(30) Planlos

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Astrid

Platsch.
Platsch.
Platsch.
In regelmäßigen Abständen warf Rotzbakke die Steine, die er bei unserem letzten Lager aufgesammelt hatte, ins Meer.
Trotz des spärlichen Mondlichts konnte man seinen gelangweilten Gesichtsausdruck erkennen.
Er griff erneut in seinen Beutel.
„AAAAAAHHHHH!! AUAUAUAU!"
Augenblicklich war die schläfrige Atmosphäre zerstört und alle starrten ihn an, als er seine Hand aus dem Beutel nahm.
An seinem Zeigefinger baumelte ein Krebs, der nicht gewillt war, seine Beute so schnell wieder loszulassen.
Links hinter mir hörte ich leises Gekicher und ein leises Klatschen, als die Zwillinge abschlugen. Unnötig zu erwähnen, wer den Krebs zwischen Rotzbakkes Steine gelegt haben musste.
Dieser fuchtelte mit seiner Hand so wild herum, dass der Krebs schließlich doch losließ und durch die Luft geschleudert wurde.
Ich duckte mich schnell unter dem fliegenden Meeresbewohner weg, der mein Gesicht nur ganz knapp verfehlte.
Kaum dass ich wieder aufrecht saß, ertönte aus der Richtung, aus welcher soeben noch Gekicher gekommen war, ebenfalls ein Aufschrei.
„Weg von meiner Nase!"
Der Krebs dachte nicht mal daran, sondern schien nochmal extra fest zu zwicken.

Ich hatte mir wirklich Mühe gegeben, aber als selbst Hicks anfing zu grinsen, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Die Anderen stimmten in mein Lachen mit ein.

Wir waren jetzt seit einer Woche unterwegs.
Das heißt, unser Wiedersehen mit dem großen Überwilden liegt schon fünf Tage zurück. Und wir waren noch immer kein Stückchen mit der Entschlüsselung des neuen Rätsels vorwärtsgekommen.
Denn das war es, was sich auf unserer neuesten Errungenschaft befand; ein Rätsel. Zu allem Überfluss war es aber noch unverständlicher als die davor.
Nicht einmal Hicks hatte den Hauch einer Ahnung, wo wir anfangen könnten. Und Moira... Ich weiß nicht. Man hätte fast schon meinen können, sie hätte sich unserem Team angeschlossen. Und dann, von heute auf morgen, war sie plötzlich wieder ein Buch mit sieben Siegeln.
Keine Ahnung, warum.

Bei den Schneegeistern war noch alles in Ordnung gewesen.
Sie hatte die Kiste aufgehoben, das darauffolgenden Knurren einfach ignoriert und dann mithilfe verschiedenster Kombinationen den Deckel geöffnet. Die ganze Zeit über hatte der Eisgeist geknurrt, aber dabei war es auch geblieben. Er war nichtmal lauter geworden.
Das war auch nicht nötig, wie sich gleich darauf feststellte, denn das Knurren war nur nochmal eine Art Prüfung gewesen.
Eine sehr simple, aber nichtsdestotrotz praktische Prüfung; es ging nicht darum, dass man die Kiste nicht berühren durfte, sondern darum, einfach zu tun, was in diesem Moment nötig war, Konsequenzen hin oder her. Dickköpfigkeit musste wohl eines der Merkmale von Menschen sein, die eine Seelenbindung mit ihrem Drachen hatten.
Vielleicht war Moira deshalb jetzt auch so komisch. Unbeabsichtigt hatte sie uns einen Einblick in ihre wahre Persönlichkeit gegeben.
Auch wenn es nur ein klitzekleiner Teil war. Aber vielleicht machte ihr das Angst. Bisher hatte sie kaum etwas von sich preisgegeben, wir wissen lediglich, dass sie von Drachen aufgezogen wurde, Nachtblitz gerettet und daraufhin eine Seelenbindung mit ihr eingegangen war, Drachenjäger hasst und ihnen das Leben schwer macht, aus einem Drachen sympathisierendem Stamm stammt und ziemlich kreativ ist, wenn es darum geht, sich Ärger vom Hals zu halten. Das war's aber auch schon. Viel unpersönlicher geht es kaum noch, wenn man seit einer Woche nach Pergamentstücken sucht, um irgendeine Flamme zu retten.
Sie sagte nie etwas über ihre Gedanken, ohne vorher jedes Wort dreimal abzuwägen, und selbst dann hielt sie sich kurz.
Hätte Hicks mir nicht den kleinen Zettel in die Hand gedrückt, den er anscheinend aus Moiras Altem Notizbuch gerissen hatte, dann hätte ich jetzt doch angefangen, ihr zu misstrauen. Ich weiß selbst nicht, warum ich ihr anfangs kein Misstrauen entgegengebracht habe, obwohl ich das sonst bei so gut wie jedem Unbekanntem tue. Vielleicht lag es daran, dass sie genauso wie wir Drachenjäger bekämpfte und somit fast schon eine von uns war, oder es lag daran, dass sie uns anfangs misstraute. Oder vielleicht an beidem. Oder an etwas ganz anderem. Ich weiß es einfach nicht.

Sternenfluch - Auf den Spuren der RätselWhere stories live. Discover now