Kapitel 34

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Harry hebt langsam den Kopf und kneift im schwachen Licht der Lampe die Augen zusammen. "Hiiiiiiiii... mein bester Freund aus guten alten Zeiten", spricht er die Wörter langgezogen aus. Volltrunken versucht er aufzustehen und plumpst dann zurück in den Sessel. Seufzend strecke ich ihm die Hand aus: "Komm, ich helfe dir nach oben." 

"Ich brauche deine Hilfe nicht", zischt er zurück und funkelt mich wütend an. Erschrocken ziehe ich meine Hand zurück und sehe ihm dabei zu, wie er sich ächzend erhebt. Augenblicklich gerät er ins Taumeln, weshalb ich doch mit einem Schritt bei ihm bin und jeweils eine Hand auf seine Brust und auf seinen Rücken lege. Zwar stöhnt er einmal genervt auf, lehnt sich dann aber an mich. 

Ich rümpfe die Nase, als ich seine Whiskeyfahne und den Gestank von Erbrochenem rieche. Vielleicht wäre es gut, ihn einmal unter die Dusche zu stellen und die ganzen Gerüche wegzuspülen. Ich zerre ihn in das Badezimmer und setze ihn auf den Toilettendeckel. Schweigend beobachtet er mich, als ich das Wasser für ihn anstelle. Nie im Leben wird er es alleine hinbekommen, sich auszuziehen, weshalb ich das wohl übernehmen muss. Doch bevor ich anfangen kann, steht er schwankend auf und läuft voll bekleidet in die Dusche. "Harry, du... okaaaay, jetzt ist es auch zu spät."

Mit geschlossenen Augen lehnt er sich an die Wand. Die nassen Haare kleben ihm am Kopf, sein Atem geht flach und seine Lippen sind leicht geöffnet. Einen Moment später sinkt er langsam an den Kacheln herunter und streckt seine Beine von sich. Ohje, was habe ich nur angerichtet?

Vorsichtig nähere ich mich ihm und gehe in die Hocke, um seine Boots und die Socken auszuziehen. Harry ist völlig regungslos, als ich meine Arme ausstrecke und langsam mit den Fingern durch seine Haare fahre. Mit dem Shampoo, dass auf dem ebenerdigen Boden der Dusche steht, seife ich sie ein und spüle es anschließend aus.

Das Wasser stelle ich daraufhin wieder ab. "Harry?", frage ich leise und streiche über seine Wange. "Was willst du?", stöhnt er, schlägt die Augen auf und schüttelt leicht den Kopf. Dennoch erhebt er sich schwerfällig und steigt tropfend aus der Dusche. Mit einem Handtuch versuche ich ihn und auch mich einigermaßen abzutrocknen.

Eleanor wird einen Schock bekommen, wenn sie dieses Chaos hier morgen entdeckt, weswegen ich wenigstens die größten Pfützen mit dem Handtuch etwas wegwische.

Als das erledigt ist, stütze ich ihn wieder und trete auf den Flur. Auch wenn mir durch die körperliche Nähe abwechselnd kalt und warm wird, ziehe ich ihn zur Treppe. Irgendwie schaffe ich es tatsächlich, Harry die Stufen hochzuschleppen, auch wenn er immer wieder ins Schleudern gerät.

Oben angekommen knallen wir das ein oder andere Mal geräuschvoll gegen die Wand. Aber ist das denn verwunderlich? Immerhin ist Harry ein ganzes Stück größer und um einiges schwerer als ich. 

Nach dem Betreten seines Schlafzimmers schubst Harry mich schon fast ein bisschen zur Seite und fängt an sich auszuziehen. "Du kannst jetzt wieder gehen", murmelt er und flucht über die nasse Jeans, die ihm am Körper klebt. "Harry, ich... du bist sauer wegen Liam oder?", frage ich leise, auch wenn ich besser warten sollte, bis er wieder nüchtern ist. Seine ausbleibende Antwort gibt mir jedoch Recht.

Als er nur noch in Boxershorts dasteht, hält er inne und starrt mit leerem Blick sein Bett an. Plötzlich fährt er sich mit den Händen durch die nassen Haare und dreht sich zu mir um. Sein Gesichtsausdruck ist nicht zu deuten. Er sieht zum Bett, dann zu mir und wieder zum Bett, bis er sich schließlich darauf fallen lässt.

Ich beobachte ihn noch ein paar Minuten. Erst als sein Atem gleichmäßiger und langsamer wird, schleiche ich mich zum Bett. Seufzend setze ich mich auf die Bettkante und decke ihn zu. Ein paar Strähnen hängen ihm in der Stirn, welche ich vorsichtig beiseite schiebe. Ach Harry, ich hoffe, wir können das klären, denn jetzt weiß ich wirklich, was ich will.

Ich erstarre, als er sich plötzlich wieder regt und mich ansieht: "Nein, bin ich nicht. Wir beide ficken nur, Louis. Du kannst also machen, was du willst und mit wem du willst...Das mache ich ja schließlich auch." 

Dann fallen ihm wieder die Augen zu und er schläft sofort ein, während ich nur geschockt dasitze. Bei seinen harten Worten fängt meine Haut unangenehm an zu prickeln.

Wie ein Messer, das man mit aller Kraft in mein Herz gerammt hat, brennt der Schmerz in meiner Brust. Keuchend drücke ich eine Hand darauf, während ich Harry ansehe und mir das Atmen schwerfällt. Ist das der berühmte Herzschmerz? Fuck nein, das ist kein Herzschmerz, das ist ein Ganzkörpermassaker.

Meine weit aufgerissenen Augen huschen über jeden Fleck seines Gesichts. Ich bete gerade inständig, dass er es nur sagt, um mir wehzutun. Oh Gott, bitte lass ihn nicht wirklich mehrgleisig fahren. Zwar haben wir keine Beziehung, aber in mir drin würde etwas zerbrechen. Sollte es tatsächlich so sein wie Liam gesagt hat, dass Harry das gleiche fühlt wie ich, dann realisiere ich gerade erst, wie schmerzhaft es gewesen sein muss, als er uns gesehen hat. Fuck! Ich bin so sauer auf mich selbst, hoffentlich kann ich es wieder gut machen.

Mit aller Kraft versuche ich meine positive Energie wiederzufinden, aber es will in diesem Moment nicht klappen. Ich zwinge mich aufzustehen und tapse eiligen Schrittes zurück zur Zimmertür. Als ich diese hinter mir schließe, bleibe ich stehen und atme tief durch. Falls mein Inneres immer noch nach einem Beweis gesucht hat, dass ich in Harry verliebt bin: Hier ist er. Seine Worte verletzen mich zutiefst, doch meine Hoffnung klammert sich an einen wackeligen Grashalm. Bitte lass ihn das nicht ernst gemeint haben, sondern es nur gesagt haben, um mir ebenfalls wehzutun.

Das ist frustrierend. Seufzend reibe ich mit einer Hand über mein Gesicht, ehe ich langsam die Wendeltreppe wieder hinunterschlürfe. So habe ich mir den Abend wirklich nicht vorgestellt, aber das habe ich mir selbst zuzuschreiben und dafür hasse ich mich gerade selbst. Warum? Warum habe ich nicht nachgedacht, bevor ich mich auf Liams Schoß schwang? "Scheiße!", fluche ich, als ich im Wohnzimmer ankomme und hinter mir die Tür zuknalle. Harry ist sturzbetrunken und bekommt es eh nicht mehr mit, wenn ich etwas lauter bin.

Verzweifelt lasse ich mich rücklings auf die Couch fallen und lege meine Handflächen auf mein Gesicht. Dann stoße ich ein bitteres Lachen aus und lege den Kopf in den Nacken, um an die Decke zu blicken. Wie habe ich nur glauben können, dass das mit Harry und mir funktioniert? Wie habe ich glauben können, dass wir Freunde UND Sexpartner werden? Wie habe ich glauben können, dass ich mich niemals verlieben werde? Wie habe ich glauben können, dass mir ein Kuss mit Liam meine Gefühle offenbart, wenn ich sie doch schon längst kenne?

Aber das Wichtigste: Wie kann ich das nur wieder geradebiegen?
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Ohjeeeee... das hat den armen Harry ganz schön mitgenommen. Ob das Gespräch besser läuft, wenn er nüchtern ist?

Zatago - [Larry-AU]Where stories live. Discover now