Kapitel 11

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Hermines Blick schweifte von Malfoy zu dem Fläschchen auf dem Tisch zurück zu ihrem Sitznachbarn. Sie konnte nicht fassen, dass er sie gerade bei ihrem Vornamen genannt hatte. Sie wusste nicht, ob sie das jemals zuvor gehört hatte. Da sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte, sagte sie "Gerngeschehen" und drehte ihren Kopf von ihm weg. Nach fünf Minuten, in denen beide nur stur nach vorn an die Tafel gestarrt hatten, kam Professor Slughorn erneut zu ihnen an den Tisch. "In der nächsten Stunde sollt ihr ein Gebräu für schnelle Wundheilung zubereiten. Da Sie beide ja schon fertig sind und sich das Ohnegleichen abgeholt haben, könnten sie doch in die Bibliothek gehen, um sich dort schon auf die kommende Aufgabe vorzubereiten. Was halten Sie von meiner Idee?", der alte Mann lächelte aufmunternd. "Ja natürlich Professor", sagte Hermine schnell und auch Draco nickte langsam mit dem Kopf. Nachdem ihr Lehrer ihren Tisch wieder verlassen hatte, packten beide ihre Taschen und standen von ihren Plätzen auf. Als alle Arbeitsmaterialien versorgt waren, griffen Hermine und Draco genau gleichzeitig nach dem Fläschchen, das auf dem Pult stand. Hermine spürte, wie ein elektrischer Schlag sie durchzuckte, als sie die Fingerspitzen ihres Zaubertränke-Partners berührte. Schnell zog sie ihre Hand weg, Malfoy tat genau dasselbe. Jedoch war er geistesgegenwärtig genug, um einen Auffangzauber auszuführen, bevor das Fläschchen auf dem Boden aufschlug. Er hielt es ihr hin: "Du kannst es haben. Von uns beiden brauchst du es sicher mehr als ich." "Oh danke", antwortete sie und ließ das Behältnis in ihrem Umhang verschwinden, "Wollen wir uns dann auf den Weg in die Bibliothek machen?" Wieder nickte er und beide verließen die Kerker. 

"Er hatte den Trank auch gewollt. Also scheint er genau wie ich Schlafprobleme zu haben. Ist es wegen der Schlacht um Hogwarts? Oder wegen allem, das Voldemort in seiner Anwesenheit Unschuldigen angetan hatte? Wegen seines Vaters, der den Kuss des Dementors erhalten hatte?Trotzdem hat er mir das Fläschchen geschenkt. Weil er denkt, dass ich es mehr brauche? Oder weil doch ein Fünkchen Einfühlungsvermögen in ihm steckt?", auf dem Weg in die Bibliothek zermarterte Hermine sich den Kopf über die freundschaftliche Geste des Jungens, den sie bis zum Schulbeginn immer für ihren Feind gehalten hatte. Als sie angekommen waren, holte Hermine alle Bücher, die für den nächsten Trank erforderlich waren, aus den riesigen Regalen der Bibliothek. "Woher weißt du auswendig, wo alle Bücher bezüglich Wundheilung stehen?", fragte Draco verdutzt, als Hermine den Stapel auf ihren Tisch fallen ließ. "Bevor wir nach dem 6. Jahr abgegangen sind, habe ich mir alle Bücher, die für unsere Reise irgendwie nützlich sein könnten, angeschaut und die wichtigsten Sprüche herausgeschrieben", noch bevor Hermine den Satz fertig gesprochen hatte, wusste sie, dass sie etwas Falsches gesagt hatte. Hatte sie ihn daran erinnert, dass sie während des Krieges auf unterschiedlichen Seiten gekämpft hatten? Er schaute betroffen auf seine Hände und wurde still. "Es tut mir leid.. Ich wollte nicht..", stammelte sie, doch Draco unterbrach sie: "Nur damit du Bescheid weißt. Ich bin nicht mehr der Kerl von früher. Es soll niemand mehr durch mich zu Schaden kommen. Ich wünschte, die anderen Menschen würden mich nicht mehr für meine Fehler in der Vergangenheit büßen lassen. Natürlich weiß ich, dass ihr alle mich nicht von heute auf morgen mit anderen Augen sehen könnt, aber ich bemühe mich wirklich, ein anderer Mensch zu werden."  Hermine war schockiert, dass er sich vor ihr so geöffnet hatte. Da sie nicht wusste, was sie sagen sollte, nickte sie nur und wandte sich dann ihren Büchern zu. 

Nachdem sie 30 Minuten ohne zu sprechen, gearbeitet hatte, schaute Hermine auf ihre Uhr und schrak auf. "Oh, das Mittagessen hat ja schon angefangen. Sollen wir in die große Halle gehen?" "Ähm ja, na klar", antwortete er, woraufhin sie die Bücher wegräumten und aufstanden. Als sie gemeinsam die große Halle betraten, spürte Hermine die Blicke hunderter Augenpaare auf sich ruhen. Sie hatte nicht gedacht, dass ihr Auftritt so ein Aufsehen erregen würde. Trotzdem ließ sie sich nicht davon entmutigen. Sie setzte sich neben Neville, der bereits aufgegessen hatte. Als Draco sich daran machte, sich wieder an das Ende des Tisches zu setzen, zog Hermine an seinem Ärmel und sagte: "Du musst nicht immer alleine essen. Setz dich doch zu uns an den Tisch!" Nach kurzem Zögern nickte er kurz und setzte sich neben sie. "Hallo Hermine!", sagte Neville, "Malfoy. Unglaublich, dass ihr den Trank schon fertig bekommen habt. Cho und ich sind immer noch nicht fertig. Wir haben die ganze Stunde versucht, die gelben Dracheneier zu schälen, aber es hat kein einziges Mal funktioniert. Und bei den Mini-Drachenflügeln versagen wir auch kläglich." Sie sprachen noch rund 20 Minuten über die Schule, bis Neville aufstand und sagte, dass er noch einen Aufsatz für McGonagall fertig schreiben müsse. Wie auch beim Frühstück saßen Hermine und Draco nun allein am Achtklässlertisch. Nach Dracos Rede in der Bibliothek wusste Hermine jedoch nicht, was sie ihm sagen sollte. Er hatte sich vor ihr geöffnet und sich verletzlich gemacht, so wie es sonst nur Freunde es tun. "Danke für deine Ehrlichkeit.. Draco. Ich weiß nicht, ob ich es nochmal sagen muss, aber ich werde mit niemandem über das reden, was du mir heute gesagt hast. Ich kann schweigen wie ein Grab, du kannst mir vertrauen." "Ich weiß", sagte er kurz angebunden und schaute sie an. Hermine konnte ihren Blick nicht von seinen Augen abwenden, die Farbe war wirklich faszinierend. Um wieder auf ein unverfänglicheres Thema zurückzukommen, sprach Hermine nun wieder über Zaubertränke und wie geschickt sich Draco anstellte. Als beide fertig gegessen hatten, liefen sie zusammen zum Gemeinschaftssaal der Achtklässler und verabschiedeten sich dort. 

Warum Er?Where stories live. Discover now