37 - Verlorene Kontrolle

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Danach passierte alles wie in Zeitlupe...

Schon fast panisch blickte ich mich nach Detlev um, der bereits die Richtung des Waldes eingeschlagen hatte. Ich sprintete ihm hinterher und sah aus dem Augenwinkel, wie die Wölfe aus dem anderen Rudel begannen, mir zu folgen.
Bevor ich im Wald verschwand, warf ich nochmal einen letzten Blick zu Peeta, der immer noch bewegungslos auf seinem Rücken auf dem Boden lag.

'Ich bin ok', hörte ich seinen Gedanken in meinem Kopf.

Auch wenn ich dies nicht wirklich glauben vermochte, rannte ich Detlev weiterhin hinterher.
Hinter mir, hörte ich währenddessen die schweren Schritte der anderen, die aber mit der Zeit immer weniger wurden. Nur einer von ihnen war uns immer noch dicht auf den Fersen und ich sah, wie Detlev langsam nervös wurde.

'Keine Panik. Ich kümmere mich um ihn.'

Detlev wurde augenblicklich schneller. Auch ich zog mein Tempo an und fragte mich, wie lange ich diese Geschwindigkeit noch halten müsste oder eher, wie lange ich dies noch konnte.
Ein paar Sekunden später hörte ich ein lautes Jaulen hinter mir und somit war unser Verfolger verschwunden.
Nach einiger Zeit lichtete sich der Wald und ein See tat sich hinter dem Dickicht auf. Ich wusste, dass ich nicht mehr lange laufen könnte, denn brannte meine verletzte Seite wie Feuer. Ich stellte mir vor, wie es sein musste, wenn ich mir jetzt dort unten im kühlen Seewasser den Dreck aus dem Fell waschen könnte, doch noch stoppten wir nicht.
Dann irgendwann wurde Detlev jedoch endlich langsamer und verwandelte sich in einen Menschen. Auch ich verwandelte mich und schloss zu ihm auf, denn er hatte sich schon wieder in Bewegung gesetzt.

"Sind wir da?", fragte ich.

"Ja", antwortete er und setzte seinen Schritt in wütender Geschwindigkeit fort.

Wir waren nicht einmal zwanzig Meter gelaufen, als die hohen Bäume ein kleines Haus freigaben. Es war in Blau und Gelb gestrichen und lag genau am See. Mit einem Steg und einem großen Garten.

"Hier fahren meine Frau und ich eigentlich nur im Sommer hin, aber Ben hat mir befohlen, dich hier zu verstecken", sagte er, während er die Tür öffnete und seine Schuhe auszog. Ich tat es ihm gleich und folgte ihm in einen Raum, den ich als Küche identifizierte.

"Setz dich!"

Zügig ließ ich mich auf dem Stuhl gegenüber dem von Detlev nieder und beobachtete ihn, wie er sich einmal mit den Händen über Gesicht und Haare fuhr und mich dann streng ansah.
Seine rechte Wange blutete und sein T-Shirt war zerfetzt. Wahrscheinlich hatte er dort auch Wunden davon getragen.
Auch mein, oder eher gesagt Peetas, Pullover war an meiner rechten Schulter und der Hüfte aufgeschlitzt.

"Es gibt das so eine Alphatierregel, die Ben missachtet. Da er mehr Wert auf sein Rudel legt, anstatt auf sich. Rafael ist da anders. Die Regel, die nun seine 'Untertanen' befolgen ist die, dass man den Alpha unter allen Bedingungen schützen sollte. Nun hast du nicht nur ihn, sondern auch die Ehre und somit auch die Ehre des Rudels angegriffen. Die Konsequenz davon ist, dass sie dich nun suchen werden. Und sie werden nicht eher aufhören, bis sich dich getötet haben. Denn du bist nun eine Bedrohung für sie."

"Was? Ich eine Bedrohung? Ich kann nicht mal richtig kämpfen!", unterbrach ich ihn.

"Trotzdem!"

"Na super!", rief ich aufgebracht und wollte die Küche verlassen.

"Das war einfach nur leichtsinnig! Was willst du machen?!"

"Duschen!"

"Die dritte Tür links!"

Ich ging ins Bad und schloss ab. Vorsichtig, mir nicht weitere Schmerzen zuzufügen, entledigte ich mich meiner Kleidung und nahm ein langes und warmes Bad. Ich hatte Wunden an meiner rechten Schulter und Hüfte. Ich würde Detlev fragen müssen, ob er Verbandszeug für mich hatte.

Anny P.O.V.

"Heißt das, dass Amy da draußen jetzt von diesen rachedurstigen Monstern gejagt wird?", rief Mariah aufgebracht.

"So kann man das nennen, ja", antwortete Ben, der sich gerade das Blut von Hals abtupfte.

Ich saß immer noch auf einem Stuhl in der Küche und musste mit ansehen, wie immer wieder verletzte Rudelmitglieder zu Ben kamen und sich beschwerten.
Zwar hatte Mariah nicht wirklich viel abbekommen, dagegen aber Harry.
Und dann war da ja noch Amy. Aber nach dem, was Ben dem Rest des Rudels bereits mitgeteilt hatte, war sie bei Detlev erst einmal in guten Händen.

"Anny? Kannst du mal bitte nach Ian schauen? Er ist schon seit zwanzig Minuten im Bad", befahl Ben.

Sofort stand ich auf und ging die Treppe hinauf ins Bad. Dort angekommen klopfte ich an und wartete auf eine Antwort.

"Ja?", kam es von drinnen.

"Ian? Alles in Ordnung?"

"Jaja."

"Darf ich reinkommen?"

"Nein."

Kurzerhand öffnete ich die Tür und schlüpfte ins Bad. Ich sah auf Ians Rücken, den zwei lange Wunden zierten.

"Habe ich mich nicht klar ausgedrückt?!", entgegnete Ian nun wütend.

"Ich mache mir doch nur Sorgen", sagte ich und schritt näher an ihn heran.

"Verschwinde", befahl er.

"Ian?", flüsterte ich und näherte mich ihm ein weiteres Stück. Nun konnte ich eine weitere Wunde an seiner Schulter erkennen.

"Bitte...lass mich in Ruhe. Rafaels Rudel hat mich heute ganz schön herausgefordert. Weil ich sie doch verraten habe."

"Hast du noch mehr Wunden?"

"Ja. Und genau die müssen jetzt heilen und das entzieht mir meine Energie. Wenn du nicht willst, dass ich dich anfalle, dann würde ich jetzt lieber gehen."

"Wirst du sowieso nicht", sagte ich und strich mit meinem Zeigefinger über seine rechte Schulter. Er atmete zitternd aus und machte einen Schritt nach vorne.

"Geh."

"Nein, ich werde dir helfen, deine Wunden zu verbinden."

Ich ging zum Schrank und streckte mich, um an den Verbandskasten zu kommen, als plötzlich zwei starke Hände meine Hüfte umfassten. Verunsichert hielt ich in meiner Bewegung inne. Kurz darauf spürte ich seine Lippen an meinem Hals. Er wird doch wohl nicht...

Doch dann spürte ich seine harten Zähne an meinem Hals und reagierte sofort. Ich löste mich aus seinem Griff und stieß ihn von mir. Jetzt konnte ich ihm das erste Mal wieder ins Gesicht sehen. Seine Iris hatte eine blutrote Farbe angenommen und die Adern unter seinen Augen waren hervorgetreten.

"Komm schon Anny...nur ein kleines bisschen!", grinste er. Ich schauderte beim Anblick seiner Fangzähne. Er war nicht mehr er selbst. Er hatte die Kontrolle über das Raubtier in sich verloren.

"Fass. Mich. Nicht. An. Ian", warnte ich ihn, aber er kam mir immer näher.

"Du hörst nicht auf mich. Ich höre nicht auf dich."

Ich wollte augenblicklich aus dem Bad stürmen, doch er drückte meine Schultern gegen den Schrank. So fest, dass es keine Chance mehr gab, zu entkommen. Ängstlich schaute ich auf Ians blutbedeckte und zerkratze Brust.
Wieder kam Ian mit seinem Kopf näher und strich mit seiner Nase an meinem Hals entlang. Ich erschauderte und versuchte ihn wegzudrücken. Vergeblich.

"Du bist so hilflos", lachte Ian.

In dem Moment, in dem ich seine Zähne an meinem Hals spürte, schrie ich auf.

NighttimeDonde viven las historias. Descúbrelo ahora