Kapitel 25

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Manchmal hatte ich eben doch gute Ideen. Die Konstruktion aus Heu und Kissen war richtig gemütlich und in diesem Moment wäre ich nirgends lieber gewesen, als hier. Unter uns im Stall hörte ich Paddy grummeln, und durch das halb geöffnete Dachfenster wehte mir ein angenehmer, sommerlicher Luftzug die frische Nachtluft entgegen. Man konnte den klaren, beinahe schwarzen Sternenhimmel sehen. Damian und ich saßen da und lauschten, immer in Bereitschaft, sollte tatsächlich jemand kommen, um Paddy zu holen. Alles blieb Still.

Irgendwann begannen wir flüsternd über das Leben zu philosophieren und ich fühlte mich ganz winzig unter dem endlosen Himmel.

„Manchmal frage ich mich, ob überhaupt irgendetwas zählt, was wir machen, wenn wir doch so klein und machtlos sind", sagte ich irgendwann.

„So lange das, was du machst, für dich etwas bedeutet, zählt es", antwortete Damian und kniff mir kurz darauf in die Seite, sodass ich zusammenzuckte.

Gute Taktik, mir wurde es auch zu tiefgründig. Immer wenn ich anfing, über solche Sachen nachzudenken, stellte ich meine Existenz in Frage. Deshalb spielte ich mit und pikste ihn zurück, was schnell zu einem Krieg ausartete, bis er mich besiegt hatte und ich mich, die Hänge schützend um meinen Körper geschlungen, auf dem Boden zusammenrollte.

„Schhh", sagte ich. „Wir sind viel zu laut!"

Damian half mir hoch und wir bemühten uns wirklich, nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Wie spät es wohl war? Ich hatte nicht die leiseste Ahnung. Plötzlich sah mich Damian ganz eigenartig an.

„Was ist", fragte ich neckisch.

„Ähm... ich... kann ich dich etwas fragen?"

„Klar, was gibt's?" In diesem Moment erwartete ich nichts Besonderes.

„Du hast bestimmt von diesem Reiterball dieses Wochenende gehört oder?"

Ich nickte und während der rosa Glitzerstaub in meinem Körper wieder aufwirbelte fuhr er fort: „Ich ... Also ... Ich hatte gedacht ... Möchtest du vielleicht mit mir gemeinsam da hin gehen?" Und dann hatte es mir die Sprache verschlagen.

„Oh", sagte ich deshalb nur, was vielleicht nicht die beste Eingebung gewesen war, denn Damian schien verunsichert.

„Du musst nicht ja sagen", setzte er hinzu.

„Nein, ich meine – ja!", brachte ich deshalb nur heraus. „Ja, würde ich sehr gerne." Damian lächelte und schien eindeutig erleichtert.

„Cool!", sagte er dann noch. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Damian, ich, wir beide würden gemeinsam auf den Ball gehen. War das nun sowas wie ... ein Date? Ich konnte es nicht sagen, aber es fühlte sich definitiv so an. Zum Glück wechselte er bald das Thema, denn ich hatte diese merkwürdige Stille fast nicht mehr ertragen. Auch, wenn es wahrscheinlich nur ein paar Sekunden gewesen waren. Wir redeten allgemein über den Ball, über Paddy, über die Tatsache, dass es viel zu spät war, um auf dem Dachboden eines Stalls zu sitzen. Aber ans Schlafen dachte niemand von uns.

Nur weil ich nicht schlafen wollte, hieß das noch lange nicht, dass ich wach bleiben würde. Ich musste eingenickt sein, denn ein Geräusch von draußen ließ mich hochschrecken. Mein Herzschlag beschleunigte auf gefühlt 180, als ich das Geräusch eines Autos erkannte. Neben mir wachte Damian ebenfalls auf. Unsere Blicke trafen sich im Dunkel und wir wussten beide, was wir zu tun hatten. Jetzt durften wir uns bloß nicht verraten. Ich schaute aus dem Fenster nach unten. Die Motorengeräusche waren verstummt und ich konnte am hinteren Stalleingang die Umrisse eines schwarzen Wagens mit Pferdetransporter erkennen. Mir wurde bewusst, dass ich nicht wirklich daran geglaubt hatte, dass jemand kommen würde, um Paddy zu stehlen. Aber das gerade war kein Traum, also blieb keine Zeit zu verlieren. Wir konnten nicht einfach so mir nichts dir nichts runter spazieren und unser Versteck preisgeben. Wir brauchten irgendeinen Plan. Wir schlichen also zur Öffnung, die nach unten führte und lauschten.

Etwas krachte, und dann fluchte jemand: „Sei doch still, verdammt!"

Ich vermutete, dass es nicht Brown war, sondern der andere Mann. Draußen hatte bestimmt Kian schon seine Kollegen verständigt. Die Typen würden sowas von auffliegen. Hier drinnen konnten wir nichts unternehmen, denn wir wussten weder, ob irgendwelche Waffen im Spiel waren, noch würden wir etwas bewirken, außer, dass sie abhauen und womöglich entkommen würden. Die Verbrecher verhielten sich nicht gerade leise, und als sie plötzlich anfingen zu diskutieren, nutzten wir die Möglichkeit, um hinter etwas Gerümpel entlang zu einem Fenster zu schleichen, von dem ich wusste, dass man es relativ leise öffnen konnte.

Wir schlichen an der Seite des Gebäudes entlang, bis ein Fahrzeug mit Hänger in Sichtweite kam. Ich spürte das kühle Gras unter meinen Füßen, denn ich hatte meine Schuhe vorhin ausgezogen, damit es bequemer war. Jetzt stand ich eben Barfuß hier draußen, während irgendwelche Leute versuchten, mein Pferd zu stehlen. Mein Pferd? Ja, irgendwie fühlte es sich fast so an, als würde Paddy zu mir gehören. Wir mussten ihnen irgendwie den Fluchtweg versperren. Kian würde mich dafür hassen, dass ich nicht im Versteck geblieben war, aber ich konnte ja schlecht da oben sitzen und Däumchen drehen. Ich wollte schon hervortreten, um am Fahrzeug entlang zu schleichen, aber Damian hielt mich zurück. Auf meinen fragenden Blick hin, deutete er mit dem Kopf zu einer Gestalt, die ich vorhin nicht bemerkt hatte. Sie schien den Wagen zu bewachen und Ausschau zu halten. Dann hatten sie sich also Verstärkung geholt. Das machte die ganze Sache irgendwie schwieriger und war wahrscheinlich auch der Grund, wieso Kian noch nichts unternommen hatte. Was sollte er schon ausrichten, ohne Hilfe?

Zumindest schien dieser Unbekannte dritte unbewaffnet zu sein. Ich gab Damian ein Zeichen, dass ich wusste was ich tue und verließ unsere Deckung, um zum Auto zu huschen. Die Türen waren leider beide verschlossen, also konnte ich nicht heimlich den Schlüssel abziehen. Wo war Kian denn bitte? Sollte er nicht schon längst die Täter überführen? Und da sah ich ihn. Er stand etwas entfernt hinter dem Gegenüberliegenden Eck des Gebäudes. Meine Augen hatten sich bereits an die Dunkelheit gewöhnt, und ich konnte sehen, dass er etwas in der Hand hielt. Wahrscheinlich seine Dienstwaffe. Er sah mich nicht, aber das war egal. Ich hatte eine Idee.

Ich schlich zurück zu Damian, was dank meiner Fehlenden Schuhe recht gut funktionierte, denn ich hatte vorhin etwas gesehen. Neben der Mauer lagen ein paar alte Eisenstücke herum. Ich fand ein kleineres, so spitz und scharf, dass ich mir in die Handfläche schnitt und es fast wieder fallen ließ.

„Was hast du vor?", fragte Damian so leise wie er konnte, aber ich antwortete nicht und ließ ihn stehen, während ich zurück zum Auto huschte. Ich hockte mich zum Reifen hinunter und wollte ihn aufschlitzen, doch als ich es versuchte, wurde mir bewusst, wie laut es sein würde, wenn er zerplatze. Vorausgesetzt natürlich, ich hätte es überhaupt geschafft, den starken Gummi zu durchdringen. Das sah in Filmen irgendwie leichter aus. Ich wollte wieder zurück, aber dann sah ich den unbekannten Bewacher-Typen in meine Richtung kommen, und musste auf die andere Seite des Autos flüchten. Na toll, das hatte ich gut eingefädelt. Was verdammt sollte ich denn jetzt machen? Anscheinend hatte mich Kian nun erblickt und deutete wild mit seinen Händen, ich solle sofort verschwinden, aber ich das wollte ich weder tun, noch konnte ich es in diesem Moment, ohne erwischt zu werden.

Meine Gedanken rasten. Im Stall hörte ich schon Geräusche. Wenn Brown und der Hofbesitzer jetzt mit Paddy herauskamen, würden sie mich hundertprozentig sehen und dann war es aus. Ich durfte das nicht zulassen. Nicht, solange die Polizei nicht da war. Ich starrte in der Dunkelheit auf das Eisenteil in meiner Hand, und bevor ich überhaupt zu Ende gedacht hatte, rammte ich es vor einem der Autoreifen in den Boden. Wieso war ich da nicht früher draufgekommen? Auf diese Weise würde sich das Spitze Ende in den Reifen bohren und sie könnten nicht entfliehen, sollte es denn überhaupt soweit kommen.

Ich hörte gepolter und Schnauben näherkommen und genau das war mein Stichwort. Ich nutzte die Geräuschkulisse um mich aus dem Staub zu machen, doch das hätte ich besser lassen sollen.

„Hey!", rief der Unbekannte dritte Mann, als er mich grob am Arm packte. Ich stieß einen Schmerzensschrei aus, als er mir das Handgelenk verdrehte und auf den Rücken bog.

„Lassen Sie mich sofort los!", brachte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und trat um mich, aber mein Angriff ging ins Leere. Paddy war bereits auf dem Transporter.

Dann sprang plötzlich Kian aus seiner Deckung hervor: „Keine Bewegung, Polizei! Lassen Sie das Mädchen los!" Nur für einen kurzen Moment sah ich Verunsicherung auf dem Gesicht von Browns Komplizen, dessen Namen ich noch immer nicht kannte, aber dann befahl er: „Michael, los, fahr!" 

Zwei Herzen, eine SeeleWhere stories live. Discover now