Kapitel 3

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Die Fleet Street war ein dreckiges Fleckchen Erde und die Gosse stank so fürchterlich, das sich befürchtete, dass ich mein Frühstückstisch bald wiedersehen würde.

Ich schaute mich suchend nach dem Salon um, als ich ein Plakat entdeckte, dass an einen verkommenen Baum genagelt war.

,,Neueröffnung",stand dort in schnörkeliger Schrift:,, ,Mrs.  Lovetts Fleischpasteten'  feiert morgen seine Neueröffnung. Sie sind herzlich eingeladen!"

Darunter stand das Datum vom vorherigen Tag und eine Adresse in der Fleet Street.

Da sonst kein Mensch auf der Straße war und alle Häuser dunkel und verlassen zu sein schienen, blieb mir nichts anderes übrig als zu Mrs. Lovetst Fleischpastetenladen zu gehen.

Zu meiner Begeisterung war der Laden nur etwa hundert Meter entfernt, doch auch er wirkte verlassen. Als ich stehen blieb wurde mir bewusst, wie totenstill es war. Nicht einmal ein Vöglein zwitscherte und das einzige, das ich hörte, war mein eigener Atem. Und wie ich so im Schatten der Nachmittagssonne vor dem Pastetenladen stand, lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich fühlte mich so weit entfernt von dem sonst so überfüllten und lebendigen London, es schien als wäre die Straße ausgestorben.

Ich atmete tief ein und inspizierte das Gebäude. Es war nicht weiter auffällig, es besaß zwei Stockwerke, die Dachschräge der oberen Etage war ein riesigen,schmutziges Fenster, auch unten waren alle Fenster groß; wie halt bei den meisten Geschäften. An der Ecke St. Johann Street waren Tische und Stühle, höchst wahrscheinlich für die gestrige Feier,aufgestellt. Ich ging etwas um das Haus herum und da sah ich die Treppe, die von außen ins zweite Stockwerk führte. Die Treppe, an der das Schild ,,Sweeney Todds Barbier Salon" angebracht war. Das es das Geschäft gab,das James mir genannt hatte, freute mich ungemein, obwohl ich tief in mir befürchtete in eine Sackgasse zu laufen, da es mir höchst unwahrscheinlich erschien, hier jemanden anzutreffen.


Schnellen Schrittes ging ich die Treppe hinauf, der der Wind schon reichlich zugesetzt hatte. Oben angelangt schaute ich durch das ebenfalls, wie alles in dieser Straße, schmutzige Glas und erblickte legentlich einen verlassenen Barbier Salon. Hoffnungslos klopfte ich, doch wie erwartet erschien nicht wie aus dem Nichts jemand und öffnete. Also versuchte ich dies selbst zu tun, doch dass auch das Sinn frei war,war kein Wunder. Seufzend wollte ich schon aufgeben, doch dann fiel mir ein alter Trick ein. Ich brauchte nur eine Haarnadel. So gut diese Idee im ersten Moment auch gewesen sein mag, so idiotisch war sie im zweiten. Als Mann trug ich meine Haare natürlich nicht hochgesteckt und hatte auch sonst keine Haarnadel dabei, da ihre Anwesenheit höchst unnütz wäre ̶ außer jetzt. Und wo sollte ich bitte in dieser gottverdammten Straße eine Haarnadel herbekommen?

Frustriert und mit finsterer Miene ging ich die Treppe wieder hinunter. Ich würde ohne Ergebnisse zurück kehren. Mr. Williams würde mir den Fall entziehen, mich vielleicht feuern. Und wie ich da so, mit den Händen in den Hosentaschen, mir meinen Weg zwischen den Tischen bahnte,entdeckte ich etwas auf dem Boden. Ich bückte mich und hob das kleine, spitze etwas auf. Es schien ein kleines Knöchelchen zu sein.Vielleicht war es in einer der Pasteten gewesen und der Gast hatte es achtlos zu Boden geworfen und mir somit den Tag gerettet. Mit neuer Motivation sprintete ich die Treppen wieder hoch und steckte das Knöchelchen in das Schlüsselloch. Nach etwas hin und her drehen hörte ich in leises Klicken. Ich zog das Knöchelchen aus dem Schloss und ließ es fallen, dann drehte ich den Knauf nach links und stieß die Tür auf. Selbstzufrieden lächelnd betrat ich den Raum.Durch das Fenster fiel, wegen des Schmutzes, kaum Licht und auch sonst war der Raum spärlich und düster eingerichtet. Links von mir war eine Truhe, rechts stand ein Stuhl, wahrscheinlich wurden hier die Männer rasiert, dahinter eine Frisierkommode und ein zersprungener Spiegel.

Der Boden knarrte, als ich zur Kommode ging. Eine dünne Staubschicht über zog das Holz der Kommode und auf ihr lag eine offene Schatulle mit Barbierklingen, von der jede einzelne, wie frisch gekauft, trotz des schlechten Lichtes,glänzte und glitzerte. Prüfend nahm ich eine heraus, doch es ließ sich nichts außergewöhnliches feststellen. Langsam wendete ich mich nach rechts. Das einzige das, außer der Klingen, auf der Kommode stand war ein aufklappbaren Medaillon. Das Silber glänzte schon längst nicht mehr, die Kette war abgerissen, die Ecken rund gescheuert und das Foto schmutzig und vergilbt. Aber dennoch war das Motiv gut zu erkennen: Ein junger Mann und eine ebenso junge Frau,die ein Baby in den Armen hielt. Das Mr. Todd das Baby war ließ sich ganz einfach ausschließen, da die Qualität des Bildes der vor schätzungsweise fünfzehn Jahren entsprach und ich stark davon ausging, dass dieser scheinbar so talentierte Barbier noch so jung war. Also musste wohl der Mann auf dem Bild Sweeney Todd sein.

Ich wickelte das Medaillon in mein Stofftaschentuch und steckte es in die Tasche meines Gehrockes. Dann schaute ich mir die Kommode nochmal gründlich an, fand jedoch nicht auffälliges.


Gerade, als ich gehen wollte, fiel mein Blick auf die Truhe neben der Tür. Ich ging zu ihr hin. Zu meinem Erstaunen war sie nicht verschlossen und als ich sie öffnete fiel mir direkt der unmögliche Stoff auf, mit dem die Truhe ausgelegt war. Das grau-gelbe Muster war grob an den Kanten der Truhe befestigt und deutete darauf hin, dass es eine provisorische Lösung war. Ich zog den Stoff an einer Ecke, die sowieso nicht richtig dran war, etwas ab. Der Stoff darunter war ein einfaches Leinentuch, doch als ich die Blutflecken sah, stockte mir der Atem und ich wich einen Schritt zurück. Natürlich hatte ich schon zuvor Blut gesehen,jedoch nicht in diesem Ausmaß. Das Leinentuch war davon durchtränkt und als ich erneut auf die getrockneten Pfützen sah, wurde mir, zum zweiten mal an diesem Tag, schlecht. Eines konnte ich jedoch ganz gewiss sagen: hier ist ein Mord geschehen!

Der Fall "Sweeney Todd"Where stories live. Discover now