Kapitel 1

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Mit seinem typischen ernsten Blick hielt mir Herr Paust meine Mathearbeit unter die Nase. Wieder eine Fünf. Ich wartete auf einen Vortrag seinerseits, aber er ging weiter zum nächsten Tisch. Anscheinend war es im zu blöd geworden mir immer wieder das Gleiche zu sagen. Das war mir auch ziemlich recht. Eigentlich war ich mal eine ziemlich gute Schülerin gewesen. Mathematik war zwar schon immer meine Schwäche gewesen, genau wie alle anderen Fächer, die etwas mit Zahlen und logischem Denken zu tun haben, aber ich hatte es bis jetzt immer irgendwie geschafft nicht durchzufallen.

Zu Hause legte ich meiner Mutter das Heft mit der Arbeit auf den Küchentisch und wollte mich so schnell wie möglich aus dem Staub machen, doch da war es auch schon zu spät. Meine Mutter war in die Küche gekommen und nahm sich das Heft unter die Lupe. „Katelyn", hörte ich auf halbem Weg in mein Zimmer ihre Stimme. Wenn sie diesen Ton draufhatte bedeutete das nichts Gutes, deshalb schlich ich weiter und hoffte sie würde denken, dass ich aus dem Haus gegangen wäre, vergebens. „Komm bitte her", tönte es zur Treppe herauf. Also ging's zurück in die Küche. „Setz dich, Kate." Ich nahm mir einen Stuhl und setzte mich. „Ich weiß ja du bist noch immer sauer, ..." Sie klang jetzt ruhiger. „...aber wenn das mit deinen Noten so weiter geht dann wird das ganz schön knapp für dich dieses Jahr." Ich saß einfach da und hörte ihr zu. „Du weißt, man kann nun mal nicht rückgängig machen, was geschehen ist. Was passiert ist, ist passiert. Bitte versprich mir...", „Ja ich weiß, dass ich mich reinhängen muss, das sagst du jedes mal", unterbrach ich sie emotionslos, stand auf und verlies den Raum. Was passiert ist, ist passiert. Als ob es um ein blödes Spielzeug ginge, aber es war weitaus bedeutender.

Im Flur blieb ich kurz stehen, überlegte ob ich wieder auf mein Zimmer verschwinden sollte, doch Mama würde mir folgen und da weitermachen wo sie aufgehört hatte. Also schnappte ich mir meine Jacke und ging nach draußen. Vorbei an den alten Ställen , die in einiger Entfernung neben unserem kleinen Haus lagen, vorbei an meiner kleinen Schwester, die zusammen mit einer Freundin im Hof spielte, der sich durch die Stallgebäude bildete, und schließlich den schmalen Weg entlang, der hinter dem Hof begann. 

Wenn man ein Stück ging und dann nach links in den Wald abbog, musste man nur einen Hügel hinaufklettern und hinter ein paar dichten Büschen lag gut versteckt eine kleine Lichtung. Ich kam gerne hierher um nachzudenken, oder wenn ich traurig war und einfach nur allein sein wollte. Außer meiner besten Freundin Liv und mir wusste keiner über diesen Ort bescheid. Früher waren wir mit unseren Pferden oft hierher gekommen, denn sie selbst hatte ein Pflegepferd in einem etwas entferntem Reitstall, wo auch ich das Reiten gelernt hatte.

Ich setzte mich auf einen Baumstumpf und wurde plötzlich traurig. Was passiert ist, ist passiert. Dieser Satz, den meine Mutter vorhin von sich gegeben hatte, ging mir nicht aus dem Kopf. Mir stiegen die Tränen in die Augen und gleichzeitig wurde ich unheimlich wütend, wenn ich daran dachte womit dieser Satz zusammenhing. Ich erinnerte mich an diesen Tag als einen der dunkelsten meines Lebens, der Tag an dem sich mein ganzes Leben verändert hatte.

Ich war gerade dabei meine dunkelbraune Ponystute Leika aufzusatteln um einen schönen langen Abendritt zu unternehmen. Noch einige Stunden zuvor hatte es geregnet und das Gras glitzerte im Licht der untergehenden Sonne. Ich liebte solche Momente. Einfach mal abschalten und das Leben genießen. Als ich fertig war schwang ich mich in den Sattel und ließ Leika gemütlich loslaufen. Sie bog von selbst auf meine Lieblingsstrecke ein, die durch den Wald zu einer Wiese und danach über einen kleinen Bach führte. Den Weg kannte sie bereits. Doch genau diese Entscheidung sollte mir noch zum Verhängnis werden. Gerade als wir den Bach überquerten um dann zurück auf den Waldweg zu kommen raste jemand auf einem Motorrad viel zu schnell den erdigen Weg entlang. Mein Pony erschrak und sprang die kleine Steigung zwischen Bach und Weg rückwärts wieder hinunter, zurück ins Wasser. Ich verlor meinen Halt und als Leika dann auch noch mit ihrem Huf auf einem nassen Stein ausrutschte wurde ich zu Boden geworfen und knallte mit meinem Kopf auf einen Felsen. Das letzte woran ich mich erinnern konnte ist Leika, die vor Panik davonlief und dann wurde alles schwarz.

Zwei Herzen, eine SeeleWhere stories live. Discover now