25 | she's broken

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Ich fühle absolut gar nichts, als ich draußen auf meinem Balkon sitze und den Rauch meiner Zigarette ausblase. Meine Haare wehen im Wind und langsam bildet sich eine Gänsehaut auf meinen Armen. Wahrscheinlich sollte ich wieder ins Zimmer gehen, doch heute kümmern mich der Wind und die Kälte nicht.

Neben mir steht eine Flasche Vodka, die mittlerweile nur noch drei Viertel des ursprünglichen Inhalts enthält.

Gedankenverloren wandert meine rechte Hand über meinen Oberschenkel, den ein großer blau-grüner Fleck ziert. Ich bin froh, dass es noch nicht Sommer ist. Meine Arme sind an vereinzelten Stellen aufgeschürft oder die Haut blau unterlaufen und meine Beine zieren etliche Druckstellen und blaue Flecke.

Wenn ich meine Augen schließe, katapultiert mich mein Gehirn augenblicklich in sein Auto zurück. Ich habe versucht ihn abzuhalten, doch er hat die Tür verriegelt und ist dann in ein abgelegneres Viertel gefahren. Ich zähle schon gar nicht mehr, wie oft er mich auf diese Weise gedemütigt und erniedrigt hat. Irgendwann werde ich frei sein und ihm entkommen. Dazu muss ich nur irgendwie an diese Videos ankommen. Allein bei dem Gedanken daran irgendjemand könnte sie sehen, steigen mir Tränen in die Augen.

„Wir fahren jetzt, Avery!", höre ich meine Mutter von unten rufen und ich seufze. Meine Eltern haben heute irgendein Geschäftsessen und sind deshalb den ganzen Abend nicht zuhause. Und heute werde ich nicht die Tür aufmachen, egal wer davor steht.

Ich habe mich vor knapp fünf Minuten hier nach draußen gesetzt. Da ich wusste, dass meine Eltern jeden Moment fahren würden, habe ich mir schon mal meine Zigarette angezündet. Denn eigentlich wissen meine Eltern nicht, dass ich rauche. Oder, dass ich einen ganzen Alkohlvorrat in meinem Zimmer gebunkert habe. Nur für schlechte Zeiten natürlich.

Mein Herz bleibt stehen, als ich plötzlich höre wie meine Zimmertür aufgemacht wird und ich breche augenblicklich in Tränen aus. Ist das Darren? Oh Gott bitte nicht. Hat er sich etwa schon wieder ins Haus geschlichen?

„Ave?", jetzt habe ich wirklich einen Herzinfarkt. Schnell versuche ich mir die Tränen von den Wangen zu wischen und meine blauen Flecken zu verstecken, doch Tyler ist schneller auf meinem Balkon, als ich gedacht habe.

„Oh Gott, Avery!", kommt es erschrocken von ihm, als er mich dort sitzen sieht, mit verquollenen Augen und tiefen Augenringen. „Was machst du hier?", frage ich ihn mit leiser Stimme und meide den Blick in seine Augen.

Er soll mich nicht so sehen.

„Nach dir sehen.", sagt er, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. So als wäre die Frage komplett überflüssig.

„Deine Eltern haben mich reingelassen, als sie gerade gefahren sind. Außerdem wollte ich noch fragen, warum du mir nicht erzählt hast, dass du einen Freund hast?", sein Blick ist forschend, als ich ihm endlich wieder ins Gesicht sehe. Langsam schlucke ich. Wie soll ich aus dieser Lage nur am besten rauskommen?

Langes Schweigen tritt ein. Tyler scheint auf eine Antwort zu warten, die ich ihm nicht geben kann. Wie denn auch? Schließlich ist Darren gar nicht mein Freund. Im Gegenteil.

„Hör mal, Avery, du musst deinem Freund das zwischen uns sagen. Weißt du eigentlich wie ich mich heute gefühlt habe, als er mich so freundschaftlich begrüßt habe. Dabei habe ich seine Freundin geküsst - dreimal!", mein Herz pocht immer härter gegen meine Brust und ich seufze lauter. Er muss gehen. Er muss sofort gehen oder ich verliere noch meine Fassung.

„Geh!", bringe ich mühsam hervor und beiße mir auf die Unterlippe um noch loszuheulen.

Langsam geht er näher an mich heran. „Warum hast du so viele blaue Flecken, Avery?!", seine Stimme ist undurchdringlich und ich zucke leicht zusammen. Verdammt, wie komme ich da nur wieder raus?!

The Lost BeautyWhere stories live. Discover now