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W.

Seit dem besagten Treffen war Hyungwon vollkommen integriert in die Gruppe.
Sobald wir Morgens einen Fuß in die Chae setzten, wurde er erstmal freudig von Minhyuk angesprungen. "Na, wie geht's unserem Morgenmuffel denn heute?", fragte er dann meistens, woraufhin noch tausend andere Fragen folgten. In der Mittagspause hielt er sich jetzt sogar außerhalb seines Büro auf, um mit uns in der Cafeteria zu essen, wo wir vorfreudig Pläne für das Wochenende schmiedeten. Neuerdings verbrachte Hyungwon nämlich nicht mehr die Hälfte seines Lebens in seinem kuscheligen Bett, sondern verließ tatsächlich des Öfteren sein Haus, um an den Wochenenden was mit uns zu unternehmen. Zwar konnte man eigentlich nicht wirklich von Pläne schmieden reden, da wir die meiste Zeit eh nur bowlen gingen, trotzdem hatten wir jedes mal eine Menge Spaß gemeinsam.
Ich hatte das Gefühl, Hyungwon war nun richtig aufgeblüht, zu meiner Erleichterung. Es war wirklich sehr erleichternd für mich zu wissen, dass Hyungwon jetzt nicht mehr nur mich hatte. Das, und der Gedanke, dass er Freude am Leben hatte, beruflich, sowie privat, ließ mich Nachts seelig schlafen.

Die Veränderung Hyungwons schien auch in der Chae aufgefallen zu sein. Er wirkte glücklicher, lockerer und aufgeschlossener. Ein allgemein besseres Klima herrschte in der Redaktion, jetzt wo ich Abschied von dieser nehmen wollte.
Meine Mappe war fertig. Ich musste nur noch die Bewerbungen an meine auserwählten Modedesignschulen abschicken.
An meinem Schreibtisch sitzend blätterte Hyungwon stolz durch die Mappe. "Sie ist ein Meisterwerk geworden."
Röte stieg mir ins Gesicht. Ich hatte meine ganze Kraft und Energie in diese Mappe gesteckt. Es freute mich seine Worte zu hören, gleichzeitig fühlte es sich komisch für mich an Komplimente zu akzeptieren. Seit scheinbar jeder der Meinung war, dass ich eh nur erfolgreich war, wegen Hyungwon, war es schwer für mich geworden mir solche Komplimente zu Herzen zu nehmen.
"Danke.", sagte ich dennoch verlegen.
Er legte die Mappe zu Seite und stützte seinen Kopf an seinen Arm ab. "Und, weißt du schon wo du dich überall bewerben willst?" Sofort zählte ich ihm einige Namen auf. "Modern Fashion Institut Seoul?", unterbrach er mich plötzlich bei meiner Aufzählung. "Ja, das ist mein Favorit." Er fing an zu lächeln. "Ich kenne den Leiter persönlich. Es dürfte also kein Problem werden, dich da reinzukriegen. Der Platz ist dir so gut wie sicher." Mit großen Augen sah ich ihn an. "Oh, echt? Das wusste ich gar nicht..." Er nickte zufrieden.
In Gedanken strich ich diese besagte Schule schon mal von meiner Liste. Dort würde ich mich nun definitiv nicht mehr bewerben.
"Bei welchen hast du noch Kontakte?", fragte ich.
Alle die er aufzählte, strich ich ebenfalls in Gedanken von meiner Liste.
"Deinem Traum wird nichts im Wege stehen. Dafür werde ich schon sorgen.", versicherte er mir und drückte liebevoll meine Hand.
Ich zwang mir ein Lächeln auf. Das war genau das Gegenteil von dem was ich erreichen wollte. Hyungwon war zwar eine tolle Unterstützung, wofür ich ihm natürlich dankbar war. Gleichzeitig war er aber auch unwissend eine immense Blockade für mich.
Das Modedesignstudium stellte für mich einen Neuanfang dar. Ich würde nochmal von Null anfangen. Ganz alleine, ohne Hyungwon.
Und so schickte ich schließlich meine Bewerbungen an genau die Schulen ab, zu denen er keinerlei Kontakte hatte. Das verheimlichte ich ihm jedoch, um vorzubeugen, dass er auf irgend eine Weise, doch noch dazwischen funken konnte.
Ich wollte es einfach wissen. Ich musste es wissen. War ich wirklich gut genug, ohne jegliche Hilfe, einen Platz zu bekommen, oder hatten doch alle Recht, mit ihren Vorwürfen?

"Auf Wonho!", riefen meine Freunde und wir stießen alle an.
Wir stießen auf meinen hoffentlich baldigen Erfolg in der Modebranche an. Darauf, dass ich vielleicht einen Platz an einer Modedesignschule bekommen würde.
Nach der Meinung meiner Freunde, war ich jetzt schon sicher der nächste große Modedesigner und um das schon mal zu feiern, hatten wir uns zu fünft in einer Karaokebar getroffen.
"Ok, fangen wir an!", kam es von Kihyun, der sich zwei Mikrophone schnappte. "Wer will gegen mich singen, hm?", fragte er und hielt eines der Mikrophone in die Runde.
Keiner von uns drei Vocalists fühlte sich angesprochen. Gegen Kihyuns göttliche Stimme hatten wir sowieso keine Chance, das war uns bewusst. Doch ihm einen Sieg zu gönnen, wollten wir dann auch nicht. Der kleine Mann war eh schon viel zu eingebildet und von sich selbst überzeugt.
I.M nahm ihm schließlich das Mikrophon ab. Und so lieferten sie uns als Duett ein wundervolles Cover von You're Pretty The Way You Are.
Gebannt beobachtete ich sie. Wie sie sich freudig zur Musik bewegten, im Einklang mit sich selbst.
Kihyun sang fantastisch, er traf jeden einzelnen Ton. Er wusste eben ganz genau was er tat. Ihm war bewusst, was er konnte und darauf war er stolz.
Kihyun, der Starfotograph.
Der, von dem alle Models abgelichtet werden wollen.
Der, um den sich Agenturen reißen.
I.M harmonierte perfekt mit Kihyun. Mit Leichtigkeit rappte er die Lines und verhaspelte sich kein einziges Mal. Selbstsicher, so wie er auch in seinem Leben stand. Privat, aber auch beruflich.
I.M, der bekannte Journalist.
Der, der die besten Artikel schreibt.
Der, wessen Meinung in der Modebranche von hoher Bedeutung ist.
Auch wenn sie den Song als Einheit performt hatten, freute Kihyun sich trotzdem tierisch darüber mehr Punkte als I.M erzielt zu haben. "Neuer Highscore!", jubelte er. "Setz dich hin, du Anfänger.", grinste Minhyuk ihn an und nahm Hyungwons Hand. "Wir zeigen dir jetzt mal eine richtige Show."
Und so kam es dazu, dass die beiden völlig übertrieben zu Time of my Life sangen und sich theatralisch in den Armen wiegten.
Minhyuk fühlte sich unglaublich wohl in seiner Haut, wodurch er gute Laune im ganzen Raum übertrug.
Minhyuk, der Personalabteilungsleiter.
Der, der von allen wert geschätzt wird, für seine gute Arbeit.
Der, der von jedem, für seine offene Art, gemocht wird.
Hyungwon konnte ihre Performance gar nicht richtig ernst nehmen. Ständig musste er wegen Minhyuk lachen, der spontan entschieden hatte, dass er Johnnie und Hyungwon Baby ist. So versuchte er ihn in einen Paartanz zu verwickeln. Vergeblich. Hyungwon war viel zu sehr damit beschäftigt sich den Bauch vom ganzen lachen zu halten, als sich auf irgendwelche Tanzschritte konzentrieren zu können. Schließlich schmiss Minhyuk ihre Mikros zur Seite und streckte seine Arme aus. "Los Baby, die Hebefigur!", rief er ihm zu. "Dein Ernst?", lachte dieser. "Mein voller Ernst!" Hyungwon krümmte sich vor Lachen, bevor er all seinen Mut zusammen nahm und auf Minhyuk los rannte. Kihyun, I.M und ich hielten gespannt die Luft an, als er sprang. Doch wie abzusehen war, konnte Minhyuk ihn natürlich nicht halten und so landeten beide auf dem Boden, was uns alle zum Lachen brachte. Stolz bewunderte ich Hyungwon, wie er aus seiner comfort Zone ging und einfach hemmungslos mit uns Spaß haben konnte. Ich bewunderte ihn für so vieles.
Hyungwon, das Supermodel und der Chefredakteur.
Der, der aus dem Nichts ein ganzes Imperium aufgebaut hatte. Der, der einer der wichtigsten Personen in der Modebranche ist.
Nach dieser bühnenreifen Performance, sangen wir noch alle zu fünft einen Song.
Ich beneidete jeden einzelnen von ihnen dafür, dass sie erfolgreich ihren Traum leben. Dass sie diesen eigenständig realisiert hatten, mit Fleiß und harter Arbeit. Dass sie für sich selbst stehen. Dass sie stolz darauf sein können, was sie erreicht haben.
Und als wir gemeinsam den Chorus sangen, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass ich so sein könnte wie sie.

Später alleine zu Hause, war ich total aufgewühlt.
Anstatt mich wieder an Shownu zu wenden und so zu tun, als wäre nichts, entschied ich mich diesmal dazu, meinen besten Freund anzurufen und nach Rat zu fragen.
Wir quatschte eine Weile, in der wir uns gegenseitig auf den neuesten Stand unseres jeweiligen Lebens brachten, bevor ich ihm dann erzählte, dass mein neues Ziel Modedesign wäre.
"Das kann ich mir richtig gut bei dir vorstellen.", bestärkte mich Jooheon. "Danke."
Mein Herz erwärmte sich bei seinen Worten. Ich wusste, auf ihn konnte ich mich immer verlassen. Es tat verdammt gut wieder mit ihm zu reden. Ich hatte ihn in letzter Zeit völlig vernachlässigt, merkte ich nun.
"Ich habe die Bewerbungen schon abgeschickt.", berichtete ich weiter. "Krass man! Das wird ein neues Kapitel in deinem Leben!"
Ich konnte die Ehrlichkeit aus seiner Stimme hören. Er war wirklich der beste Freund, den man sich wünschen konnte. Obwohl wir länger nicht mehr miteinander gesprochen hatten, wusste er trotzdem genau was in mir vorging, was ich mir bei meinem Studienwechsel gedacht hatte.
"Hoffe ich doch..."
Einen Moment lang herrschte betretene Stille zwischen uns. Wir beide wussten genau, wie unsicher ich mir über meine Zukunft war und wie sehr mich diese Ungewissheit belastete.
"Und, wie läuft es so mit Hyungwon?", brach er schließlich das Schweigen, um die Stimmung wieder etwas aufzuheitern. Dabei bewirkte er meinerseits genau das Gegenteil.
Auch wenn ich es selbst nicht wahrhaben wollte, wusste ich tief in meinem Innersten, dass Hyungwon, in Bezug auf meine Zukunftspläne, eher ein Klotz an meinem Bein darstellte.
"Gut, gut.", sagte ich nur. "Gut? Das klingt ja nicht sehr überzeugt."
Er hatte natürlich sofort gemerkt, das was nicht stimmte. Er kannte mich einfach viel zu gut. Ihm konnte ich nichts vor machen.
"Ist irgendwas?"
Unsicher knabberte ich an meiner Unterlippe. Ich wollte keinen Falls meine Beziehung in ein falsches Licht rücken. Immerhin war ich glücklich mit Hyungwon...
"Es ist dämlich...", versuchte ich das Thema abzuwimmeln. "Wonho!" Er ließ natürlich nicht locker. "Du weißt, dass du mir alles erzählen kannst. Ich würde dich niemals für irgendwas verurteilen. Sag schon, was ist los?"
"Es ist nur..."
Mein Herz fing an zu rasen, bei den Gedanken die mir gerade durch den Kopf schossen. Es waren schlechte Gedanken, sehr schlechte. Und ich bereute sie sofort.
"Ich weiß nicht wie ich es sagen soll..."
Alle Formulierungen die ich mir in meinem Kopf zurecht legte, klangen falsch. Sie wären unfair gegenüber Hyungwon. Ich hatte Angst, dass wenn ich die Gedanken laut ausspräche, sie erst wirklich real werden.
Ich schluckte; "Irgendwie habe ich das Gefühl in Hyungwons Schatten zu stehen?"
"Und das willst du nicht."
"Genau. Ich will selber scheinen. Alleine. Aber trotzdem mit ihm zusammen. Ergibt das Sinn?"
Ich redete so schnell, dass sich meine Worte fast überschlugen, so wie die Gedanken in meinem Kopf. Verstand er was ich versuchte ihm mitzuteilen oder war ich einfach nur ein egoistischer Mensch und ein furchtbarer Freund?
"Ja, ich denke schon. Selbstverwirklichung oder Hyungwon."
Hastig schüttelte ich meinen Kopf, obwohl er das ja gar nicht sah. "Nein, nein, nein. Kein oder. Und. Ich will beides."
"Und wie willst du das vereinbaren?"
Meine Gedanken drehten sich schwindelerregend schnell in meinem Kopf. Wie ich es befürchtet hatte, war das ferne Problem, durch das Gespräch, zu einem präsenten geworden. Ich fühlte mich von der Realität gegen eine Wand gedrängt.
"Ich...ich weiß es noch nicht. Aber ich kriege das schon hin...irgendwie.", stammelte ich überfordert.
Kurz war es still zwischen uns.
"Was ist dir denn wichtiger?"

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sorry für den cliffhanger, aber der musste sein ^^

Chae I 2wonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt