Kapitel 23

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  Nachdem Essen verschwinde ich schnell auf der Toilette. Schliesslich muss ich mein Essen loswerden, sonst hat Aly keine Freude! Ich will sie nicht noch wütender machen, wer weiss zu was sie alles fähig ist! Sobald ich die Toilettentür geschlossen habe, beuge ich mich über die Toilettenschüssel. Soll ich es wirklich tun? 

Ja, ich muss es tun! Ich stecke mir den Finger in den Hals und übergebe mich. Ich wiederhole es so oft, bis sich wirklich nichts mehr in meinem Magen befindet. Ich fühle mich frei. Mit einem lächeln auf den Lippen, weil ich es tatsächlich geschafft habe, verlasse ich die Kabine. Nachdem ich mir die Hände gewaschen habe, kehre ich zu meiner Familie zurück. Ich setze mich zurück an meinen Platz. Alle sind in einem Gespräch. Langsam merke ich, wie müde ich tatsächlich bin. "Ich will ein Bier!", ruft Mom plötzlich laut. "Das geht nicht, Alkohol verträgt sich nicht gut mit deinen Medikamenten. Ich muss es dir leider verbieten.", meint Nick streng. "Ich muss schnell auf die Toilette.", meint Nick an uns gerichtet und geht. "Ich muss kurz telefonieren.", sagt Jack und verschwindet ebenfalls. "Hat dir Nick schon von seinen Plänen für morgen erzählt?", fragt mich Mason interessiert. Ah ja, morgen ist ja mein Nick-Tag, den ich mit ihm verbringen werde um ihn besser kennen zu lernen. Ich weiss noch nicht, ob das eine gute Idee war, diesem Kennenlern-Experiment zuzustimmen, was wenn sie dadurch herausfinden, dass ich komisch bin? Was wenn sie merken wie hässlich und dumm ich bin? Was ist, wenn sie sich sogar schämen, mit mir sich in der Öffentlichkeit zu zeigen?!

Ich werde leicht angestupst. Hoppla, ich habe Mason noch keine Antwort gegeben! "Eh nein, hat er nicht.", antworte ich leicht verlegen. Was ist heute auch los? Dauernd bin ich woanders mit meinen Gedanken. "Ich weiss schon, was wir zusammen machen, wenn ich meinen Mirja-Tag habe.", erzählt er aufgeregt. "Na was den?", frage ich überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass er sich so auf diesen Tag freut. "Das bleibt eine Überraschung." "Och komm schon, bitte Mason", bitte ich ihn und versuche ihn mit meinem Blick zu überzeugen, was offensichtlich nicht funktionierte. Er schüttelt seinen Kopf. "Wenn du es mir nicht sagst, dann...", beginne ich zu drohen. "Weiss jemand wo Mom ist?", fragt ein aufgebrachter Nick. Ich schaue erstaunt zu ihm. Vorhin sass sie doch noch vis-à-vis von mir! Ich schüttle wie auch Mason meinen Kopf. "Helft mir bitte suchen.", bittet er uns. Schnell stehe ich auf und suche das Restaurant ab. Jedoch kann ich sie nirgendwo entdecken. Als ich gerade um die Ecke biege, um wieder an den Tisch zu kommen kommt mir Aiden entgegen. "Hast du sie gefunden?", fragt er  gestresst. Ich schüttle meinen Kopf. "Ich weiss, wo wir noch schauen können.", er nimmt meinen Arm und zieht mich nicht gerade sanft hinter sich her. Vor der Damentoilette bleibt er stehen und schaut mich auffordernd an. Ich öffne die Tür. Alle Kabinen bis auf eine sind frei. Ich entscheide mich, erstmal abzuwarten, vielleicht ist ja eine fremde Person auf der Toilette. Ich schaue unter der Tür durch, vielleicht kann ich ja erkennen, ob ich die Schuhe erkenne. Schwarze normale Schuhe, na toll. Das könnte jeder sein.

Egal, ich muss das jetzt wagen. Vorsichtig klopfe ich an die Tür. "Hallo ist da jemand drin?", frage ich vorsichtig. Dumme frage, natürlich ist jemand drin, schliesslich sind Schuhe auf dem Boden und die Tür ist abgeschlossen. Innerlich haue ich mir gegen die Stirn. Von der anderen Seite erklingt nur ein genervtes Stöhnen. Es ist also doch Mom. "Ist alles gut?", frage ich leise. "Ja ist es, ich würde gerne in Ruhe mein Bier geniessen, also geh wieder dahin, woher du gekommen bist. Am liebsten verschwindest du wieder aus meinem Leben. Bevor du hierhin kamst,  war nämlich alles besser. Jeden Tag muss ich nun in dein abscheuliches Gesicht schauen. Verschwinde!", zum Schluss schreit sie so laut, dass ich erschrocken zusammenzucke und fluchtartig die Toilette verlasse. "Wieso hat das so lange gedauert?", werde ich von einem ungeduldigen Aiden empfangen. "Sie ist drin.", sag ich immer noch geschockt. "Und wieso sagst du mir das erst jetzt?", fragt er genervt. "Ich... ich", was soll ich sagen. Er kann mir jetzt nicht auch noch sagen, was ich falsch mache. Ich habe doch versucht alles richtig zu tun, aber irgendwie kann ich nichts! Ich merke, wie mir langsam die Tränen in die Augen treten. "Sie hat ein Bier", bringe ich noch hervor. Und da fängt Aiden an zu fluchen. "Was ist denn hier los? Hör auf so zu fluchen, Mirja steht auch noch da!", fragt Jack, als er Aiden so schimpfen hört. Jack stellt sich hinter mich und hält mir die Ohren zu. "Mom ist auf der Toilette. und hat ein Bier, behauptet sie jedenfalls.", meint Aiden und zeigt auf mich. "Bist du dir überhaupt sicher, dass du es richtig verstanden hast, du kannst ja kein Englisch.", fügt Aiden noch hinzu. Ich kann nicht gut Englisch, ein bisschen kann ich es schon. Ergänze ich in Gedanken. "Ja ich bin mir sicher.", als Beweis nehme ich mein Handy aus der Hosentasche und zeige ihnen die Konversation, die es aufgenommen und übersetzt hat. Ich bemerke zu spät, dass es keine gute Idee war, da der ganze Monolog von Mom übersetzt wurde. Ich merke wie Jack mich geschockt anschaut. Er will mich in den Arm nehmen. "Wir müssen doch etwas tun, Mom ist immer noch in der Kabine mit ihrem Bier.", mit diesem Einfall kann ich mich erfolgreich vor einer Umarmung drücken. Mom ist jetzt gerade wichtiger. Und wenn er mich in eine warme und geborgene Umarmung genommen hätte, wären ganz sicher wieder Tränen geflossen und das will ich in der Öffentlichkeit vermeiden. Ich habe hier schon zu oft vor ihnen geweint. Nur noch ein paar Stunden, dann liege ich im Bett und kann mich wie so oft in den Schlaf weinen. Dort sieht mich niemand - dort darf ich. Jack sieht mich mit einem undefinierbaren Blick an. "Könnt ihr Wache stehen, ich versuche sie aus der Kabine zu bekommen.", fragt uns Aiden. Ich nicke. Jetzt stehe ich alleine mit Jack vor der Damentoilette. "Ich gehe den anderen Bescheid geben, dass wir sie gefunden habe.", sage ich leise und versuche zu flüchten. Jedoch hält Jack mich am Arm fest. "Was ist los Mirja?", fragt er und schaut mich eindringlich an. "Nichts", sage ich und reisse mich los.

Am Tisch sitzten alle meine Brüder. "Wir haben Mom gefunden", teile ich ihnen mit. "Wo ist sie?", fragt Nick sofort besorgt. "Sie ist auf der Toilette. Sie hat sich in eine Kabine eingeschlossen und trinkt ein Bier.", teile ich ihm mit. "Aiden ist bei ihr." "Ich komme. Sie darf kein Alkohol trinken, dass könnte einen Rückfall bedeuten. Ethan und Noah, kommt mit. Michael und Mason, ihr passt auf Mirja auf." und schon sind sie verschwunden. Wieso brauche ich jetzt einen Babysitter, ich bin immerhin schon 17 Jahre alt! Egal. Ich lege meinen Kopf auf der Tischplatte ab und schliesse meine Augen. Immer wieder schwirren Mom's Worte in meinem Kopf herum. Sollte ich besser nach Hause gehen? Aber wie?


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