(6) Was willst du?

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Alles war in ein gelb-oranges Licht getaucht. Es war sehr warm, fast schon heiß. Ein beißender Geruch füllte die Luft.
Wassereimer wurden hektisch hin und her gereicht.
Anweisungen wurden herumgeschrien, Gegenstände flogen durch die Gegend.
Der Lärm von kämpfenden Wikingern und Drachen machte es fast unmöglich, sein eigenes Wort zu verstehen.
Doch es kämpften nicht nur Wikinger und Drachen gegeneinander, sondern auch Wikinger gegen Wikinger.
Ein großer, stämmiger Mann mit einem langen und breiten roten Bart kämpfte mit einem anderen.
Sie kämpften so verbittert, dass sie den Drachen, der auf sie zielte, nicht wahrnahmen.
Dann passierten mehrere Dinge gleichzeitig; der rotbärtige Wikinger wurde entwaffnet, aber nicht getötet. Er hingegen packte sein Gegenüber und schleuderte es auf das Maul des Drachens zu, welcher in diesem Moment Feuer spie.

Ein erstickter Schrei war zu hören. Der Wikinger drehte sich um und warf eine auf dem Boden liegende Axt in die Richtung, aus der der Schrei kam.
Dann widmete er sich einem anderen Kampf gegen einen Drachen.
Die Gestalt, die er mit der Axt getroffen hatte, beachtete er nicht weiter.
Sie stand schwankend auf und drückte mit der einen Hand ein Bündel ganz fest an sich.
Mit der anderen fasste sie sich ans Bein, dann humpelte sie (so schnell es ging) in den Wald.

Hicks wachte schweißgebadet auf.
Der Albtraum war ihm so real, so vertraut vorgekommen.
Sein Drache sah ihn besorgt an.
„Ist alles gut, mein Freund. Ich hatte nur einen Albtraum."
Er versuchte aufzustehen, stieß jedoch mit dem Kopf gegen eine Steinwand. Mit schmerzendem Schädel sah er sich um.

Sie befanden sich in einer Felsspalte, ungefähr zehn Meter überm Meer.
Anscheinend hatten sie den Sturm überlebt, dafür aber keine Ahnung, wo sie waren.
Hicks ging geduckt zu seinem Kumpel, um dich dessen Prothese anzusehen.
„Tja, der Stoff ist erstmal hin... vielleicht finde ich, wenn ich nach oben klettere, etwas, womit ich es reparieren kann..."
Er setzte sich neben Ohnezahn, sprang aber gleich wieder auf.
„Wo ist das Mädchen mit der Maske hin?"

Etwas später kletterte er die Klippe, bei der sich die Felsspalte befand, hoch.
Es war nicht so schwer wie es aussah, überall waren kleine Vorsprünge oder Ritzen, an denen man sich festhalten konnte.
Als Hicks an einem ein bisschen größeren Vorsprung ankam, bemerkte er, dass dort etwas lag.
Er griff danach.
Dann wäre er fast heruntergefallen, denn es war eine schwarze Maske.

Eine Weile saß er am Rand der Klippe und betrachtete die Maske.
Sie war schwarz, mit vielen kleinen Verzierungen. Bei genauerem Betrachten glitzerte sie leicht. Das Material war schwer zu bestimmen, wahrscheinlich Holz, verstärkt mit... irgendwas.
Seufzend steckte Hicks die Maske weg und machte sich auf die Suche nach Material für Ohnezahns Schwanzflosse.

„So, das sollte erstmal halten, auch wenn es nicht schön aussieht." Der Nachtschatten betrachtete ungläubig sein Schwanzende, dann warf er Hicks einen das-ist-aber-hoffentlich-nicht-dein-Ernst-Blick zu. Sein Reiter lächelte ihn entschuldigend an.
„Es gab nichts anderes als Pflanzen. Also habe ich die stabilsten Blätter genommen, die ich finden konnte."
Wenig begeistert ließ der Drache Hicks aufsteigen.
Das Wichtigste war, dass er wieder fliegen konnte.

Was den Erfolg der Reparatur betrifft, kann man sagen, dass es gerade so für eine Bruchlandung auf der Klippe gereicht hat.
Zu Fuß machten sich Reiter und Drache auf die Suche nach dem Mädchen.
Nach einer ganzen Weile Fußmarsch hatte sie immer noch nichts gefunden.
Frustriert trat Hicks gegen einen Felsen. Er hielt inne, denn es klang so, als wäre der Felsen hohl.
Aber er hatte sich zu früh gefreut; es gab keine Öffnung.
Enttäuscht lehnte er sich gegen einen Baum und wäre fast der Länge nach auf den Boden gefallen, hätte Ohnezahn ihn nicht aufgefangen.
„Danke Kumpel... sieht so aus, als hätten wir ihr Versteck gefunden... und der Eingang ist ein falscher, steinerner Baum."
Hicks machte einen Schritt in die vermeintliche Höhle und verlor den Boden unter den Füßen.
Der Tunnel, durch den er rutschte, endete tatsächlich in einer Höhle.

„Ohnezahn, könntest du ein bisschen Licht machen?"
Von der Höhle führten zwei Gänge weg. Hicks entschied sich für den linken.
Dieser führte in eine sehr große Höhle, die ein paar Löcher in den Wänden hatte, wodurch es relativ hell war.
In dem großen Raum stand ein Tisch, einige Stühle, mehrere Kisten und in die Wand war ein Regal geschlagen.
Von hier aus konnte man in zwei weitere Höhlen gelangen.
Aus einer von ihnen hörte man Plätschern, wie von einem winzigen Wasserfall.
Hicks wollte gerade dorthin gehen, als ein Knurren ihn erstarren ließ.
Keinen Augenblick später spürte er etwas Kaltes an seinem Hals.
Er blickte geradewegs in ein paar wütende, grün-blaue Augen.

„Was machst du hier?"
„Ich...ich...ähh..."
Er versuchte, unbemerkt ein Handzeichen zu seinem Drachen zu machen. Das war ein Fehler.
„AU!"
„Was macht ihr hier?"
„Wir haben dich gesucht..."
„Warum?"
„Weil...Weil... weil du nicht da warst, als...Ähm..."
„Ja?!"
„Als ich aufgewacht bin."
„Und weshalb geht es dich etwas an, wo ich bin?"
„Ich wollte wissen, warum du gejagt wirst... und wieso du verschwunden warst, als dich die Drachenjäger gefangen hielten."
„Das geht dich nichts an."
„Warum bist du immer so abweisend? Etwas Vertrauen könnte dir nicht schaden."
„Vertrauen muss man sich verdienen. Das bekommt man nicht einfach so."
„Das weiß ich! Und vermutlich sogar besser als du! Denkst du, es ist einfach, sich das Vertrauen eines Drachen zu verdienen, wenn man sie jahrelang bekämpft hat?"
„Nein, zufälligerweise haben ich und auch meine Vorfahren nie gegen Drachen gekämpft!"
Hicks wusste kurzzeitig nicht, was er sagen sollte.
„Wenn ich es könnte, würde ich meine Vergangenheit ja auch ändern... zumindest einen Teil davon."
„Wir können unsere Vergangenheit nicht ändern, aber wir können beweisen, dass wir uns geändert haben, dass wir aus unseren Fehlern gelernt haben."
„Das habe ich! Vertrau mir! Bitte..."
„Aber auch ich habe aus meinen Fehlern gelernt, Wikinger."
Sie ließ die Axt, mit der sie Hicks bedrohte, etwas sinken.
„Was meinst du damit?"
„Was ich damit meine? Müsstest du das nicht wissen?"
„N-n-nein... ich... ich weiß nicht im Geringsten, was du meinst."
Er glaubte, in ihren Augen kurz etwas wie Trauer und Unglauben zu sehen, aber er war sich nicht sicher.
Dann nahm sie ihre Axt, drehte sich rasch um und ging.

Hicks stand verwirrt an der Höhlenwand und versuchte, die Informationen, die er erhalten hatte, zu verarbeiten.
Schlagartig wurde ihm bewusst, dass er sie gerade ohne Maske gesehen hatte. Doch auf ihr Gesicht hatte er nicht geachtet.
Sich innerlich verfluchend lief er, gefolgt von Ohnezahn, los, um sie zu suchen.
Er fand sie in der Höhle mit dem kleinen Wasserfall.
Hier standen Krüge in verschiedenen Größen und Formen, ein Hocker und ein Waschbrett. Auch war ein Regal in die Wand gemeißelt, wo sich Seife, Kamm und ähnliches befand.
Ein undurchsichtiger Vorhang trennte die Höhle in zwei Teile.
Die Gesuchte saß auf dem Hocker und füllte Wasser in Gefäße.
Sie hatte ihre Kapuze zurückgeklappt und damit den Blick auf ihre rot-braunen
Haare ermöglicht.
Als sie Hicks bemerkte, konnte sie dem Drang, ihm den Wasserkrug überzukippen, kaum widerstehen.
„Was willst du jetzt schon wieder?"

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Danke fürs Lesen!
Bleibt bitte auch weiter dabei!

Sternenfluch - Auf den Spuren der RätselWhere stories live. Discover now