I O L A N A
Ich wusste nicht, ob ich die letzten Stunden positiv oder negativ markieren sollte. Mein Blick glitt zu Steve, der den Kopf auf die Hände gestützt hatte und dessen Schultern sogar leicht zu beben schienen. Ich schaute mich weiter um und sah Kensi, die unglaublich erleichtert wirkte und mit einem verliebten Lächeln Drew beobachtete. Genannter schlug gerade zufrieden mit Lono ein, eine Geste, die mich eigentlich hätte glücklich stimmen müssen. Dass die beiden sich wieder verstehen würden, wäre am Tag des Unglücks kaum denkbar gewesen. Und jetzt? Jetzt feierten sie, dass sie nicht ins Gefängnis mussten. Es gab nur eine einzige Möglichkeit, die ein erneutes Gerichtsverfahren begründen würde: Naheles Tod. Noch immer war mein bester Freund nicht aufgewacht und die schleichende Hoffnungslosigkeit, die sich in den Menschen um mich herum breit machte, schlug mir gehörig auf den Magen. Leise seufzend erhob ich mich und strich den dunkelblauen Stoff meines Faltenrocks glatt. Dann schob ich mich an Kono und Adam vorbei, die mir einen kurzen Blick schenkten und dann weiter über das soeben gefällte Urteil sprachen. Einige Leute hatten den Gerichtssaal bereits verlassen, aber hinter der Anklagebank saß immer noch der Commander und hatte seine Position nicht geändert. Ohne etwas zu sagen, setzte ich mich neben ihn und starrte vor mich ins Leere. Aus dem Augenwinkel registrierte ich, wie der Dunkelhaarige sich aufrichtete und mich anschaute. In Zeitlupe schaute ich ihn ebenfalls an, dann lehnte ich meinen Kopf gegen seine Schulter und er bettete seinen Kopf leicht auf meinem. "Ich hab ihm versprochen, dass ich ihn beschützen werde." Steves Stimme war leise und gebrochen und jagte mir einen Schauer über den Rücken. "Ich hätte früher daran denken sollen, dich anzurufen. Oder ich hätte schneller nach ihm suchen müssen, nicht erst Lono ans Land bringen. Wir hätten auch gar nicht erst hinfahren können. Wenn wir nach der Prügelei den ganzen Nachmittag mit Drew verbracht hätten, hätten wir ihn vielleicht umstimmen können." Ich verstummte, da meine Stimme einen weinerlichen Ton annahm und ich diese Seite an mir nicht mochte. Steve richtete sich wieder auf und schaute mich durchdringend an. "Du hast alles richtig gemacht. Du hättest Lono nicht einfach bewusstlos auf seinem Board lassen können und du hast dein Leben für Nahele riskiert. Mehr war nicht möglich." Ich schüttelte schwach den Kopf. "Wenn ich die Augen schließe, sehe ich immer sein Gesicht. Die blauen Lippen, die geschlossenen Augen, die ausdruckslose Miene, die nassen Haare auf seiner Stirn und wie er so schlaff um diesen Felsen lag, weil die Störmung ihn daran gedrückt hat. Es ist meine Schuld. Wir hätten nicht einfach ins Wasser springen dürfen." "Hey, hör auf dir Vorwürfe zu machen. Du hast genug Konsequenzen zu tragen." Unsere Blicke fielen gleichzeitig auf meinen Fuß, der noch immer eingegipst war. Meine verhassten Krücken hatte ich zu Hause gelassen, weshalb der Weg hierher eher ein Humpeln gewesen war. Der dunkelblaue Rock verbarg den Regenbogen, der sich über meinen Oberschenkel zog und von meiner Hüfte wollte ich gar nicht erst anfangen. Aber seit ich die Schusswunde am Bauch gehabt hatte, war ich abgehärtet und ertrug die Schmerzen ohne Klage. Beim Gedanken an das ganze Drama, durch das ich Nahele überhaupt erst kennengelernt hatte, musste ich fast schon lächeln, dann erfüllte mich neue Hoffnung. "Nahele wird es schaffen. Er ist ein Kämpfer und das wird er uns allen beweisen."
"Iolana, wach auf!" Erschrocken riss ich die Augen auf und blinzelte. Schnell hatte ich mich an die herrschende Dunkelheit gewöhnt und richtete mich auf. "Was ist passiert?" "Steve hat aus dem Krankenhaus angerufen. Nahele ist wach!" Sofort schlug ich die Decke beiseite und erhob mich aus meinem kuscheligen Bett. Kono, die mich geweckt hatte, reichte mir meine Krücken und ich lief so schnell wie möglich ins Bad, wo ich mich frisch machte. Zurück in meinem Zimmer hatte Kono mir schon eine kurze Jogginghose und ein Top rausgesucht und ich zog mich schnell an. Dann lief ich die Treppe runter, wo Adam mir einen Apfel in die Hand drückte und mich und seine Frau anschließend aus dem Haus scheuchte. Die Autofahrt kam mir endlos lang vor und als wir schließlich das Krankenhaus erreichten, rannte ich trotz meiner eingeschränkten Beweglichkeit fast. Den Weg zum Zimmer meines besten Freundes kannte ich mittlerweile im Schlaf und als ich die Tür aufriss, konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. "Nahele!" Schluchzend lief ich zu seinem Bett und warf mich in seine geöffneten Arme. "Ich wusste, dass du es schaffen würdest. Ich hab's gewusst", hauchte ich ihm erleichtert ins Ohr, während ich weiterhin halb auf ihm lag. Hinter mir hörte ich ein Räuspern und richtete mich schnell wieder auf. Adam und Kono grinsten meinen besten Freund an. "Schön, dass du wach bist Nahele." Angesprochener nickte und zog mich wieder zu sich. Dann öffnete sich die Tür erneut und ein lächelnder Steve kam herein. Er lief sofort zum Bett und strich Nahele über die Stirn, wobei mir einmal mehr bewusst wurde, was für ein guter Vater der Commander meinem besten Freund war. "Wie geht's dir?", erkundigte ich mich schließlich nach einem kurzen Räuspern bei dem Dunkelhaarigen neben mir. "Gute Frage. Wie geht's mir?" fragend schaute Nahele zu Steve. "Das wird dir der Arzt bestimmt gleich sagen. Aber jetzt freuen wir uns erstmal, dass du aufgewacht bist und das ist doch schonmal richtig gut." Nahele nickte, dann schaute er mich an. Ich brauchte einen Moment, bis ich seinen Blick verstand. Also antwortete ich ebenfalls mit einem Blick, der "Später" bedeutete. Im selben Moment wurde die Tür geöffnet und der Arzt betrat das Zimmer. Wir mussten alle raus, damit Nahele in Ruhe untersucht werden konnte und sogar ich leistete der Aufforderung Folge, obwohl ich am liebsten für immer bei meinem besten Freund geblieben wäre. Erst nach etwa einer Viertelstunde durften wir zurück und ich humpelte direkt wieder zum Bett und legte mich neben Nahele. "Und?" "Er war sehr zufrieden, aber morgen wird noch ein EEG gemacht und irgendwelche anderen Tests. Und ich muss noch mindestens zwei Wochen hier bleiben, eher länger." "Dann komm ich dich einfach jeden Tag besuchen", entgegnete ich grinsend und knuffte meinen besten Freund sanft gegen die Schulter. Als Kono sich räusperte, schauten wir alle zu ihr. "Wir sollten jetzt besser wieder nach Hause. Morgen ist Schule." "Aber ich kann jetzt sowieso nicht schlafen", widersprach ich sofort und schaute meine Adoptiveltern bittend an. Adams Blick wanderte zum Commander. "Steve, du siehst ganz schön fertig aus. Wie wäre es, wenn Kono und ich dich nach Hause fahren und Iolana heute Nacht auf Nahele aufpasst?" Jetzt schauten mein bester Freund und ich bittend zum Commander, der kurz mit sich zu ringen schien, bevor er leise seufzte und nickte. "Also gut. Aber wenn irgendwas ist, will ich sofort informiert werden!" Streng schaute er mich an und ich nickte grinsend, dann verabschiedeten sich die drei Erwachsenen und ich kuschelte mich enger an Nahele, nachdem ich mich von meinen Schuhen und Socken befreit hatte. Er hob kurz die Bettdecke hoch und ich krabbelte darunter, dann seufzte ich zufrieden und schaute meinen besten Freund wieder an, der denselben Blick wie vorhin zur Schau trug. Ich schluckte. "Sie haben drei Jahre auf Bewährung gekriegt." Nahele schwieg und nickte nur schwach, dann beobachtete ich, wie eine kleine Träne sein Auge verließ und sich einen Weg über die Wange bahnte. Sanft wischte ich sie weg und küsste meinen besten Freund leicht auf die Wange. "Wir hätten sterben können." "Aber wir haben überlebt und wir werden auch beide wieder richtig fit." "Wie kannst du dir da so sicher sein?" "Ich hab den stärksten besten Freund der Welt, einen richtigen Kämpfer. Da kann ich doch nur zuversichtlich sein, oder?" Meine Mundwinkel hoben sich leicht, doch fielen wieder, als Nahele seufzte und mich liebevoll ansah. "Du bist wirklich unglaublich, Lani. Ich weiß nicht, wie ich dich verdient habe." Sprachlos sah ich ihn an, dann griff ich nach seiner Hand, verschränkte unsere Finger und kuschelte mich noch enger an ihn.
Es tut mir unglaublich Leid, dass das Kapitel erst nach so langer Zeit kommt. Leider raubt die Schule mir momentan jegliche Freizeit und es wird in und nach den Weihnachtsferien wahrscheinlich nicht viel besser. Trotzdem hoffe ich, dass euch das Kapitel gefällt und über euer Feedback freue ich mich natürlich immer!
_C_
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You're my home (Hawaii Five-0 FF)
FanfictionIolana, "die Fliegende", deren Flügel gebrochen sind. Vater und Bruder tot, Mutter nach Mord am Vater im Gefängnis. Das Leben auf der Straße zerrt an der 17-Jährigen Insulanerin und schließlich beschließt sie vor Hunger, einen Imbiss zu überfallen...