Kapitel 1

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Hermine hatte nicht erwartet, dass es an diesem Septembermorgen so kalt sein würde. All ihre warme Kleidung befand sich schon in ihrem Koffer, den sie gepackt hatte, um wieder nach Hogwarts zurückzukehren und ihr siebtes Schuljahr zu beenden. Als sie den Brief mit der smaragdgrünen Schrift geöffnet hatte, musste sie nicht lange überlegen. Es war selbstverständlich für sie, ihre Ausbildung zu beenden, um möglichst viel Wissen anzuhäufen, das ihr in ihrem späteren Beruf noch von Nutzen sein könnte. Ron und Harry hatten das anders gesehen, was einen großen Streit der drei Freunde zur Folge hatte. Die beiden waren nicht allzu erpicht auf die vielen Hausaufgaben und den Stress, den das siebte Schuljahr nun einmal mit sich brachte. Erst dachte sie darüber nach, wie es ohne die beiden in Hogwarts sein würde. Sie wusste nicht genau, welcher ihrer Mitschüler sich wie sie dazu entschlossen hatte, wieder zurück zur Schule zu kommen. Sie hoffte auf Neville oder zumindest eine ihrer ehemaligen Zimmergenossinen. Aber selbst, wenn niemand ihrer früheren Freunde auftauchen würde, hätte sie ihre beste Freundin Ginny an ihrer Seite. 

Die beiden Mädchen machten sich begleitet von Mrs. Weasley auf den Weg zum Bahnhof. Nachdem sie das Gleis erreicht hatten, stiegen sie schnell in den Hogwarts-Express, da auch Ginny sichtlich fror. Mrs. Weasley deckte die Mädchen noch mit Broten für unterwegs ein und erwähnte ständig, wie stolz sie auf die beiden sei und dass sie beide auf sich aufpassen sollten, da sie ja ganz auf sich allein gestellt wären, ohne ihre Männer an ihrer Seite. Rons Mutter hatte wohl nicht so ganz mitbekommen, dass sowohl Hermines Beziehung mit Ron als auch Ginnys Beziehung mit Harry ziemlich abgekühlt waren, da beide Mädchen nicht erfreut über die Tatsache waren, dass ihre Freunde die Möglichkeit abschlugen, nochmals zur Schule zurückzukehren. 

Im Zug suchten sie sich ein Abteil, in dem noch niemand saß, damit sie sich in Ruhe unterhalten konnten. Auch Luna und Neville gesellten sich kurze Zeit später zu ihnen. "Was glaubt ihr, wer von den ehemaligen Schülern für das siebte Jahr zurückkommen wird?", fragte Neville, "Ich habe gehört, dass wir uns alle einen Turm teilen müssen, der ähnlich aufgebaut sein soll, wie der Gryffindor Turm." Sie kamen zu dem Schluss, dass wohl einige Ravenclaws ihre Ausbildung beenden würden, vielleicht kamen auch einige der Hufflepuffs zurück. Einig waren sie sich nur darin, dass wohl kein einziger der Slytherins wieder Hogwarts besuchen würde, worüber sie auch allesamt sehr froh waren. Neville fragte außerdem nach Harry und Ron, aber weder Hermine noch Ginny wollten weiter darüber reden, weshalb die Frage nahezu unbeantwortet im Raum stehen blieb. Die folgenden Stunden verbrachten die vier in Stille, da Nevilles Äußerung Hermine und Ginny daran erinnert hatte, dass sie ihren Freunden wohl nicht ganz so wichtig waren wie gedacht. Hermine nahm sich ein Schulbuch, während Ginny eine Quidditch-Zeitschrift durchblätterte. 

Einige Stunden später saßen die Schüler in der altbekannten großen Halle und warteten darauf, dass Professor McGonagall ihre Ansprache zum Schuljahresbeginn anfing. Hermine fiel auf, dass neben den vier großen Haustischen noch ein weiterer, kleinerer Tisch aufgestellt worden war. Sie hatte eine leise Ahnung,  für wen dieser Tisch platziert worden war, aber sie verdrängte sie schnell wieder aus ihrem Kopf. "Herzlich Willkommen! ich begrüße alle neuen oder alten Schüler, die freudigerweise ihren Weg zurück in unser Schloss gefunden haben!", sagte Professor McGonagall lächelnd und unterbrach damit Hermines Gedankengang. "Wie manche von euch schon bemerkt haben dürften, sind einige Schüler in unserer Mitte, die aufgrund des schrecklichen Krieges ihr siebtes Schuljahr nicht beenden oder gar nicht erst antreten konnten.", sie schaute in Hermines Richtung. "Ich nenne sie von heute an "Achtklässler". Ihr werdet dieselben Kurse besuchen wie die Siebtklässler, werdet aber aufgrund des begrenzten Kontingents der Räume einen eigenen Turm bekommen und nicht in die Gemeinschafts- und Schlafsäle eurer Häuser zurückkehren. Auch die Haustische in der großen Halle werden zu überfüllt sein, sobald die neuen Erstklässler sie besiedeln, weshalb wir einen kleineren Tisch am Ende der Halle für euch aufgestellt haben. Dürfte ich alle Achtklässler darum bitten, an ihm Platz zu nehmen?", fragte sie höflich, jedoch klang ihr Ton eher nach einer Aufforderung. 

"Oh nein", dachte Hermine düster, "Es ist genau so gekommen, wie ich es mir gedacht hatte. Ich werde nicht mit Ginny zusammen in einem Zimmer sein und auch nicht mit ihr essen." Als sie ihren Blick wandte, um die anderen Achtklässler in Augenschein zu nehmen, erstarrte sie. Unter einigen Hufflepuffs und Ravenclaws sah sie einen Jungen - wohl eher einen jungen Mann - der eine grüne Krawatte trug und eigenartig weißblondes Haar hatte. "Draco Malfoy?", Hermine war schockiert, nie hätte sie erwartet, genau diesen Slytherin hier anzutreffen. Natürlich war auch ihm seine Ausbildung immer sehr wichtig gewesen, aber nachdem er wie sie nach dem sechsten Schuljahr Hogwarts verlassen hatte, um sich den dunklen Künsten zuzuwenden, dürfte er doch wohl kaum erpicht darauf sein, sich den neugierigen Blicken seiner ehemaligen Schulkameraden zu stellen. Ginny war wohl ihren Augen gefolgt, denn auch sie starrte Malfoy verwirrt an. Sie zuckte mit den Achseln und Hermine machte sich langsam auf den Weg zum Tisch der neuen Achtklässler.

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