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"Tyler?",fragte meine Mom leise und sanft, so wie immer.
Mit dem Fuß stieß sie die Tür zu meinem Zimmer vorsichtig einen Spalt weiter auf und gewährte sich somit Eintritt. Ich lag mit dem Rücken zur Wand in meinem Bett und hatte mich zusammengekauert und starrte in die Leere meines Zimmers.
"Tyler", wiederholte sie. Ich sah auf und spürte erst jetzt wie meine Augen brannten. Sie legte eine Hand auf meine linke Schulter. "Ich möchte wissen was mit dir los ist."
Erstaunt schaute ich auf. Ich zog meine Augenbrauen zusammen. "Was soll los sein", fragte ich verwundert, setzte mich halbwegs aufrecht hin und nahm meine rote Mütze vom Kopf.
"Mach mir doch nichts vor Tyler. Wann ist es das letzte Mal her, das du draußen warst, abgesehen von der Schule? Wann ist es das letzte Mal her das du etwas ordentliches gegessen hast? Wann ist es-"
Ich unterbrach sie mit einem lauten Seufzer, den ich eigentlich in mir behalten wollte. Kleine Tränen stiegen in meinen Augen auf. Ich presste meine Lieder aufeinander und zog die Augenbrauen zusammen. Blinzelte und biss die Zähne leicht zusammen.
Meine Mom wartete immer noch auf eine Antwort.
Erneut seufzend begann ich:"Denkst du dir nicht auch manchmal, wenn wir zu Hause gegenlieben wären, wäre alles so viel einfacher und schöner?"
Mom schaute verdutzt drein. "Aber Schatz! Das hier ist doch dein zu Hause!" Ich zog die Augenbrauen hoch, konnte ihr das nicht wirklich abkaufen.
"Aber-"
"Tyler. Wenn du in der Schule mit anderen Probleme hast, sind wir immer da für dich, das weißt du doch mein Schatz."
Ich gluckste. Die Schule war doch in Ordnung?!
Ich beschloss drauf nicht einzugehen.
"Ach übrigens", lächelte Mom nun," falls es dich aufheitert: Brendons Mom hat bei mir angerufen."
Mein Herz blieb stehen.
"Sie meint Brendon vermisst dich immer noch sehr. Wollt ihr euch nicht mal besuchen kommen?"
"Was?", kreischte ich schon fast. Mom war sichtlich verwirrt.

Blitzschnell griff ich mir mein Handy neben mir und suchte in den Kontakten herum. Mit der einen Hand am Handy, mit der anderen den Rücken meiner Mutter zur Tür schiebend rief ich ungeduldig an.

Ich machte eine entschuldigende Geste und schloss die Tür vor meiner komplett verwirrten, scheinbar geängstigten Mom.
Es klingelte. Zähne klappernd und nervös wartete ich auf die Erlösung.

Doch die kam nicht.

Enttäuscht ließ ich von meinem Handy ab. Ich legte mich, sowie die letzten vier Tage auch, wieder aufs Bett und machte NICHTS.
Nichts. Darin war ich gut.
Wellen von Heimweh überkamen mich und ich hatte die stärksten Flashes, die man sich vorstellen konnte.

Warme Sommernächte. Mit Freunden. Vor dem Lagerfeuer sitzend und einer Ukulele in der Hand. Dämlich herum grölen und sich haufenweise unnötiges Zeugs reinstopfen.

Radtouren mit Brendon, die meistens im Chaos endeten.

Besuche in Thomas' Keller  und einer Menge Mario Kart...

Lachen, Freunde... LEBEN.

Ich konnte mir die Tränen nicht mehr verkneifen.
Tage lang tat ich so, als wäre ich leer. Jetzt jedoch ließ ich alles raus, was noch so in mir drinsteckte. Ich spürte wie glühend heiß mein Gesicht war und wie kalt es in meinem Herzen trotzdem herrschte.
Wütend brüllte ich in ein Kissen hinein. Ich schrie was das Zeug hielt.
Über den Umzug. Über Josh's Unfall. Über die anstrengende Schule, über mich selbst und über die ganze Welt. Ich wollte nicht mehr.
Ich wollte ganz einfach nicht mehr.

Erschöpft ließ sich von dem mittlerweile durchnässten Kissen ab und wischte mir die Augen ab. Ich drehte mich auf den Rücken und starrte wie schon so viele Male seit dem Umzug auf die Decke .

-

"Tyler?", fragte mich Josh durch das Telefon.
Fast zwei weitere Tage waren vergangen, und ich war noch nie so lustlos auf's Leben gewesen. Genau genommen war ich noch nie lustlos aufs Leben.
Tja. Hat sich wohl jetzt geändert.

"Ähm...ja.",sagte ich, komplett vom Thema abgeschweift und in Gedanken ganz woanders.
"Josh?"
...
"Ja?"
Ich hörte ein leises Brummen. Er musste wohl Autofahren.
"Könntest du das wiederholen", fragte ich leise und hoffte, dass er nicht wütend werden würde.
Er seufzte.
"Tyler, ich möchte das wir uns treffen.
Jetzt.
Ich möchte nicht weiterhin so tun, als wäre nie was gewesen", rief er schon fast und legte einfach auf.

Ok.

Ich wusste nicht was ich fühlen sollte. Einerseits war es mir die letzten Tage ziemlich klar gewesen, das mein "Anrufe und  Nachrichten Ignorieren" früher oder später Konsequenzen haben würde, andererseits traute ich mich jetzt nicht Josh Auge in Auge  anzusprechen.
Ich warf einen schnellen Blick auf die Uhr, die auf meinem Nachttisch stand.
Es war Sonntagabend, 20:34.
Trotzdem wusste ich, ich musste ihn sehen. Früher oder später käme er mir in der Schule in die Quere. Und dann hätte ich ein Problem mehr...

Und wieder einmal war es, als würde Josh 24 Stunden am Tag in meinem  Kopf sitzen und alles mitbekommen.
Denn ich hörte ein stetiges Hupen. Direkt gegenüber von meinem Haus. Um nochmal sicher  zu gehen öffnete ich das Fenster und hörte unter mir ebenfalls ein Fenster aufklappen.
"Geht's nicht leiser hier du Trottel?!", schrie Madison eine Etage unter mir. Sie hatte das Zimmer neben Mom und Dad. Zack, Jay und ich waren oben, jeder für sich allein.
Ich musste schmunzeln und sagte Mads das alles OK sei.
"Es ist nur Josh", beruhigte ich sie und beugte mich aus dem Fenster. Madison schlug sich sofort die Hände vor den Mund, knallte das Fenster zu und riss die Vorhänge vor's Fenster. Ich musste leise lachen. Das erste mal seit fast einer Woche. Lachen.
Wow, ein tolles Gefühl, dachte ich und machte mich auf den Weg vors Haus.

"Wohin fahren wir?",fragte ich und versuchte das kalte  Schweigen aufzuheben.
Ich bekam keine Antwort. Josh hatte die Stirn in Falten gezogen und konzentrierte sich auf die dunkeln Straßen. Seit sechs Tagen war er nun aus dem Krankenhaus entlassen worden und ich Arsch hatte nichts anderes im Kopf, als über die Vergangenheit herumzuheulen.
Immer noch war es unfassbar unangenehm still, aber wenigstens wusste ich jetzt, wo wir hinfuhren.
Acht weitere Minuten fuhren wir die gepflasterte Schlängelstraße hinauf und machten schließlich halt.
"Komm mit", sagte Josh  und verließ dann den Wagen. Ich tat es ihm gleich und folgte ihm.

Wie lange war es doch schon her, als alles hier begann...

Langsam trotteten wir durch das Dickicht. Äste knackten und Blätter raschelten. Ich war etwas beunruhigt und merkte schließlich, dass sich Josh immer wieder belustigt umdrehte.
"Naja", sagte ich leise zu mir selbst und hoffte, das es Josh nicht gehört haben konnte. 

Endlich waren wir da. Wie früher kletterten wir die morschen, alten  Sprossen hinauf in Josh's Baumhaus.
Es war bis auf eine alte Retro- Taschenlampe von Josh und ein paar Glühwürmchen nichts, was uns hier Licht spendete.
Jetzt  stellte Josh diese ab und holte seinen Übergroßen Rucksack, den ich erst jetzt bemerkte hervor.
Er öffnete ihn mühselig und holte zwei große Decken heraus. Ich staunte nicht schlecht.
"Josh!", sagte ich, sogar ein wenig gerührt.
Er schenkte mir einen kurzen, verliebten Blick und breitete dann alles weiter aus.
"Komm schon, leg dich hin", forderte er mich dann im Liegen auf.
Zögernd ließ ich mich neben ihn nieder.
Ich legte mich wie Josh auf den Rücken und beobachtete die Sterne die vom Rand des Daches hereinlugten.
Unsicher schaute ich zu ihnen hinauf und wartete still flehend drauf, das Josh endlich mit seiner Moralprädigt begann. Doch da kam nichts.
Nur ein unheimliches Schweigen, das sich in die Länge zog.
Ein paar Grillen zirpten vor sich hin.
Hier und da zeigten sich ein paar Glühwürmchen und wenn man nicht atmete, konnte man  sogar den Wind hören.

(ACHTUNG, meme incoming!!!)

"Die Sterne sind echt schön heute Nacht", hörte ich Josh sagen.
"Weißt du, was noch schön ist", fragte er nun und drehte sich zu mir auf die Seite. Ich errötete ein wenig. "Was denn?"
Josh kratzte am Holzboden  herum.
"ICH.", sagte er nun und begann zu lachen. Ich schmunzelte auch, war aber noch ein bisschen verwirrt.

"Nein Spaß.
Also, der Grund warum ich wieder mit dir hierher bin ist folgender", sagte er nun ernst und setzte sich auf.
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Heyyy dieser Part ist Vorallem an blurryfacesface gewidmet. Ich weiß nicht, was du gerade durchmachst, aber ich sag dir es geht schneller vorbei als du denkst ❤️
gute Nacht frens

Friend, please (joshler) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt