Kapitel 88

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POV Mario

“Lewy, Fabi, es geht los!”, rief ich durch die ganze Wohnung. Heute war das DFB Pokalfinale und Marco stand in der Startelf. Ich würde ihnen diesen Sieg so sehr gönnen. Marco hatte es endlich verdient einen Titel zu gewinnen. Am liebsten wäre ich jetzt auch in Berlin, aber mit meinem Bauch ging das nicht. Für mich war es selbstverständlich, dass ich das Spiel dann wenigstens im Fernsehen schaute und natürlich hatte ich Marcos Trikot an.
“Kommen! Wer hat Anstoß?l, erklang es von Lewy.
“Frankfurt und von rechts nach links”, informierte ich die beiden, die jetzt zu mir ins Wohnzimmer kamen und es sich auch gemütlich machten.
“Die Jungs werden das packen”, meinte Lewy zuversichtlich.
“Ich würde es ihm so sehr wünschen”, murmelte ich.
Mein schlechtes Gewissen gegenüber Marco war riesig. Vermutlich gerade weil ich ihn liebte. Aber ich musste stark bleiben. Ich musste uns alle beschützen, auch wenn es mir so unglaublich schwer fiel und selber weh tat.
“Das richtige Trikot haste ja an”, lachte mein Bruder und ich verdrehte die Augen.
“Na und?! Ich weiß halt wer der beste Spieler auf dem Platz ist”, konterte ich.
“Ist gut jetzt. Wir wissen, dass dein Marco Schatz der Beste von allen ist”, warf jetzt auch Lewy lachend in die Runde.
“Er ist nicht mein Marco Schatz”, meckerte ich.
“Wenn du das sagst”, meinte Lewy und zuckte mit den Schultern. Ich hingegen zog ein schmollendes Gesicht und verschränkte die Arme beleidigt vor der Brust.
Er war es wirklich nicht, auch wenn es sich unglaublich schön anhören und anfühlen würde, ihn so nenne zu dürfen. Aber Nein, es darf einfach nicht sein.
Ich schüttelte meine Gedanken ab und beobachtete lieber das Spiel. In der 8. Spielminute passierte es dann und Ousmane Dembélé brachte uns mit einem Tor in Führung. Trotz der Führung glich der weitere Spielverlauf einem Krimi und in der 21. Spielminute geriet mein Herz zum ersten mal ins Stocken. Marco musste bereits behandelt werden. Er spielte zum Glück weiter. Einerseits erleichterte es mich. Andererseits kannte ich seinen Sturkopf und beobachtete ihn deswegen besorgt noch schärfer. Allerdings kam es wie es kommen musste und unter einem lauten “NEIN!l im Wohnzimmer schoss Frankfurt in der 29. Minute den Ausgleich. Das Spiel wurde immer schlimmer.
“Marco, was machst du nur?”, murmelte ich nervös, als er sich in der 34. Spielminute am Knie behandeln lassen musste. Er kam wieder rein, aber so wie er jede Art von Sprint oder Körperkontakt litt, bezweifelte ich, dass er nach der Pause nochmal auf den Rasen zurückkehren würde.
“Das sieht gar nicht gut aus bei Marco”, bestätigte Lewy meine subjektive Wahrnehmung jetzt auch noch und mir wurde schlecht.
Mein armer Marco. Er wollte doch nur ein mal einen Titel gewinnen und nicht verletzt sein. Der Pfiff zur Halbzeit kam für mich einer Erlösung gleich.
“Ich hol uns mal frisches Essen und Trinken”, verabschiedete sich Fabi und Lewy wollte auch schnell noch ins Bad, sodass ich alleine im Wohnzimmer zurück blieb.
Gedankenverloren strich ich mir über meinen Bauch.
“Ach meine Kleine. Dein Papa tut mir so leid. Ich wünschte ich könnte jetzt für ihn da sein, aber ich kann es nicht. Ich hoffe nur, dass andere für ihn da sind und ihm Mut machen. Er ist ein ganz toller Mensch und gibt immer alles für unser Team und für uns. Er wird dich lieben und du ihn. Ganz bestimmt. Und jetzt musst du mit mir ganz feste die Daumen drücken, damit der BVB für deinen Papa noch gewinnt”, redete ich liebevoll mit meiner Kugel und teilte mit ihr meine Gedanken.
“Sie werden es schaffen. Keine Sorge”, versicherte mir Lewy, der bei meinen letzten Worten ins Wohnzimmer zurückgekehrt war.
“Ich hoffe es und ich hoffe für Marco, dass es nichts allzu schlimmes ist”, murmelte ich. Meine Hoffnung darauf starb jedoch, als Marco vor Beginn der 2. Halbzeit ausgewechselt wurde und noch nicht mal mehr die Kabine verließ.
“Armer Marco”, seufzte Fabi.
“Ich wünschte ich könnte ihn jetzt in den Arm nehmen”, bedauerte ich und würde am liebsten weinen so leid tat er mir gerade. Und auch als er auf die Bank zurückkam wirkte er so frustriert. Es brach mir insgeheim das Herz.
Das restliche Spiel und auch das 1:2 durch Auba in der 62. Minuten zog wie im Rausch an mir vorbei. Meine Gedanken blieben bei Marco und ehe ich es verhindern konnte, war ich direkt nach dem Sieg und den ersten Bildern aufgestanden und hatte mich in mein Zimmer verabschiedet. Ich wollte schlafen, aber ich konnte einfach nicht. Zuerst war ich nicht bei ihm gewesen, als er so traurig war und dann, nach Abpfiff hatte ich seine Freude nicht teilen können. Vermutlich hatte er nicht mal an mich gedacht vor lauter Adrenalin und Euphorie.
Ich wusste nicht ganz, was ich tat, aber ich wählte seine Nummer. Wie zu erwarten ging nur die Mailbox ran, aber das war mir egal.
“Hey Marco”, begann ich ihm unsicher auf diese zu reden. “Ich weiß nicht, ob du überhaupt was von mir hören möchtest. Gerade heute Abend, aber ich... Ich musste mich einfach bei dir melden. Du sahst so unglaublich traurig aus und ich kann dich verstehen. Es tut mir leid, dass du dich ausgerechnet in der ersten Halbzeit noch verletzt hast. Ich wünschte, es wäre anders gekommen. Du kannst Lewy und Fabi fragen... Ich habe mit dir gelitten. Ich wünschte ich hätte was für dich tun können. Nur leider ging das nicht. Ich kann dir nur sagen, wie unglaublich stolz ich trotzdem auf dich bin. Und hey, ihr habt gewonnen! Du hast endlich deinen ersten Titel. Das, worauf du so lange gewartet hast, ist endlich wahr. Ich freue mich für dich und bitte genieß es. Trotz Verletzung. Du wirst sehen, du schaffst das. Du kommst zurück. Stärker als jemals zuvor. Und da mir jetzt die Worte ausgehen, werde ich wohl mal auflegen. Feier noch schön. Schlaf gut und träum was schönes.”
Dann beendete ich das Telefonat schnell, bevor ich noch etwas dummes wie “Träum von mir” oder “Denn ich träume von dir” oder so anfügen konnte. Vermutlich war die Nachricht eh schon zu viel.
Müde legte ich mich zum Schlafen hin.
Mitten in der Nacht wurde ich jedoch nochmal wach und sah, dass mein Handy eine neue Nachricht anzeigte. Schnell öffnete ich sie und begann zu lesen:
“Hey Mario, danke für deine Nachricht. Sie hat etwas geholfen und du hättest nichts für mich tun können. Für die Verletzung konnte niemand was und ich komme klar. Wäre trotzdem schön gewesen, wenn du hier gewesen wärst. Hab dich vermisst. Träum du auch schön und pass gut auf dich und unsere Kleine auf. ❤“
Die Nachricht zauberte mir ein kleines Lächeln ins Gesicht, auch wenn mich seine deutlich abgeklungen Stimmung gegenüber der Verletzung wieder etwa traurig machte. Aber er hatte mir geantwortet und er vermisste mich und das ließ mein Herz höher schlagen, auch wenn es das nicht durfte und sollte.

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