa gegenüber die ihre Augen zu wütenden Schlitzen zusammen gekniffen hat. Ich blinzele überrascht und muss gleichzeitig schmunzeln, weil es so süß aussieht, wie diese kleine Frau mich angiftet.

„Einen wunderschönen guten Morgen, Sonnenschein.", wünsche ich ihr. Allerdings so leise, dass Frau Strauß mich nicht hört.

„Schieben Sie sich den sonst wo hin!", pfeffert sie mir entgegen. Obwohl ich mich noch genau daran erinnern kann, dass sie mir erst gestern versichert hat, dass sie mir gegenüber nie wieder ausfallend werden würde. Ziemlich konsequent, die Gute.

Ich bewahre jedoch Ruhe. Ich werde nicht aus der Rolle fallen und auf ihre Verrücktheiten eingehen. Auch wenn es, ehrlich gesagt, verlockend ist. Auf verdrehte Art und Weise. Vielleicht bin ich masochistischer als ich dachte.

„Schlecht geschlafen?", frage ich sie.

Theresa geht einen Schritt auf mich zu und steht nun in der halb geöffneten Tür.

„Ich kann es nicht glauben, dass Sie mich verpetzt haben! Ich habe mich sogar entschuldigt.", zischt sie mir zu.

Hä? Ich verstehe nur Bahnhof, bevor mir klar wird, dass sie die Situation durchaus missverstehen könnte. Gestern hat sie sich mir gegenüber im Ton vergriffen und heute soll sie bei unserer Chefin antanzen.

Ich grinse. Das ist ja witzig. Sie denkt, ich hätte es tatsächlich nötig mich bei irgendwem auszuheulen, weil eine kleine Zicke mich angemotzt hat.

„Kommen Sie doch erst mal rein.", biete ich ihr an und lächele schadenfroh.

Theresa schnauft und schiebt sich an mir vorbei. Sie begrüßt Frau Strauß und setzt sich. Ich nehme neben ihr so Platz, dass ich Theresa aus den Augenwinkeln betrachten kann. Nervös spielt sie an ihren Fingern herum, die gefaltet in ihrem Schoß liegen. Ich verberge mein Grinsen hinter meiner Hand.

„Schön, dass Sie da sind, Frau Richter. Auch wenn es ein eher zweifelhafter Grund ist, weswegen wir Sie sprechen wollten.", beginnt Frau Strauß und ich sehe, wie sich Theresa bei ihren Worten versteift.

Ich genieße die Show und will sie leiden sehen.

„Ok.", antwortet Theresa unsicher. Schön, sie auch mal so kleinlaut zu erleben.

„Ich weiß nicht, ob Sie informiert sind darüber, dass Ihr Teamleiter die Gruppe verlassen wird.", führt Frau Strauß weiter aus. Und ich würde sie gerne anschreien, dass sie nicht sofort zum Punkt kommen soll. Ich will Theresa erst noch ein wenig quälen. Ich will meinen Spaß!

„Doch, dass hat Carsten uns bereits mitgeteilt.", erklärt Theresa und sieht dabei schon wieder ein wenig entspannter aus.

„Ja, weil er sich unangemessen verhalten hat.", werfe ich ein und ernte dafür komische Blicke meiner Chefin. Mir aber egal. Ich bin noch nicht bereit, die Situation aufzuklären. Es macht mir Spaß Theresa auch mal ganz klein und schuldbewusst zu erleben. Ich fühle mich schließlich ständig so in ihrer Nähe.

„Stimmt doch gar nicht!", hält Theresa irritiert dagegen.

„Stimmt auch nicht.", bekräftigt nun ebenfalls Frau Strauß und sieht mich kopfschüttelnd an.

Ach, leckt mich doch alle. Darf ich nicht mal fünf Minuten meinen Spaß haben?

„Wir würden Ihnen gerne die Stelle anbieten.", lässt Frau Strauß die Katze aus dem Sack.

Theresa klappt die Kinnlade herunter. Sie ist sprachlos. Dass ich das noch erleben darf.

Als einige Sekunden niemand etwas sagt, Theresa, weil sie anscheinend in Schockstarre verfallen ist, meine Chefin und ich, weil wir auf eine Antwort warten, mustere ich Theresa von der Seite und bemerke, dass sie ein Kleid trägt. Es ist ein Stück hochgerutscht, sodass ich einen guten Teil ihrer Schenkel sehen kann. Ich gebe den Befehl an mein Gehirn, nicht mehr ihre Schenkel anzustarren. Klappt nicht.

Miststück! Ich bin mir sicher, sie hat einen Pakt mit dem Teufel um mich zu foltern. Der Teufel muss meine Eier hassen. Dabei sind sie schön. Naja, nicht schön. Sie sind halt so ansprechend, wie Hoden nun mal sein können.

Frau Strauß unterbricht meinen inneren Monolog über meine Eier. „Und? Was sagen Sie dazu?", richtet sie sich an Theresa.

„Ok.", antwortet Theresa erneut einsilbig und sieht immer noch so aus als ob sie einen Geist gesehen hätte.

„Ok, Sie machen es, oder Ok, Sie überlegen es sich?", fragt Frau Strauß.

„Natürlich mache ich es.", stellt Theresa klar. „Ich hätte nur nicht damit gerechnet, dass Sie mir die Stelle anbieten." Frau Strauß auch nicht, denke ich belustigt.

„Bei der Gelegenheit kann ich Ihnen auch gleich mitteilen, dass Herr Fassbender ihre pädagogische Leitung übernimmt. Das ist doch super!", lässt Frau Strauß die nächste Bombe platzen und nickt bekräftigend als ob sie Theresa gerade ein riesen Geschenk machen würde.

Erneut klappt Theresas Kinnlade herunter und ihr Blick huscht zu mir. Sie sieht mich verständnislos an.

„Ja, super.", bestätigt Theresa und sieht so gar nicht erfreut aus. „Warum ist Claus nicht weiter für uns zuständig?"

„Wir wollen Herrn Mehrtens gerne entlasten.", beantwortet Frau Strauß die Frage ohne zu zögern.

„Aha."

„Gut, alles weitere können Sie beide untereinander klären.", beendet Frau Strauß gewohnt geschäftig das Gespräch und wirft uns damit quasi raus. Sie blendet uns schlichtweg aus und wendet sich ihrer Arbeit zu.

Zögernd erhebe ich mich als es Theresa tut. Kurz stehen wir noch unsicher in der Gegen herum, bevor Theresa mich ansieht, mit den Achseln zuckt und mit ihren Augen zur Tür deutet. Wahrscheinlich um mich zum Gehen zu bewegen, weil wir beide nicht wissen ob wir jetzt einfach verschwinden sollen. Ich nicke ihr zu und wir setzen uns einträchtig in Bewegung um das Büro zu verlassen. Im Flur angekommen bleiben wir nebeneinander stehen und schweigen weiter. Wir hängen beiden unseren Gedanken nach. Theresa denkt wahrscheinlich darüber nach, welche heiße Unterwäsche sie morgen tragen soll und wie großartig ich eigentlich bin. Zumindest stelle ich mir das so vor.

„Tja, dann bin ich wohl bald Ihr Chef.", werfe ich in den Raum.

Theresas Miene erstarrt. Dann sieht sie zur Decke, als ob sie Gott oder sonst wen, um Kraft oder Gnade anflehen würde. Ohne auch nur ein Wort zu sagen, wendet sie sich ab und geht. Grinsend sehe ich ihr hinterher.

Sie denkt eindeutig darüber nach wie großartig ich bin. 

Point of no returnWhere stories live. Discover now