Der Beginn einer Freundschaft

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Sie standen zu zweit auf dem Bahnhof am Gleis 9 ¾. Sie, mit ihren unnatürlich silberblonden Haaren und ihrem ängstlichen Blick, schaute sich nervös um. Ihm hingegen sah man die Vorfreude ins Gesicht geschrieben. Seine kurzen, schwarzen Haare strich er sich aufgrund des Windes öfter mal hinter die Ohren. „Verdammt nochmal Selena, freu dich doch wenigstens ein bisschen", bat der Junge das Mädchen, nahm sie an den Schultern und schaute sie eindringlich an. Gezwungen lächelte Selena. Klar, sie war froh endlich etwas anderes zu sehen als die demolierte Unterseite eines Hochbettes, welches jedes Mal quietschte wenn sich ihre Zimmergenossin im Schlaf bewegte. Sie war froh, andere Menschen um sich herum zu haben als die Heimleiterin, die sie täglich um 6 Uhr in der Früh weckte und zur Hausarbeit verdonnerte. Und sie war froh, die Schule besuchen zu können, die ihr Ahne vor Jahrhunderten mit den größten Hexen und Zauberern seiner Zeit aufgebaut hatte.

Aber da war auch eine gewisse...Furcht. Was, wenn sie den Anforderungen nicht gerecht werden konnte? Sie hatte schließlich erst vor einer Woche erfahren, dass sie Hogwarts ab dem 1. September besuchen würde. Sie war froh, dass ihre Eltern ihr ein wahres Vermögen hinterlassen hatten als sie...als sie... Sie wollte nicht darüber nachdenken. Nein, sie hatte damit abgeschlossen, hatte sich dem Leben im Waisenhaus angepasst. Umso mehr hatte sie der Brief erschüttert, hatte sie innerlich aufgewühlt. Natürlich wusste sie, dass ihre Eltern aus einer reinblütigen, uralten Zauberer Familie stammten, aber in dem letzten Jahr hatte sie alle Erinnerungen daran aus ihrem Kopf verbannt. Doch dann, vor einer Woche, kam der Brief und mit ihm der Junge neben ihr mit seinen Eltern am Waisenhaus an. Sie hatten sie adoptiert, aber sie durfte ihren richtigen Namen behalten. Der Junge hatte sich ihr als Ryan Ravenclaw vorgestellt.

Und jetzt stand sie hier: Sie trug eine einfache, dunkelgrüne Bluse und eine Jeans, so wie sie in der Muggelwelt populär war. Vor ihr stand ein Gepäckwagen mit allerhand Utensilien zum Zaubern, welche sie mit dem Geld ihrer Eltern in der Winkelgasse erwerben konnte: Federkiele, Pergament, die Schulbücher, einen Kessel, eine schwarze Eule, welche sie sofort „Black Angel" getauft hatte, ihr Zauber Umhang und natürlich ihr Zauberstab. Gestaunt hatte sie, als Mr. Olivander ihn ihr das erste Mal in der Winkelgasse in die Hand gedrückt hatte. „Eibenholz, Drachenherzfaser, 9 ½ Zoll und ziemlich stabil", hatte er dabei gemurmelt und sie spürte jetzt noch die warme Welle, die sie durchflutet hatte, als der Stab in ihrer Hand lag.

Beinahe hektisch griff sie nun danach und fühlte sich gleich ein bisschen sicherer. Sie verabschiedeten sich von Ryans Eltern, die sich erstmal im Hintergrund gehalten hatten, jetzt aber ihren Sohn in eine kräftige Umarmung zogen und ihm ermutigende Worte zuflüsterten. „Und Selena: Wir wissen, dass wir deine Eltern nicht ersetzen können, aber wenn du irgendwelche Sorgen hast während eurer Zeit in Hogwarts, dann schick uns gerne eine Eule", fügte Mrs. Ravenclaw noch hinzu, als sie auch Selena umarmte. Ihr Mann nickte nur zustimmend und dann griff Ryan sie auch schon am Arm und wollte sie wegziehen. Selena jedoch drehte sich noch einmal um und richtete ein ehrliches „Danke" an die Eltern ihres kürzlich gewonnen Freundes und ließ sich dann mitziehen.

Zusammen schoben sie ihre Wagen zum Zug und übergaben das Gepäck dort dem zuständigen Personal. Nur ihre Umhänge und ihre Zauberstäbe nahmen sie an sich. Ryan ging zum Hogwartsexpress, stellte sich neben eine Tür und grinste Selena an. „Nach dir", sagte er gentlemanlike und deutete eine Verbeugung an. Die Angesprochene musste kurz kichern. Das sah wirklich zu komisch aus, aber sie hatte in der kurzen Zeit, in der sie sich kannten, schon festgestellt, dass Ryan ein wahrer Scherzkeks war. Sie nahm das Angebot also an und betrat ein wenig ehrfürchtig den Zug. Ihr Freund folgte ihr und sie suchten nach einem freien Abteil, bis sie eins in der Mitte des Zuges fanden. Ryan legte die Hand auf den metallenen Griff und zog die Schiebetür des Abteils auf. Sie betraten es und setzten sich, dem anderen gegenüber, an das Fenster. Kaum eine Minute später fuhr der Zug auch schon los und so begann für unsere jungen Freunde der Weg in einen neuen Abschnitt ihres Lebens.

„Was denkst du? Wie werden die anderen auf uns reagieren?", fragte Selena vorsichtig und richtete ihren Blick aus dem Fenster hinaus, vor welchem jetzt Wiesen und Wälder die Häuser der Stadt ablösten. Ryan hingegen zuckte nur mit den Schultern. „Wer weiß. Ich würde am liebsten Undercover dort sein und wie ein ganz normaler Schüler behandelt werden. Ich meine, was hat das groß mit uns zu tun, wenn unsere Ahnen, die wohlbemerkt vor Jahrhunderten gelebt haben, diese Schule gegründet haben? Ich weiß nicht viel über Rowena Ravenclaw und meine Eltern auch nicht, was ja auch verständlich ist. Es sind einfach zu viele Generationen zwischen uns um große Verbindungen zu ziehen", endete Ryan seinen kleinen Vortrag bezüglich seiner Meinung zu diesem Thema. Selena nickte stumm. „Da magst du wohl Recht haben. Obwohl ich immer noch den Eindruck habe, dass meine Familie stark von meinem Ahnen geprägt war. Zumindest war das bis zum Tod meiner Großeltern so. Meine Eltern sin- ...waren da anderer Ansicht bezüglich Reinblütern und Muggelstämmigen, wenn du verstehst was ich meine."

In der gesamten Zauberer Welt war wohl nur allzu gut bekannt, dass Salazar Slytherin durch seine alleinige Akzeptanz von reinem Blut ein umstrittener Zauberer seiner Zeit war. Diese Einstellung hob ihn nämlich von den anderen drei Gründern ab und er distanzierte sich auch immer weiter von ihnen, bis er die gemeinsam gegründete Schule Hogwarts, nach einem verlorenen Duell gegen den Mitbegründer Godric Gryffindor, schließlich verließ. Selenas Familie teilte wie gesagt, bis auf ihre Eltern, diese Ansichten und wurden somit den Willen ihres Ahnen gerecht. Doch Selena selbst wusste nicht, wie ihre Einstellungen gegenüber Muggelstämmigen sein sollte. Einerseits hatten ihre Eltern ihr beigebracht, dass jeder Mensch gleich sei und nur weil man als einziger in der Familie zaubern kann, man noch lange nicht minderwertig behandelt werden sollte. Andererseits hatte sie die Muggel in dem Waisenhaus zu tiefst verabscheut. Niemand dort hat richtig verstanden, wie sie sich fühlte und in ihrer Anwesenheit waren sowieso alle immer kühl und abweisend gewesen, da in ihrem Umfeld immer merkwürdige Dinge geschahen.

Einmal war Selena zum Beispiel unglaublich wütend auf ihre Heimleiterin, weil sie sie für Dinge bestrafte, die sie gar nicht getan hatte und schwups...ein paar Sekunden später rutschte sie auf den letzten Stufen der Treppe aus und brach sich den Arm. Selena hatte es zuerst leidgetan, sie wusste, dass sie das war, schließlich war sie die einzige Hexe in diesem Haus und es verschwindet nicht einfach so eine Treppenstufe. Dann jedoch konnte sie nicht leugnen, dass sie ein gewisses Maß an Schadenfreude wahrgenommen hatte, denn es geschah ihr schon recht.

Selena schüttelt entschlossen den Kopf. Sie würde neutral an die Sache herangehen und einfach abwarten. „Du bist nicht dein Vorfahre Selena. Warte ab, es wird sich schon alles zu seiner Zeit zeigen", bestätigte Ryan plötzlich ihren Gedankengang und sie nickte ihm lächelnd zu. „Ich freue mich auch schon sehr", fügte sie dann noch an. „Es ist schon irgendwie aufregend an der Schule Magie zu lernen, welche dein Ahne erbaut hat. Außerdem weiß ich gar nicht so viel über Hogwarts. Laut meiner Eltern ist es ein großes, magisches Schloss, der Schulleiter ist Albus Dumbledore und die Schüler sind in vier Häuser eingeteilt, die die gleichen Namen wie wir tragen. Das war's auch schon. Meine Eltern waren ja selbst auch nicht dort, deswegen konnten sie mir nicht viel darüber erzählen."

„Bei mir war es ähnlich. Meine Eltern gingen auf eine Zauberer Schule irgendwo in Schweden, dort kannte man die Namen der Gründer nicht einmal. Muss wohl ziemlich von Vorteil für sie gewesen sein", merkte Ryan daraufhin an. „Denkst du wir werden in die Häuser mit unserem jeweiligen Namen eingetragen?" „Es wäre schon komisch wenn nicht, oder?", antwortete Selena stirnrunzelnd. „Aber versprich mir bitte, dass wir, auch wenn wir in getrennten Häusern sind, Freunde bleiben, ja Ryan?" „Bei der Ehre meiner Familie", schwor dieser feierlich und legte seine rechte Hand auf seine linke Hälfte der Brust. Selena wiederholte die Geste, brach aber kurz darauf in schallendes Gelächter aus. „Entschuldige, aber das sah urkomisch aus", brachte sie unter Tränen hervor und auch Ryan stieg mit ein.

Die Hüter (Harry Potter Universe FF)Where stories live. Discover now