Hell and back

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Am liebsten hätte ich mich in irgendeinem Loch verkrochen. Irgendwohin, wo mein Vater mich niemals finden konnte. Ich wollte weglaufen und nie wieder kommen. Das Herz schlug mir hart gegen die Rippen und der Geschmack von Angst kroch meine Kehle hoch. Ich schluckte trocken. Ich konnte nicht weglaufen. Ich würde nicht wie Marc sein, ich würde meine Geschwister nicht im Stich lassen.

Mary schaute mich vom Bett gegenüber mit großen Augen an. Ich bedeutete ihr, hier zu bleiben. Wenn mein Vater schon unbedingt seine Wut auslassen musste, dann an mir.

Meine linke Hand zitterte, als ich ins Wohnzimmer ging. Mein Vater stand direkt hinter der Wohnungstür und schwankte so sehr, dass er sich an der Wand abstützen musste. Den Alkoholgestank, den er ausdünstete, konnte ich bis zu mir riechen.

Er sah auf als ich ins Wohnzimmer kam. Seine Augen waren glasig.

„Da bist du ja", begrüßte er mich nicht besonders unfreundlich, doch seine Augen verhießen nichts Gutes. „Komm her und hilf mir aufs Sofa." Der Ton in seiner Stimme ließ keinen Widerspruch zu. Ich trat nah zu ihm und legte mir seinen rechten Arm um die Schultern. Vater war schwerer als ich gedacht hatte und so war mein Gesicht rot angelaufen, als ich ihn auf dem Sofa absetzte. Ein paar Sekunden atmete ich durch. Ich hoffte so sehr, Vater würde einfach zu Seite kippen und einschlafen. Meine Hoffnungen wurden nicht erhört.

Unwillkürlich packte mein Vater mein Handgelenk und zog so kräftig daran, dass ich neben ihm auf das Sofa plumpste. Ich konnte kaum atmen, so überwältigend war der Geruch nach Alkohol und Schweiß. Mein Vater brummelte ein paar Worte in seinen Bart hinein. Ich hatte nichts verstanden, doch ich traute mich nicht, nachzufragen.

„So, kleine Dame, jetzt unterhalten wir uns mal!", meinte er lauter. Gleichzeitig packte er meinen Nacken mit seiner Hand und zwang mich so weit nach vorne, dass ich nicht mehr wirklich sitzen konnte. Ich zuckte zusammen.

„Vater, bitte...", versuchte ich mein Glück, „lass mich los." Ihn schienen meine Worte wütend zu machen und er drückte meinen Kopf noch weiter nach vorn, bis er kurz über seinem Knie schwebte. Mein Vater beugte sich nach vorne.

„Du bist eine kleine Hure, nicht wahr?", fragte er mich gefährlich leise. Ich versuchte, den Kopf zu schütteln.

„Lüg mich nicht an!", zischte mein Vater. Ein paar Spucketropfen trafen meine Wange. Ich musste würgen.

„Bitte, ich stehe nur an der Bar...", versuchte ich, es ihm zu erklären, doch ich verschwendete nur meinen Atem. Mit einem wütenden Aufbrüllen riss mein Vater meinen Kopf hoch, um ihn dann mit noch mehr Wucht auf sein Knie zu schlagen. Als sein Knie mich mitten im Gesicht traf, schrie ich auf. Kurz sah ich schwarz, dann drehte sich alles. Als ich wieder etwas zu mir kam, lag ich vor dem Sofa auf dem Boden und aus meiner Nase strömte das Blut. Mein Vater ragte schräg über mir auf. Ich wimmerte, ich hatte das Gefühl mein Kopf würde explodieren.

Wie ein Vogel, der sich eine Maus schnappt, griff mein Vater abermals nach mir. Er schlag seinen Arm um meinen Hals und zwang mich wieder auf die Beine. In dem Moment hörte ich eine Tür aufgehen und mir wurde kalt vor Schreck.

„Mama?", hörte ich eine verschlafene Lily murmeln. Ich wandte meinen Kopf zu Schlafzimmertür meiner Mutter. Lily stand dort, so klein in ihrem geerbten Schlafanzug, und rieb sich den Schlaf aus den Augen. „Liz!", rief sie, als sie erkannte, dass nicht Mutter, sondern ich in Vaters Umklammerung steckte.

„Lily, geh wieder ins Zimmer, sofort!", brachte ich heraus mit aller Autorität, die ich in meinem Zustand noch aufbringen konnte. Meine Stimme klang dumpf wegen dem ganzen Blut, das mir in den Mund gelaufen war. Starr betrachtete ich Lily. Bitte, geh wieder rein! Lilys Blick schwenkte zu Vater, dann zog sie verängstigt die Schultern hoch, drehte sich schnell um und schloss wieder die Tür hinter sich. Ich hörte sie gedämpft aufschluchzen.

Vielleicht war es das, was mich dazu brachte, aufzubegehren. Ich musste meine Geschwister beschützen, doch vielleicht konnte ich das so nicht mehr. Meine Angst verwandelte sich in Wut. Heiße, rasende Wut. Ich atmete tief ein, dann ließ ich meinen Ellbogen nach hinten schwingen, in den Bauch meines Vaters hinein. Das überraschte ihn und er lockerte den Griff um meinen Hals, sodass ich mich rausdrehen konnte. Schnell trat ich einige Schritte von ihm weg.

„Du hast doch keine Ahnung!", schrie ich ihn an, „ich hatte verdammt noch mal keine Wahl! Glaubst du, ich würde freiwillig in einem Stripclub arbeiten? Du hast diese riesigen Schulden angehäuft, aber es bleibt an mir hängen, sie zu begleichen!" Vater war bleich geworden, während ich meiner Wut Luft gemacht hatte. Seine Miene war undurchdringlich.

„Wie redest du mit mir?", bei jedem Wort wurde er ein bisschen lauter. „Ich bin dein Vater, hab gefälligst etwas mehr Respekt vor mir!" Bevor ich auch nur ahnen konnte, was er vorhatte, machte er zwei schnelle Schritte nach vorn und seine Faust traf mich. Mein Kopf wurde nach hinten geschleudert und als ich mich wieder aufrichtete, sah ich nur noch den nächsten Schlag auf mich zukommen. Dieser Schlag war härter. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel hart auf den Boden. Verzweifelt um Orientierung bemüht, schüttelte ich meinen Kopf. Alles drehte sich. Mir war schlecht.

„Mir scheint, du hast immer noch nicht gelernt, was ich versucht habe, dir dein ganzes Leben lang beizubringen", hörte ich meinen Vater wie von weit weg. Unscharf sah ich, wie er seinen Gürtel öffnete. Ich keuchte entsetzt auf. „Wird wohl mal wieder Zeit, dir ein paar Manieren beizubringen!"

Nein, schoss es mir durch den Kopf. Nicht nochmal, nie wieder! Langsam stellte sich mein Blick scharf und ich sah, wie mein Vater seinen Gürtel aus den Laschen zog. Pure Panik durchschoss mich. Das durfte er nicht! Gerade als mein Vater ausholte, unterbrach ihn eine helle, aber dennoch eisenharte Stimme.


So das wars mal wieder, ich hoffe, es gefällt euch. Übermorgen kommt das nächste Kapitel. Voten und Kommentieren nicht vergessen ;)

The dark inside meWhere stories live. Discover now