12.

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W.

Früh morgens war ich schon im Studio angekommen um mich für das Fotoshooting vorzubereiten. In einer großen Hektik wurde ich geschminkt, frisiert und zog mein erstes Outfit an, da es sich um eine Fotoreihe handelte. Fertig gestylt stand ich dann vor Kihyuns Linse.
Da viel mir auf einmal auf, wie viele Leute sich in dem Studio versammelt hatten und mich angafften.
Waren die überhaupt Teil des Fotoshoots? Hatten sie eine bestimmte Aufgabe? Ich wusste es nicht. Das einzige was ich wusste, war dass ich alle ihre Blicke auf mir spürte. Hinzu kam, dass ich das Gefühl nicht loswurde, sie würden sich über mich lustig machen. Wahrscheinlich war es gar keine Einbildung, da ich sehen konnte wie sie miteinander flüsterten... So eine Erfahrung hatte ich in meinem ganzen vorherigen Leben noch nie machen müssen. Ich war immer der, der von jedem gemocht wurde. Das hatte ich zumindest bisher geglaubt. Vielleich hatte ich deswegen so große Probleme damit, nicht gemocht zu werden. Vielleicht hatte deswegen mein Selbstvertrauen so stark abgenommen.
Gerade würde ich nichts lieber tun, als aus dem Studio rennen, aber dann hätten sie nur noch mehr Grund mich auszulachen.
"Wir müssen noch auf Hyungwon warten.", gab mir Kihyun bescheid und riss mich so aus meinen Gedanken. Verwirrt sah ich ihn an. "Warum?" "Er will zugucken.", erklärte er schulterzuckend.
Ernsthaft?
Ich musste an das erste Fotoshooting denke, wie nervös er mich gemacht hatte.
Da kam er auch schon durch die Tür herein und murmelte ein verschlafenes "Morgen", an alle Anwesenden. Daraufhin steuerte er zu mir. Als sich unsere Blicke trafen, erhellte sich sein Gesicht. Er schenkte mir sein strahlendes Lächeln und wünschte mir einen Guten Morgen. "Und, alles in Ordnung?", fragte er. Ich nickte schnell, auch wenn es nicht der Wahrheit entsprach. Schließlich erwartet man bei  dieser Frage auch keine andere Antwort. "Gut, dann können wir ja anfangen." Er drehte sich von mir weg und klatschte in die Hände. "Fangen wir an.", sagte er diesmal an alle im Studio Anwesenden gerichtet, um sich danach genau neben Kihyun zu stellen.
Okay? Das macht mich jetzt überhaupt nicht noch zusätzlich nervös oder so...
Unter den unzähligen Blicken fing ich unsicher an zu posen und Kihyun schoss die ersten Bilder. Immer wieder musste ich zu Hyungwon rüber schielen, wie er da mit seinen verschrenkten Armen stand und mich beobachtete.
Was ihm gerade wohl durch den Kopf schwirrte? Fand er, dass ich schlecht war? Was dachten die anderen? Stellte ich mich dumm an?
Nur schwer konnte ich mich auf die Kamera konzentrieren. "Wonho entspann dich mal!", rief mir Kihyun zu. "Sorry." Ich versuchte so locker es ging zu posieren. Doch es funktionierte nicht. Die Anwesenheit aller im Studio hemmte mich immens.
"Okay Pause!", kam es von Hyungwon. Er ging wieder zu mir und sah mich verständnisvoll an. "Du musst nicht nervös sein.", flüsterte er mir zu, sodass nur ich es hören konnte. "Ich weiß, dass du das kannst." Ich lächelte ihm verlegen zu. "Du hast das Talent und du siehst verdammt gut aus, also zeig diesen Idioten was du drauf hast." Er schenkte mir noch ein aufmunterndes Lächeln, bevor er sich wieder neben Kihyun stellte. Perplex sah ich ihm nach. Als er meinen Blick bemerkte, hob er in meine Richtung seinen Daumen hoch.
Okay, was war gerade passiert? Hyungwon hat mir gesagt, dass er mich verdammt gutaussehend findet?!
Ich merkte wie sich mein Herzschlag beschleunigte, nicht aus Nervosität sondern aus Freude.
Als ich diesmal mit dem posen begann, musste ich daran zurück denken, wie Hyungwon mich gebeten hatte den Anzug für ihn anzuprobieren. Mich überkam das gleiche Gefühl, welches ich verspürte als er mich gemustert hatte; pures Selbstvertrauen. Es war als wären nur noch Hyungwon und ich in dem Studio. Die einzigen Blicke die ich noch spürte waren seine und ich wusste ganz genau, was ihm durch den Kopf schwirrte. Wonho du siehst verdammt gut aus!
Mit meinem gepushten Selbstbewusstsein konnte ich so das Fotoshooting meistern und  Kihyun und Hyungwon mit den Ergebnissen begeistern.

"Ich hab doch gesagt, dass du's drauf hast!", lachte Hyungwon, als wir wieder in seinem Büro waren. Ich errötete; "Danke." "Für was?" "Für die aufmunternden Worte." "Ich weiß doch wie das ist." Hyungwon lächelte. "Ich war auch mal so wie du. Ich dachte ich wäre nicht so gut. Aber das stimmt nicht. Du bist die einzige Person die dich aufhalten kann, verstehst du?" Ich nickte. "Ich meine das jetzt allgemein. Wenn du einen Traum hast, dann geh ihm nach. Lass dich von niemanden aufhalten, besonders nicht von dir selbst." Ernst sah er mir tief in meine Augen. "Ich will, dass du glücklich bist."
Glücklich sein... War ich glücklich? Einerseits schon, immerhin lebte ich gerade meinen Traum; ein Teil der Chae sein und Hyungwons Beachtung haben. Aber andererseits zog das positive auch viel negatives mit sich; die ganzen Gerüchte und das Gefühl den Erfolg nicht verdient zu haben. All das nagte sehr an meinem Selbstvertrauen.
"Wieso?"
"Weil du mich an mich selbst erinnerst."
Ich traute mich kaum zu atmen. Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet.
"Bist du nicht glücklich?"
"Nein." Er brach den Augenkontakt ab. "Noch nicht."
Mein Herz raste unkontrollierbar schnell. Plötzlich fühlte ich mich ihm so nah. Dass er mir so etwas persönliches anvertraute. Ich würde es niemandem verraten, es sollte unser Geheimnis sein. Aber warum war er traurig?
Auf einmal fing das Telefon an zu klingeln, wodurch diese intime Atmosphäre zerbrach. "Was gibts Herr Yoo?", fragte Hyungwon als er den Hörer abnahm.
Ich widmete mich darauf wieder meiner Assistentenarbeit, schließlich war ich deswegen hier, zum arbeiten.

Kurz vor 12:00 Uhr fing ich an nervös auf meinem Stuhl herum zu rutschen. Ich wollte die Barista nicht sehen. Sie würde mich bestimmt fragen warum ich ihr nicht geschrieben oder sie angerufen hatte. Und dann müsste ich ihr irgend eine dumme Ausrede vorgaukeln, weil ich ihre Gefühle nicht verletzen wollte. Oder vielleicht sollte ich ihr einfach die Wahrheit sagen; Hey sorry aber ich steh nur auf Leute die Chae Hyungwon sind. Ja, nein dumme Idee.
Als es dann leider 12:00 Uhr war, stand ich langsam auf. "Ich ähm geh mal unser Starbucks holen.", sagte ich unbegeistert von meinen eigenen Worten. Hyungwon blickte von seinem Laptopbildschirm auf. "Nein, setz dich wieder." Er deutete auf meinen Stuhl. Verwirrt sah ich ihn an.
Seit über einem Monat war das jetzt schon meine Aufgabe gewesen.
"Frau Kim macht das schon. Die arbeitet eh zu wenig.", antwortete er meiner unausgesprochenen Frage. "Ähm okay?", gab ich nur verwirrt aber gleichzeitig auch erleichtert von mir. Jetzt musste ich mich wenigstens nicht der Barista rechtfertigen.
"Und, wie läuft's mit dem Verehrer aus Starbucks?", fragte Hyungwon beiläufig, nachdem ich mich wieder gesetzt hatte. "Oh äh, ich hab mich nicht gemeldet." "Wieso?" Weil sie nicht du ist., schrie eine Stimme in meinem Kopf, stattdessen sagte ich; "Frauen sind nicht so mein Ding." Hyungwon hob seine Augenbraue. "Tatsächlich?" "Tatsächlich." "Sie wird drüber hinweg kommen." "Jetzt wo Frau Kim ihr nur noch Besuche abstattet, wird sie wohl keine andere Wahl haben." Ich seufzte. "Ich glaube sie wollte eh nur Kontakt haben, weil ich auf der neuen Chae bin." "Wonho." Hyungwon schüttelte seinen Kopf. "Wieso machst du dich selbst so schlecht? Sie fand dich bestimmt einfach nur nett." Ich zuckte meine Schultern. "Klar gibt es von denen, die nur etwas von deinem Erfolg haben wollen, auch genug. Ich habe damit genügend Erfahrungen gemacht. Aber du kannst nicht sofort jeden verurteilen, sonst bist du am Ende ganz alleine."
Ich konnte nicht anders, als an die vier Typen aus der Zeitung zu denken. Meinte er sie damit? Die, die sein Vertrauen missbraucht hatten? War er deswegen traurig?
"Wahrscheinlich hast du Recht." "Natürlich habe ich Recht."

Am Abend ging ich noch ins Fitness Studio, um meinen Kopf mal wieder etwas frei zu bekommen. In letzter Zeit dachte ich viel zu viel nach und überdachte jede Situation.
Ich war gerade dabei mich  auf dem Crosstrainer aufzuwärmen, als ich zwei kichernde Figuren in meinem Blickwinkel vernehmen konnte. Irritiert drehte ich mich zu ihnen, um zwei junge Mädchen zu erkennen, die wahrscheinlich gerade erst alt genug für den Eintritt in ein Fitness Studio geworden waren. Der Augenkontakt brachte sie noch mehr zum kichern.
Was hatten die denn für ein Problem? Oder hatte ich was im Gesicht?
"Bist du...bist du nicht Hyungwons Freund?", stammelte die eine ganz aufgeregt.
Was?
"Ich ähm-" "Das kannst du doch nicht einfach so fragen!", ermahnte die andere das Mädchen.
Nein ich bin der von dem Cover.
"Sorry." Sie kicherten schon wieder. "Können wir ein Foto mit dir machen?" "Ähm okay?"
Warum wollten die ein Foto mit mir? Ich bin doch kein Promi...
Nachdem sie ihr Foto geschossen hatten, liefen sie kichernd davon. Traurig sah ich ihnen nach.
War der Öffentlichkeit wirklich nur in Gedanken geblieben, dass ich Hyungwons 'Freund' bin? Was war mit dem Cover?

Chae I 2wonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt