Der Tag begann normal...

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Ich warf einen kurzen Blick auf meine Armbanduhr und stellte zufrieden fest, dass ich mich nicht zu beeilen brauchte. Ich würde noch rechtzeitig zu der Party von meiner besten Freundin kommen, welche ihren 18ten Geburtstag feierte. Sie wohnte im Nachbarort und ich hatte beschlossen zu Fuß die drei Kilometer zu gehen. Wenn ich mich warm genug anzog, ging das schon.
Außerdem war es bestimmt herrlich mitte Oktober durch den Wald zu stapfen.

Es dämmerte bereits, als ich bei ihr Zuhause ankam. Ich war eine der ersten Gästen und nach und nach kamen auch die anderen und die Party konnte beginnen.

Die Party war bereits mehrere Stunden im Gange, als ich gewisse blonde Haare wahrnahm. War das möglich, dass sie meinen Schwarm auch eingeladen hatte? Als er sich plötzlich umdrehte, hatte ich meine Bestätigung und drehte mich schnell weg.

Wieso hatte Lisa mir nicht davon erzählt? Sollte das etwa eine Überraschung werden?

Die ganze Party über spähte ich immer heimlich zu ihm herüber. Doch auf einmal war er weg. Wahrscheinlich ist er schon nach Hause gegangen, es war auch schon kurz nach drei Uhr morgens. Ich entschloss mich ebenfalls auf den Weg zu machen, verabschiedete mich von meinen Freundinnen und bedankte mich bei Lisa für die schöne Party.

Als ich nach draußen trat, wehte mir ein kalter, starker Wind um die Ohren. Schnell streifte ich mir meine schwarze Mütze über die Ohren und beschleunigte meine Schritte, um möglichst bald in den Wald zu kommen, wo ich dann etwas geschützt durch die Bäume sein würde.

Der Wind wurde immer stärker und stärker und ich hatte Mühe vorwärts zu kommen.

Endlich erreichte ich den Wald, doch es wurde nicht viel ruhiger. Doch ich kämpfte mich immer weiter, ich wollte schließlich heute noch zuhause ankommen. An diesem Tag ärgerte ich mich zum ersten mal, dass der Wald so riesig war.

Bereits nach einem Viertel des Waldes versagte mein Kraft und ich sank erschöpft zu Boden. Es war einfach unmöglich bei diesem Sturm, der da tobte, den Wald verlassen zu können.

Ein lautes Krachen ließ mich zusammen zucken und erschrocken aufschauen. Vor mir stand ein Riese. Also eigentlich bloß ein sehr großer Mensch, der seine Kaputze so weit ins Gesicht gezogen hatte, dass man nur etwa ein Drittel davon sehen konnte.

Wer zum Teufel war das denn? Aber zugleich freute ich mich, dass ich nicht allein bei diesem Unwetter im Wald sein musste. Aber was wenn es ein böser Mensch war? Ein richtig gefährlicher?

"Ist alles in Ordnung bei dir?", vernahm ich plötzlich eine durchaus bekannte Stimme, aber erstarrte dennoch.

Es war Alex, mein Schwarm. Was für ein Zufall.

"Ja, ich wäre gerne Zuhause, aber sonst ist alles okay und bei dir?", antwortete ich ihm.

Er lachte kurz auf, ehe er wieder ernst wurde.

"Ich glaube jeder wäre jetzt gerne Zuhause", erwiderte er und nun erkannte ich auch sein Gesicht.

"Stimmt", meinte ich und ich spürte einen kalten Schauer meinen Rücken hinunter laufen und erschauderte.

"Ist dir kalt?", wollte Alex besorgt wissen.

Huch, so kannte ich ihn ja gar nicht. Aber er hatte recht. Mir war kalt und wie. Also nickte ich.
Er beugte sich zu mir herunter und schlang seine Arme um meinen Körper und zog mich hoch. Sofort spürte ich seine Wärme, aber das lag wahrscheinlich daran, dass ich Gefühle für ihn hatte, aber egal.

Seitdem er da war fühlte ich mich wieder sicherer. Allerdings würde ich ihn lieber in einer anderen Situation treffen.

Wir standen eine Weile so da, bis Alex das Schweigen brach.

"Wir müssen versuchen unsere Eltern Bescheid zu sagen, dass sie sich keine Sorgen machen müssen. Denn hier kommen wir bei dem Sturm nicht raus", sagte er.

Was? Auch wenn ich mir bereits bewusst war, dass wir die Nacht über im Wald verweilen mussten, schockte es mich dennoch, es aus seinem Mund zu hören.

"Hey, es ist alles gut, du brauchst keine Angst zu haben!", versuchte Alex mich zu beruhigen, als er meinen Gesichtsausdruck sah.

Ich schluckte und nickte tapfer, während ich mein Smartphone aus der Jackentasche holte und die Nummer von Zuhause wählte. Es dauerte nur wenige Sekunden bis meine Mum abnahm.

"Hallo Mama, ich wollte nur sagen, dass alles okay ist, ich bin...", begann ich.

Tuut Tuut

Also ob meine Mama einfach aufgelegt hatte. Mit zitternden Händen sah ich zu Alex.

"Ruf nochmal an!", sagte er bestimmt, doch seine Stimme zitterte etwas, was dazu führte, dass ich noch unsicherer wurde, als zuvor schon.

Dennoch klickte ich nochmal auf die Anruftaste, doch zu meinem Entsetzen musste ich feststellen, dass die Leistung tot war, auch mit meinen Mobilen Daten konnte ich nichts anfangen.

Wieso musste ausgerechnet jetzt die Leitung tot sein? Warum ausgerechnet jetzt? Meine Unterlippe begann verdächtig zu zittern und schon bald liefen die ersten Tränen über meine Wangen. Es war unmöglich sie zurück zu halten.

"Kaja, wein doch nicht, es wird alles gut, glaub mir!", meinte Alex und seine Stimme klang wieder zuversichtlich.

Ich wollte etwas erwidern, doch meine Stimme versagte. Ich spürte wie er die Arme um mich legte und mich sanft an seinen Körper drückte.

"Wir schaffen das!", beschwichtigte er mich. "Aber nur gemeinsam!"

"Du hast ja recht", meinte ich mit zitternder Stimme und löste mich, peinlich berührt, von ihm.

Wieso musste ich auch ausgerechnet vor meinem Schwarm heulen?

"Hey, schau her", zwang mich Alex und drehte mein Gesicht vorsichtig zu seinem.

Jetzt trennten nur noch wenige Zentimeter unsere Lippen voneinander und ehe ich betreten wegschauen konnte, spürte ich seine weichen Lippen auf meinen.

Als ich den Kuss nicht erwiderte, ließ er schnell wieder von mir ab und sah mich seltsam an.

Hoffentlich war er jetzt nicht sauer. Ich begann einen Fuß vor den anderen zu setzen, bloß weg von ihm. Warum ich das tat wusste ich nicht. Ich wusste momentan gar nichts mehr. Ich hatte keinen blassen Schimmern was mit mir los war.

Plötzlich rannte ich los, immer schneller und schneller. Doch wie es kommen musste, stolperte ich und knallte der Länge nach hin. Mein Kopf fiel auf etwas hartes, aber irgendetwas federte den Sturz.

"Kaja?", hörte ich ihn rufen und seine Stimme klang ernsthaft besorgt.

"Ich bin hier", rief ich zurück.

"Was machst du für Sachen?", fragte Alex und kniete sich besorgt neben mich.

"Ich weiß nicht, ich war irgendwie total überfordert", murmelte ich.

Wortlos setzte er sich neben mich und hielt mich mir seinem kräftigen Armen fest. Ich schmiegte mich an ihn und so saßen wir die ganze Nacht da und wärmten uns gegenseitig.

Es ging gerade die Sonne auf, als ich aufwachte, ich war doch tatsächlich in Alex Armen mitten im Wald eingeschlafen.

"Hey Süße, hast du gut geschlafen?", fragte er leise.

Ich nickte und drehte mich so, sodass ich ihm in die Augen sehen konnte.

Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und ich erwiderte es schüchtern. Dann näherte ich mich seinem Gesicht, insbesondere seinen Lippen und drückte sie sanft auf die seinen.

Vorsichtig erwiderte er den Kuss und schlang die Arme fester um meinen Körper. Ich tat es ihm gleich und drückte ihn fest an mich.

Als der Sturm sich wieder gelegt hatte, machte wir uns auf den Weg nach Hause und er brachte mich bis vor die Haustür. Dort verabschiedeten wir uns mit einem Kuss und dann betrat ich das Haus.

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