Im Efil

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"Hallo Lucy."

"Alter! Kannst du mal die Lautstärke runterdrehen? Mir platzt gleich der Schädel!"
Ich hielt mir genervt die Ohren zu.

"Ist es dir so lieber?"

Jetzt hörte es sich so an, als würde er direkt neben mir stehen, was mich ein wenig abfuckte, weil da nichts neben mir war.
"Du bist extrem creepy, Apfel."

"...ich heiße Efil."

"Und wen zum Teufel interessiert's? Ich will bloß hier raus ohne zu sterben."

"Dich sollte es interessieren, Lucy, ich kann dich durch die Hölle gehen lassen, wenn ich will."

"Da war ich schonmal."

"...Ich weiß."

Die Stimme verschwand und dafür entstanden Umrisse und Schatten. Es war, als würde jemand mit Bleistift deine Umwelt zeichnen und sie dann anmalen, bis sie realistischer nicht sein konnte.

"Das hier ist deine erste Prüfung, Lucy.
Willkommen... in Hawaii."

Die Stimme verschwand und ließ mich allein.

Hochhäuser ragten über meinen Kopf hinaus. Sie säumten die verlassene Straße auf der ich stand. Links und rechts wuchsen Palmen aus dem Boden, die die Fahrbahn vom Gehweg trennten. Der Himmel war klar und strahlend blau.
In der Ferne, ganz sachte, hörte ich Meeresrauschen. Ich drehte mich in die Richtung aus der es kam und schritt langsam nach vorne. Obwohl alles so täuschend echt aussah, wusste ich doch, es war eine Illusion. Und wer weiß, wie stabil diese ist.
Aber die Straße war fest, sie fühlte sich wie echter Asphalt unter meinen Füßen an.
Stetig wurden meine Schritte schneller, und je schneller sie wurden, desto lauter wurde das Meer. Ich wollte dort hin. Ich wollte es sehen. Nur einmal. Das klare transparente Blau.
Ich rannte und rannte, immer dem Meeresrauschen nach, um vielleicht hundert Ecken bevor ich anhielt und es mir klar wurde.
Ich kam mir dumm vor. Es hätte mir von Anfang an aufen sollen.

Hier war kein Meer.

Ich konnte es zwar hören, aber ich konnte es nicht fühlen. Ich konnte gar kein Wasser spüren.

"Haha, lass das!" Eine weibliche Stimme erklang hinter mir. Sarah. Ich drehte mich um, doch da war niemand.
"Ich sagte du sollst aufhören! Was, wenn uns noch jemand erwischt?", kicherte sie.
Ich wollte gerade in die Richtung ihrer Stimme laufen, da ertönte jemand anderes.
"Wer denn bitte? Uns hat noch nie jemand erwischt! Und der Knutschfleck ist immer noch nicht groß genug. Jeder soll wissen, dass du mein Mädchen bist."

Eine glühend heiße Nadel durchbohrte mein Herz. Lucas.

"Das ist nicht echt...", flüsterte ich mir zu. Ich bin immer Lucas "Mädchen" gewesen. Er hat nur mich immer "mein Mädchen" genannt. Und Knutschflecken mochte er noch nie, weil er sagte, es sähe aus, als hätte er mich geschlagen. Er wollte nicht die gleichen Male hinterlassen wie Mom.

The DarkestWhere stories live. Discover now