Vorahnungen und Vorbereitungen

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„Und du bist wirklich eine Nachfahrin von Salazar Slytherin?" Selena nickte, während sie ihrem Vertrauensschüler in die Kerker folgten. Daphne war beeindruckt und gleichzeitig entdeckte Selena Ehrfurcht in ihrem Gesichtsausdruck. „Das ist echt verrückt! Ich meine, überleg doch mal, die Lehrer müssen dich mit Miss Slytherin ansprechen!" Sie kicherte.

„Das ist fast so, als wärst du die Prinzessin von Slytherin oder so", fügte sie noch an. „Sag das bitte nicht zu laut, nicht das jemand noch auf die Idee kommt mich wirklich so zu nennen", flüsterte Selena und schaute sich skeptisch um. Zum Glück liefen die meisten Schüler nicht so nah bei ihr, als das sie sie gehört haben könnten. „Also wenn ich du wäre, dann würde mir das sogar recht sein, wenn die Anderen mich so nennen würden. Ich meine, ich bin ja schon so stolz auf meine Abstammung, aber eine Erbin zu sein, das wäre schon was."

Daphne verschränkte ihre Arme hinter ihrem Kopf und lief verträumt weiter. Selena war froh, wenn sie sich nachher in ihrem Bett verkriechen konnte. So viel Aufmerksamkeit tat ihr gar nicht gut, das war sie einfach nicht gewohnt, weder als sie noch bei ihren Eltern lebte, noch als sie das Jahr im Waisenhaus verbracht hatte. Trotzdem war sie stolz darauf, dass ihr Vorfahre dieses Haus gegründet hatte. Sie würde sich wohl an Beachtung gewöhnen müssen. Naja, vielleicht hatte sie zu lang im Schatten ihrer selbst gelebt und sollte endlich mal anfangen richtig zu leben.

„Weißt du was Daphne, du hast Recht. Ich bin stolz darauf eine Erbin zu sein. Das heißt ja nicht gleich, dass man sich arrogant deswegen verhalten muss." Daphne stimmte ihr zu und legte ihr freundschaftlich einen Arm um die Schulter. „Ich denke, das wird ein magisches Schuljahr und nicht nur wegen der Magie, die wir hier praktizieren!" Selena lachte und zusammen legten sie den restlichen Weg hinunter in die Kerker zurück. Die Schülertraube stand nun vor einer Wand und sobald der Vetrauensschüler das Passwort „Reinblut" gesagt hatte, öffnete sich diese und gab einen schmalen, steinernen Durchgang frei.

Dieser führte zum Slytherin Gemeinschaftsraum, von welchem man wiederum auch in die Schlafsäle der Mädchen und der Jungen gelangte. Der Gemeinschaftsraum an sich war recht düster, aber Selena fühlte sich trotzdem wohl. Er entsprach ihrer eher ruhigen Persönlichkeit und war in den Farbtönen ihres Hauses gehalten.

Es gab einen großen Sitzbereich, gebildet aus zahlreichen Ledersofas, und das Slytherin Wappen hing in mehrfacher Ausführung an der Wand. Als sie die Treppen an der linken Seite des Gemeinschaftsraumes hinab gingen, fanden sie sich kurz darauf in einen Raum mit altertümlichen Himmelbetten, mit grünen Seidenbehängen und mit Silberfäden bestickten Decken wieder. Außerdem hatte dieser Raum zahlreiche Wandteppiche, die Geschichten berühmter Slytherins zeigten. Die Schlafsäle und der Gemeinschaftsraum lagen unterhalb des Großen Sees, weshalb das Wasser immer wieder gegen die Fenster der Räume plätscherte und man manchmal das ein oder andere magische Wesen vorbei schwimmen sah.

Es gab mehrere Schlafräume und Selena war froh, dass sie mit Daphne in einen kam. Dort schliefen noch vier weitere Mädchen, eines stellte sich ihnen als Pansy Parkinson vor, mit den anderen hatten sie sich noch nicht unterhalten. Als sie wenige Augenblicke später alle in ihren Betten lagen, fühlte sich Selena sich hier sehr wohl. Es kam ihr alles heimisch vor und der Gruppenzusammenhalt in Slytherin war nach ihrem ersten Eindruck besser, als andere Häuser es von ihnen dachten. Slytherin hatte einen schlechten Ruf, aber die Schüler verhielten sich so normal wie die anderen, wenn sie untereinander waren. Sogar Malfoy schien sich einzugliedern und nicht so ganz unausstehlich zu sein. In Spannung auf den morgigen Tag kuschelte sich Selena enger in ihre Decke und schleif kurz darauf ein.

Da war etwas. Etwas Dunkles, was über sie herfiel. Sie sträubte sich, sie kämpfte, aber es hüllte sie immer mehr ein. Der dunkle Rauch verzog sich zu schemenhaften bewegten Bildern, fast nur Schatten, die in der Dunkelheit umher irrten. Sie hörte Schreie. Viele laute, gequälte Schreie. Sie wollte sich die Ohren zuhalten, doch es brachte nichts. Als wären die Schreie in ihrem Kopf fest verankert. Ein Schatten trat zu ihr, schien mit ihr zu reden, doch seine Stimme hörte sie nicht. Nur die Schreie. Sie wollte das nicht, aber konnte es nicht verhindern. Sie wollte helfen, wusste aber nichts über die Gefahr, die sie bekämpfen musste. Sie wollte sie retten, kannte aber ihre Gesichter nicht. Nur Schatten, die wanderten, litten und sich in ihrem Kopf die Seele aus dem Leib schrien.

Ein Piepen drang an ihr Ohr, laut und schrill. Sie tastete neben sich auf ihre Kommode und nach einigem hin und her brachte sie ihren magischen Wecker, den sie am Abend zuvor gestellt hatte, zum Schweigen. Daphne im Bett neben ihr rollte sich murrend zur Seite und hatte sich ein Kopfkissen über die Ohren gelegt. Selena blinzelte und musterte die Decke bis sie einigermaßen bei Sinnen war. Was für ein eigenartiger Traum das gewesen war. Irgendwie war sie mitten im Geschehen gewesen und trotzdem weit davon entfernt. Irgendwie distanziert.

Naja, nur ein düsterer Traum. Man sollte dem keine große Bedeutung zumuten. Sie schlug die Decke beiseite und hüpfte geradezu aus ihrem Bett. Heute war ihr erster richtiger Tag in Hogwarts und den wollte sie schon früh genießen. Sie ging zu Daphne, rüttelte diese einmal kurz durch bis sie sicher war, dass Daphne nicht wieder einschlafen würde, schnappte sich ihren Zauberstab und ihren Slytherinumhang und machte sich dann als Erste ihres Schlafraumes auf zum Bad.

Sie machte sich ein wenig frisch und zog sich anschließend um. Ihren Zauberstab ließ sie in ihrer Umhangtasche verschwinden. Zurück im Zimmer warf sie einen Blick auf den Stundenplan, welcher auf ihrem Nachttisch lag. Heute hatte sie Zaubertränke mit ihrem Hauslehrer, welcher, wie sie von älteren Mitschülern bereits erfahren hatte, Professor Snape hieß, Verwandlung mit Professor McGonagall und Kräuterkunde mit Professor Sprout, laut ihren Informationen die Hauslehrerin von Hufflepuff.

Alle Fächer hatte sie gleich mal als Doppelstunde, das hieß, nach Verwandlung hatte sie Mittagspause. Sie schnappte sich ihre Umhängetasche, stopfte ihre Bücher der heutigen Fächer, Pergament, Federkiel und Tintenfass hinein, und teilte Daphne kurz mit, dass sie in der großen Halle auf sie warten würde. Diese nickte nur verschlafen und gähnte mehrmals, ehe sie sich auf den Weg ins Badezimmer machte.

Selena ging vom Kerker aus auf schnellstem Wege in die große Halle und stellte fest, dass diese noch sehr rar besucht war. Die meisten Schüler standen wohl nicht so früh auf. Sie setzte sich an den Slytherintisch und beschloss sich noch ein wenig mit der Wissenschaft der Zaubertränke auseinanderzusetzen, um sich im späteren Unterricht bei Fragen melden zu können. Sie schlug also ihr Zaubertrankbuch „Zaubertränke und Zauberbräue" von Arsenius Bunsen auf und aß während sie las einen Toast mit Marmelade.

So bemerkte sie auch gar nicht, wie die Halle voller wurde und immer mehr Schüler sich ihrem Frühstück widmeten. „Hey", meinte dann nach einiger Zeit Daphne, welche sich kurz darauf neben sie setzte. Sie schnappte sich ebenfalls etwas zu essen. „Denkst du, er fragt uns gleich in der ersten Stunde was ab oder warum hängst du jetzt schon an diesem Buch, so als wäre es das spannendste auf der Welt?", fragte sie Selena amüsiert. „Erstens: Ob du es glaubst oder nicht, aber es ist tatsächlich unglaublich spannend. Und zweitens: Ich will einen guten Eindruck machen und Punkte für unser Haus sammeln. Ich würde dir dasselbe empfehlen", antwortete die Angesprochene ohne ihren Blick zu heben. „Oh Gott, ich hab mich mit einer Streberin angefreundet", meinte Daphne gespielt schockiert und seufzte theatralisch. Selena warf ihr nur einen 'Dein-Ernst'-Blick zu und schüttelte den Kopf. „Nur weil man lernt, ist man noch lange kein Streber."

„Ja, stimmt schon, aber gleich am ersten Tag? Komm doch erstmal richtig hier an!" Selena verzichtete auf eine andauernde Diskussion und klappte das Buch zu. „In Zukunft kannst du mich nicht davon abhalten", meinte sie mit erhobenen Finger und grinste Daphne an. Diese erwiderte das und sie beide widmeten sich ihrer Mahlzeit. Ein paar Minuten später wurde Selena überrascht, als sie das Schlagen zahlreicher Flügel hörte.

Viele Eulen flogen in die Halle und brachten sie Post. Black Angel brachte ihr eine Ausgabe des heutigen Tagespropheten von Ryans Eltern bzw. ihren Adoptiveltern und sie überflog schnell die Titelseite. „Hier steht, dass in das Verlies 713 in Gringotts eingebrochen wurde", meinte sie stirnrunzelnd zu Daphne. „Wirklich? Und ich dachte, Gringotts wäre einbruchssicher." „Dachte ich auch und das Komische ist, dass das Verlies leer war." Das war verwirrend, aber anscheinend musste es jemand vor dem Einbruch gelehrt haben. „Naja", meinte Selena schließlich und stopfte ihren Tagespropheten in ihre Tasche. „Lass uns zu Zaubertränke gehen, nicht, dass wir noch zu spät kommen." Daphne rollte mit den Augen und grinste, folgte ihr dann aber hinunter in die Kerker.

Die Hüter (Harry Potter Universe FF)حيث تعيش القصص. اكتشف الآن