Lichter der Stadt

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„Hey.",sagt Patrick leise, um Christian nicht zu erschrecken. Dieser sitzt mit einem Bier in der Hand auf der Dachterrasse des Hotels und dreht seinen Kopf über seine Schulter, um zu Patrick blicken zu können, der auf ihn zukommt.
„Ich habe leider nur ein Bier.",gibt er zurück und begrüßt Patrick mit einem Handschlag, der danach lächelnd abwinkt und sich ein Stuhl neben Christian zieht.
Seufzend lässt er sich darauf nieder. Der Tag hat ihn fertig gemacht und der wenige Schlaf der letzten Nacht macht sich bemerkbar. Trotzdem legt er sich nicht hin. Zur Ruhe würde er sowieso nicht kommen.
„Selten dich nach einem Konzert noch wach zu sehen.",fängt Christian ein Gespräch an und blickt zu Patrick, der kurz nickt.
Christian braucht danach immer noch ein Bier. Regelmäßig zieht er sich danach zurück, ist dabei aber meist alleine.

Es ist noch angenehm warm, obwohl es bereits 1 Uhr Nachts ist. Der Himmel ist klar und die Lichter der Stadt funkeln in allerlei Farben unter ihnen.
„Bist du zufrieden mit dem Konzert?"
Patrick lächelt. Ja, das ist er.
„Ja. Die Stimmung war super und es hat wirklich Spaß gemacht.",antwortet er und legt seine Beine auf einen kleinen Hocker. Seine Arme verschränkt er vor seinem Körper. Er ist froh nicht alleine zu sein. Seine Gedanken schleichen sich nach vorne und hätte er gerade keine Ablenkung, würde er ihnen wahrscheinlich schon lange nachgehen.
Gedankenverloren blickt er auf die Lichter in der Ferne. Auf den Straßen ist noch ein wenig Verkehr. Köln schläft nicht. Das Nachtleben beginnt erst. Für Patrick und die Jungs wird es aber schon Morgen früh weitergehen und Patrick hofft inständig, dass er selbst nicht fahren muss und so noch etwas Schlaf abbekommen würde.

„Okay, worüber denkst du nach und warum schläfst du nicht?"
Patrick schaut zu Christian, der ihn kritisch mustert.
„Ich wollte dir einfach ein wenig Gesellschaft leisten.",gibt er zurück und blickt wieder auf die Stadt.
„Bullshit, Paddy."
„Dann frag nicht.",gibt Patrick ein wenig harscher zurück, als es ursprünglich beabsichtigt ist. Christian ist über diese Aussage irritiert. Er hat nicht mit einer solchen Antwort gerechnet und richtet seinen Blick nun auch auf die Stadt. Im Augenwinkel sieht er, wie Patrick aufsteht und zum Geländer läuft.
„Sorry, ich habe nicht sonderlich viel geschlafen.",entschuldigt er sich leise bei seinem Kumpel.
Christian nimmt einen weiteren Schluck, stellt das Bier zur Seite und steht schließlich seufzend auf.
„Leg dich einfach hin und versuche zur Ruhe zu kommen. Sonderlich viel Schlaf wirst du auch auf der Autofahrt nicht bekommen.",rät Christian,während er sich neben Patrick stellt, der auf die Stadt hinunter blickt und leicht nickt.
Er schluckt, bevor er leise zu einer Antwort ansetzt.
„Ich habe ein wenig Angst zu schlafen.",gibt er zu.
Er hat Angst vor dem Traum. Angst davor, dass dieser ihn wieder aus der Bahn schmeißt. Nur das kann er Christian schlecht erklären.
„Okay, du bist deutlich übermüdet.",erwidert er.

Patrick nickt ergeben, dreht sich um und setzt sich wieder auf den Stuhl.
Es soll ihm recht sein, dass Christian nicht weiter darauf eingegangen ist.
Er blickt auf seine Hände.
Vielleicht ist es nicht der Traum vor dem er Angst hat. Vielleicht ist es auch bloß die Erkenntnis am nächsten Morgen, dass sie nicht mehr da ist, nie wieder an seiner Seite sein wird, die ihm Angst macht.
Ein kalter Windhauch bringt Patrick wieder ins hier und jetzt. Er schaut zu Christian auf, der immer noch am Geländer steht und Patrick mustert. Er kann nicht zuordnen, ob wirklich etwas in ihm vorgeht oder ob er einfach nur müde ist.
„Willst du reden?",harkt er vorsichtig nach und setzt sich selbst wieder hin.
Patrick schüttelt den Kopf.
„Wahrscheinlich wäre es Sinnvoll, aber es geht einfach nicht."
„Ich höre dir immer zu, das weißt du."
Patrick nickt, während er seinen Blick wieder auf seine Hände richtet und diese knetet.

„Es geht schon. E..es ist nur gerade alles etwas...viel.",erwidert Patrick. Er spürt weiterhin den Blick von Christian auf sich.
„Du warst bei deiner Schwester, oder?"
Wieder nickt er, schaut jedoch nun zu Christian auf. Er weiß nicht, worauf er hinaus möchte.
„Hast du mit ihr darüber gesprochen?"
Patrick zögert.
„Gesprochen nicht, aber sie weiß es. Sie kennt mich.",nuschelt er.
Er möchte niemanden mit seinen Gefühlen auf die Nerven gehen. Solange er funktioniert und nicht komplett den Verstand verliert ist schließlich alles gut.
„Ich glaube ich sollte wirklich schlafen gehen.",bricht Patrick die Stille und steht auf.

Er verlässt die Terrasse ohne ein weiteres Wort und es dauert nicht lange, bis er wieder in seinem Zimmer steht.
Unentschlossen.
„Meine Güte. Es ist nur ein Traum.",sagt er zu sich selbst und lässt sich auf der Bettkante nieder. Sein Blick gleitet zu seinem Handy. Es liegt auf dem Nachttisch und leuchtet immer wieder auf. Er hatte es heute Mittag im Hotel liegen lassen.
Seufzend greift er danach und noch bevor er seine Nachrichten abchecken kann, ruft Jimmy an.
Patrick zögert kurz. Soll er ihn einfach wegdrücken, ignorieren oder doch ran gehen?
Er entscheidet sich für letzteres und nimmt den Anruf seines Bruders entgegen.
„Was ist los?",harkt Patrick sofort nach, während er bloß ein erleichtertes seufzend auf der anderen Seite hört. Es ist Patricia.
„Wozu hast du eigentlich ein Handy?",wirft sie ihrem kleinen Bruder belustigt vor.
„Warum hast du Jimmys Handy",stellt Patrick die Gegenfrage.
„Ich habe meins irgendwie verlegt. Wie geht es dir?"

Patrick schweigt und drückt seine Schwester schließlich weg. Er ist genervt. Sie macht sich bloß Sorgen, trotzdem versteht sie einfach nicht, dass ihn diese Frage noch mehr aus der Bahn wirft.
Schnell macht er sich fertig, schaltet sein Handy aus und legt sich unter die Decke, bevor er das kleine Licht ausschaltet und nun an die schwarze Decke blickt. Er will überhaupt nicht wissen wie viel Uhr es mittlerweile ist.
Nachts werden die Gefühle klarer. Wahrscheinlich ist es auch das, was diesen Traum ins Leben ruft. Seine Gefühle. Die Gefühle, die sonst keinen Weg aus seinem Kopf finden. Und wenn, dann unkontrolliert.
Er seufzt und streicht sich einmal über sein Gesicht. Er kann doch jetzt keine Angst vor dem schlafen bekommen.
Kopfschüttelnd schließt er die Augen und kuschelt sich in die leichte Sommerdecke, die über seinem Körper ruht.

Ein letzter Gedanke geht an den heutigen Tag. Das Konzert. Die lustige Runde und das Gespräch mit Christian. Er lächelt. Es ist ein ehrliches Lächeln und mit diesem schläft er auch ein.

Gegen den VerstandWhere stories live. Discover now