Gewonnen

8 2 0
                                    

Klatsch!

"Das Nächste Mal strengst du dich aber mehr an!"

Daraufhin stiefelte meine Lehrerin, wie Stalin und Hitler zugleich hätte kennen können, zum nächsten Schüler. Mit einem Seufzer nahm ich meine Deutschklausur in die Hand um meine schlechte Note zu begrüßen... Ich blätterte, ohne die Randbemerkungen an der Seite des Papiers, welche mit einem ungewöhnlich hell leuchtenden roten Gelstift gekritzelt wurden, auch nur zu beachten, zur letzten Seite- und siehe da- wieder ne 5. 

"Und was hast du?" Fragte eine Stimme über meine Schulter. Es war mein Sitznachbar, Kilian. Wir sind bereits seit der 11. Klasse befreundet, vor allem, weil wir beide so ziemlich die mit den schlechtesten Noten in der gesamten Klasse waren. 

"Das übliche. Soll ich das Abi wirklich Durchziehen? Ich meine, was bringts, es jetzt mit den Noten anzustreben?"

Er sah mich nur schulterzuckend an. Ich drehte mich wieder zu meinem Blatt, begutachtete noch einmal die große Fünf, die fast über das halbe Aufgabenblatt geschmiert wurde und mich anlächelte wie ein Zahnarzt kurz bevor ein Zahn gezogen wird, dann nahm ich die Zettel und stopfte sie rüde in meine sowieso schon viel zu kleine  Schultasche. Dann beobachtete ich die Lehrerin, Frau, oder wie sie immer genannt werden will, Fräulein Edelbein. Dies war wohl der schlechteste Name, den sie hätte haben können. Sie war nämlich weder edel, noch ein Fräulein. Nein. Ganz im Gegenteil: Die alte ist mit Sicherheit die älteste Lehrerin in der Geschichte. Da sind wir uns in der Klasse alle einig. Die alte war am ganzen Körper mit Falten übersät und trug Kleider aus der Antike. Wahrscheinlich sogar noch älter. Und sie war die rätselhafteste Lehrerin an der ganzen Schule. Lässt und weder essen noch trinken, verschlingt aber selbst im Unterricht mindestens einen Burger aus dem Burger- King nebenan. Und wehe. WEHE man gibt auch nur einen Mucks von sich- dann hagelt es Striche. Striche sind so etwas wie Tadel. Wenn man zu viele von ihnen sammelt bekommt man eine schlechte Note. 

Jedenfalls beobachtete ich sie, wie sie von Schüler zu Schüler ging, und sich immer, wenn die Klausur auf den Schreibtisch klatschte, deren Laune von "Alles bestens" zu "Wieso lebe ich überhaupt noch" änderte. 

Als sie fertig war und den meisten von uns erfolgreich den Tag vermiest hat, stellte sie sich nach vorne, um noch etwas zu sagen:

"Ähem! Ich bitte sie..."

Ding Dong!

Alle atmeten erleichtert auf. Eine gute Sache an ihrem Alter: Sie verhält sich auch als Lehrer dementsprechend. Sie brach ihren Satz ab, verwies auf die Tür und rief noch "Macht bis nächste Woche bitte eure Vorträge fertig!"

Aber niemand hörte ihr noch zu. Ich nahm mein Handy und lief langsam aus der Tür heraus, noch auf Kilian wartend. Er war einer der Wenigen an der Schule, mit denen ich mich verstehe. Wahrscheinlich, weil wir auch als einzige die Leidenschaft zum VR- Gaming teilten. 

"Jo, viel Spaß dann mit dem Vortrag!" sprach ich ihn an, als er endlich aus der Tür hinausgeschlendert kam. Er sah mich nur verwirrt an. Ich hielt ihm mein Handy entgegen, auf dem ich ein Textdokument geöffnet hatte. Es war eine E- Mail. Er bewegte seinen Kopf näher ans Display heran um lesen zu können, dann las er vor, was dort stand. 

"Sehr geehrter Herr Hirsch,

Hiermit freue ich mich, ihnen mitteilen zu dürfen, dass sie unser Gewinnspiel, in dem wir eine kostenlose, zweiwöchige Reise nach Japan, sowie ein NerveGear mit Sword Art Online, dem neuen Spielehit, der nächste Woche auf den Markt erscheinen wird, gewonnen haben! Im Anhang finden sie ihr Flugticket, sowie den Coupon für die Konsole und das Spiel. Bei Absagen...."

"HÄÄÄÄÄ?"

Jetzt starrte er nicht mehr auf mein Handy, sondern nur noch vollkommen verdutzt mit großen Augen mein Gesicht an. 

"Wie hast du das denn hinbekommen?"

Ich sah ihn leicht beschämt an und antwortete: "Ich hab bei so nem Gewinnspiel mitgemacht, das im Fernsehen mal angeworben wurde. Dachte, mitmachen schadet ja nie. Dass ich gewinne, hätt ich aber trotzdem nie gedacht.."

Er sah mich nur noch erstaunter an, wobei in seinen Augen auch eine Priese Neid zu erkennen war: "Boar ist ja endkrass! Ich wollte schon immer mal nach Japan! Die SAO Beta per VPN zu zocken fand ich ja nicht so geil, hab nur gelaggt. Und Du Glückspilz kommst nicht nur an ein NerveGear, sondern auch an Sword Art Online! Das kriegste hier nie, bevor die ersten 10.000 Kopien verkauft wurden. Und du spielst vor Ort, ohne eine lästige VPN."

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also lächelte ich einfach und deutete auf die Uhr. Er verstand sofort:

"Gut, dann bis dann!" sagte er dann. Auch ich trottete langsam los, auf dem Weg nach Hause. Irgendwie war ich überhaupt nicht aufgeregt oder so, nein, ganz im Gegenteil. Ich war ruhig wie noch nie. Vielleicht hat mein Gehirn einfach nur noch nicht verkraftet, dass ich auch mal etwas gewonnen habe? Möglich wär's ja, dachte ich. Ich ging über die wie immer viel zu stark befahrene Straße, auf der schon einmal ein Unfall passiert ist und lief in eine Siedlung hinein. Auch, wenn sie mitten in einer Stadt war, war sie voller Bäume und fast ohne Hochhäuser, fast schon, als wäre man in einem Dorf. Als einziges hört man noch die Autos von der Hauptstraße entlangfahren. Etwas nervig, aber mit der Zeit habe ich mich dran gewöhnen können. 

Nach weiteren 5 Minuten Fußmarsch kam ich dann endlich Zuhause an. Ich warf meine Schulsachen auf die Treppe und machte mir etwas zu essen. Meine Eltern waren nie da. Sie haben besseres zu tun. Mein Vater ist immer Arbeiten. Er ist irgend ein hoch angestellter, der immer mit seiner Arbeit beschäftigt ist. Was genau er macht, habe ich nie verstanden. Ich weiß nur, dass er den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt und wichtige Dokumente unterschreiben muss oder am Computer Pläne entwickelt. Meine Mutter hingegen leidet am meisten an der ständigen Abwesenheit meines Vaters. Sie ist arbeitslos, Alkoholikerin und ich glaube, sie nimmt heimlich Drogen. Jedenfalls wird sie deshalb mindestens einmal im Monat in eine Entzugsklinik eingewiesen. Dort bleibt sie dann mindestens zwei Wochen. Und wenn sie mal da ist, dann schläft sie Tagsüber, damit sie die Nacht vor der Playstation verbringen kann, ohne von mir oder meinem Vater, sollte er mal Zuhause sein, gestört zu werden. Im Moment befindet sie sich auf der Alki-Kur. Mal wieder. Deshalb bin ich die meiste Zeit auf mich alleine gestellt.

Aber es hat auch seine Vorteile, auf sich alleine gestellt zu sein. Zum Beispiel habe ich so gelernt, Zu kochen und den Haushalt zu schmeißen. Einkaufen ist kein Problem mehr und auch sonst komme ich ganz gut klar. Jedenfalls habe ich mir etwas zu essen gemacht und mich dann nachdenkend an den Küchentresen gesetzt, dort habe ich schon immer meinen Platz gehabt. Die hohen Tresenhocker sind viel gemütlicher als die Stühle und von dort aus hat man viel bessere Sicht auf den Fernseher. immer beim Mittagessen die Nachrichten zu gucken wurde schon zu eine Art Tradition für mich. Ich aß fertig, holte mein Handy aus der Hosentasche und öffnete erneut die E- Mail. Ich scrollte runter und öffnete das Flugticket. Es war eigentlich nur ein Link, der mich auf eine App weiterleitet. Auf dieser wird ein Strichcode, sowie auch einige Informationen für den Flug angezeigt. Der Code wird dann am Flughafen gescannt und entwertet, dafür komme ich dann in den Flieger. Jedenfalls scrollte ich durch die Informationen, bis plötzlich mein Herz stehen blieb. Meine Augen richteten sich auf das Abflugdatum: "Vorraussichtlicher Abflug: 3. 11. 2022 um 19:00"

Nach einigen Sekunden starren schnellte mein Blick nach oben auf die Datums-Anzeige des Kühlschranks, welcher mir gegenüber stand: "1. 11. 2022, 15:48". Ich schnellte auf: "DAS IST JA SCHON ÜBERMORGEN!!"

Ich schlug meine Zimmertür auf, packte mir einen großen Stapel T- Shirts und Hosen, sowie auch diverse andere Kleidungsstücke auf mein Bett und zog meinen großen Reisekoffer aus dem Wandschrank und quetschte mein Zeug in eben diesen. Den fast schon überfüllten Koffer stellte ich dann in den Flur und rannte wieder hoch. Ich packte meinen Rucksack mit Büchern, Ladekabeln und anderem Zeug und legte auch diesen in den Flur zu meinem Koffer. Es sah aus als würde ich für mindestens 2 Jahre weggehen. Dabei waren es doch nur 2 Wochen. Nach nicht einmal 20 Minuten war ich dann fast vollständig mit dem Packen fertig und konnte mich beruhigt ins Sofa flätzen. Ich  habe es schon immer gehasst, etwas auf den letzten Drücker zu machen. Lieber mache ich es sofort, als es dann zu spät zu machen. 

Ich war jetzt jedenfalls bereit für meine Reise. 


To be continued

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: May 25, 2018 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

Sword Art Online: in another perspective!Where stories live. Discover now