Fünftes Kapitel

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"Die zwei Stunden sind rum!"

Traurig stöhnte Ela auf und löste sich von Felix. Sie war so in ihren Gedanken vertieft, dass sie nicht merkte wie Felix' Blick hasserfüllt und wütend wurde. Erst als er aufgebracht aufstand und zur Tür gehen wollte fiel es ihr auf. Sofort stellte sie sich vor ihn. "Was machst du da?", flüsterte sie erschrocken. "Was meinst du?", fragte er sarkastisch zurück und wollte an ihr vorbei.

"Nein!", rief sie aus. "Wieso? Diesem Bastard muss jemand mal das Maul stopfen!" "Selbst wenn du ihn verprügelst oder was auch immer du vorhast, hat er den Vertrag! Rechtlich gesehen ist er im Recht!", erwiderte sie, und runzelte bei dem letzten Satz verwirrt die Stirn. "Dann...", Felix suchte nach einer Alternative. "Dann frag ich ihn nach dem Vertrag!" "Wenn du das tust dann wird er es hinauszögern, und dann wird er.. wenn du weg bist wird er...", sie stotterte.

Felix spürte was für eine Angst sie hatte, und auch wenn er sie zwei Stunden kannte, wusste er, genau in diesem Moment, dass er ihr helfen musste. Helfen würde. Er könnte sie nicht hier zurücklassen. Genau in dem Augenblick, als er ihr die Angst vor Oliver ansah, wie schutzlos, wie unschuldig sie war, war es um ihn geschehen. Um sein Herz. Es verkrampfte sich. Er hatte sich in ein Mädchen verliebt, von dem er nichts wusste. Er hatte sich in sie verliebt, weil sie so schnell rot wurde, weil sie verlegen den Blick senkte, weil sie Star-Wars kannte, weil sie herzerwärmend lächelte, weil sie Angst hatte und weil sie irgendwie wie das Gegenteil von ihm wirkte.

So unwahrscheinlich das auch war, wie unglaublich das auch klang, so war es nun einmal. Denn das Verliebtsein hat nichts mit Zeit zu tun. Sie entwickelt sich nicht in Jahren. Es ist ein Moment der entscheidet. Und dies war der Moment.

Als sie sich so gegenüber standen, wusste Felix das Gefühl in ihm nicht zu deuten, denn auch wenn das Verliebtsein seinen Lauf nimmt merkt der Mensch erst zu spät, was gerade passiert. "Was kann ich denn tun?", fragte er, und versuchte den verzweifelt klingenden Unterton seiner Stimme zu unterdrücken. "Du kannst nichts tun.", versuchte Ela zu lächeln. Sie wusste nicht warum sie so sprachen, als würden sie sich schon seit Jahren kennen. Sie wusste auch nicht warum er ihr unbedingt helfen wollte. Doch sie schätzte das.

"Ela?", ertönte Olivers Stimme. "Ich.. Wir ziehen uns g-gerade an.", brachte sie hervor. "Sei in zehn Minuten unten.", rief dieser und seine, sich entfernenden Schritte wurden immer leiser. Ela richtete ihren Blick wieder auf Felix. Sie zog sich die Jacke aus und reichte sie ihm. "Hier." "Nein, behalt sie.", winkte Felix ab. "Was? Nein, nimm sie!", bestand Ela verwirrt. "Ich möchte, dass du sie behälst.", erwiderte er so bestimmt, dass Ela kein Gegenwort mehr einwandte.

Sie sah ihm an, dass er angestrengt nachdachte, doch sie wusste nicht worüber. Er dachte über eine Lösung nach. Wenn er nicht nach dem Vertrag verlangen konnte, da er ihr sonst was antun würde und wenn er ihn nicht verprügeln und mit ihr hier rausrennen konnte, wegen den ganzen Türstehern, musste es doch trotzdem noch eine andere Lösung geben.

Er blickte erschrocken auf, als er hörte wie die Tür knarrte. Ela stand in der Türspalt und sah ihn an. "Was tust du da?", fragte er. "Wir gehen jetzt runter?", antwortete sie verwirrt, da dies ja wohl klar zu sein schien. Sie drehte sich um und wollte gehen, doch er hielt sie am Arm fest. Sie drehte sich zu ihm. "Ich...", er runzelte die Stirn. "Ich will dir helfen!", brachte er hervor. Ela lächelte. "Das ist unglaublich nett von dir, aber ich glaube da kann man nichts mehr tun."

Plötzlich fiel ihm was ein. "Wird er dich heute noch einmal mit jemandem raufschicken?", knurrte er förmlich. "Ich denke nicht, Tris meinte, er würde es in der ersten Nacht immer nur einmal tun lassen.", erleichtert atmete Felix auf. "Gut. Also, ich gehe jetzt und überlege mir was, ok?", er sah sie aufmerksam an und beobachtete ihre Gesichtszüge. Er sah wie ihr Gesichstausdruck von fragend über verwirrt zu erstaunt überging.

"Wa-Wieso?" , sie war überrascht. "Ich lass dich nicht hier.", gab er schlicht wieder. "Ich hol dich hier raus." Ela's Herz machte einen Satz. Für einen Moment sprühte ein Funken Hoffnung in ihr auf, nur für einen Augenblick, bis sie ihn im Keim erstickte. Sie konnte sich keine Hoffnunf leisten. Sie hatte viel zu sehr Angst zu hoffen, nur um enttäuscht zu werden. Sie wusste nämlich, dass der Schmerz dann viel größer wäre als zurzeit. "Das kannst du nicht.", gab sie wieder, senkte traurig den Blick und wollte sich umdrehen, doch er hielt ihren Arm weiterhin fest.

"Ich kann nicht?", fragte er ungläubig,'. "Natürlich kann ich. Und ich werde!", versicherte er ihr. Ela jedoch sah ihn zweifelnd an. "Vertrau mir!", versuchte er es erneut. "Das letzte mal, dass ich jemandem vertraut hab, brachte mich hierher.", lachte sie bitter auf. Es versetzte ihm einen Stich: Er wollte sie nicht bitter sehen. Ihr Lächeln stand ihr besser. Er beugte sich weiter vor. "Ich halte mien Versprechen. Ich gebe selten Versprechen, doch wenn ich etwas verspreche, dann tu ich es!", sagte er eindringlich. "Ich werde jetzt gehen, und das auch nur weil ich nicht will dass dieser... dieser Bastard", sein Kiefer verkrampfte sich, "dir was tut. Aber ich komme morgen wieder. Mit einer Lösung, und morgen gehen wir hier zusammen raus!", mit jedem Wort wurde er lauter. "Psst!" entfuhr es ihr. "Okay?", fragte er, ihre Aufforderung still zu sein ignorierend. "Okay.", sagte sie leise. "Zweifelst du an mir?", fragte er. "Natürlich!", rief sie traurig aus, aber sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn ein letztes mal kurz und sanft. Sie sahen in die Augen, bevor sie die Treppen runtergingen. Vor der Tür blieb sie noch einmal stehen, verwuschelte ihre Haare, zupfte an ihrem Kleid damit es unordenlich wirkte und ging gebückt, durch die Tür.

Sofort kam Oliver auf sie zu. "Und?",fragte er dreckig grinsend. Felix, neben Ela, ballte seine Fäuste zusammen. "Alles gut.", antwortete er knapp. "War sie gut?", ließ Oliver aber nicht locker. Felix wollte sich bei dieser Frage gerade auf Oliver stürzen, doch er spürte wie schwer und unregelmäßig Ela neben ihm atmete. Er durfte ihr nichts einbrocken. Wenn er jetzt Oliver schlagen würde, würden im nächsten Moment ihn zehn Security Typen aus dem Club schmeißen, und sie hätte Ärger. "Hmm.", brachte er also stattdessen zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Na dann, Ela, kannst du auf dein Zimmer. Für heute war's das.", entließ Oliver sie. Ela nickte und drehte sich um. Langsam ging sie auf die Tür zu, riskierte noch einen Blick auf Felix und verschwand dann hinter der großen, grünen Tür. Felix nickte nach diesem Blick Oliver knapp zu und begab sich in die kühle, dunke Nacht.

Er war gedankenlos, orrientierungslos, sinnlos hier rein gegangen und kam mit einer Last auf dem Herzen wieder raus. Es war wie eine Aufgabe, eine Pflicht, eine Bürde die er sich selbst auferlegt hatte. Das seltsame an dieser Situation war, dass er sich so besser gefiel, als mit der Sinnfreiheit, mit der Langeweile die ihn davor begleitet hatte. Er machte sich auf den Weg nach hause, mit einem Gedanken, der ihn quälte: 'Was musste er tun?'

Ela, die sich abgeschminkt und umgezogen hatte, lag nun in ihrem Bett. Sie sah auf die Stullehne ihrer Kommode und erblickte seine Jacke. Unwillkürlich musste sie lächeln. Auch wenn sie es nicht wollte, hatte sie seinen Worten, seinem Versprechen ein klein wenig Glauben geschenkt. Als sie an den Kuss dachte, musste sie lächeln und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. "Er findet mich süß.", hauchte sie der Zimmerdecke zu und musste noch breiter lächeln. Schnell zog sie sich ihre Decke über das Gesicht. "Oh, er findet mich süß.", entglitt es ihr noch einmal und mit einem Lächeln im Gesicht schlief sie langsam ein.

Pure (Kollegah FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt