Kapitel 9

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'Pass auf die Kleine auf. Stürze sie nicht auch noch ins Verderben.'

Ein einziger verdammter Satz, der mich den gesamten Abend über nicht mehr in Ruhe lassen wollte.

Ins Verderben stürzen.

Die Vermutung, dass Antonio über meinen Bruder gesprochen hatte, ließ mich nicht mehr los. Meine Gedankengänge verliefen in alle möglichen Richtungen, aber immer und immer wieder kam ich zu einem einzigen Schluss.

Milo hatte irgendwas mit Logans Tod zu tun.

"Alles in Ordnung, Lilly? Du bist ziemlich still." Der junge Italiener mir gegenüber sah mich an, während er sein Glas zurück auf den Tisch stellte. Wenn ich ihn so ansah, konnte ich mir nicht im geringsten vorstellen, dass er mir die ganze Zeit so ins Gesicht lügen konnte und wirklich etwas mit dem Tod meines Bruders zu tun hatte. Andererseits, was wusste ich schon über Milo?

"Natürlich. Alles bestens." Den bissigen Unterton in meiner Stimme konnte ich beim besten Willen nicht unterdrücken. "Aber sicher doch, Lilly." Milos Stimme triefte vor Sarkasmus. "Also, was ist gerade dein Problem? Vielleicht kann ich dir helfen." Ich legte meinen Kopf schief und musterte mein Gegenüber aus zusammengekniffenen Augen. 

"Wen hast du schon ins Verderben gestürzt? Logan etwa?" Schlagartig weiteten sich Milos Augen. "Du hast das gehört?" "Scheint ganz so." Er schluckte hart. "Hör zu Lilly..." 

"Nein, warte. Das Einzige was ich gerade von dir wissen will ist, ob du irgendwas mit Logans Tod zu tun hast, oder ob du irgendwas weißt. Er ist vor meinen Augen erschossen worden, in meinen Armen gestorben und alles was ich seitdem zu hören bekomme, ist, dass er zur falschen Zeit am falschen Ort war. Dass es ein verdammter Unfall war. Also sag mir jetzt die Wahrheit. Was weißt du darüber?"

Er drehte sein Glas in den Händen umher und starrte die Flüssigkeit an, die darin herumschwappte. "Das ist alles nicht so leicht zu erklären. Und umso mehr du weißt, desto größer wird die Gefahr in die du gerätst. Ich bereue es tatsächlich jetzt schon, dass ich dich in das Alles hinein gezogen habe." Er seufzte und richtete seinen Blick dann auf mich. "Was ich dir sagen kann ist, dass wir teilweise mit gefährlichen Leuten zusammen arbeiten und dass ich, wie du, auch nicht daran glaube, dass es nur ein Unfall war." 

In meinem Hals bildete sich ein Kloß.

Kein Unfall.

"Fabio und ich versuchen schon seit einer ganzen Weile herauszufinden dahinter steckt."  Ich schwieg, versuchte alles zu verarbeiten was ich gerade gehört hatte. Schon seit Logans Tod war ich der festen Überzeugung, dass das alles kein Zufall war. Es jetzt aber mehr oder weniger bestätigt zu bekommen, ließ mein Herz in 1000 Teile zerspringen. Jemand hatte es tatsächlich auf meinen großen Bruder abgesehen.

Milo sagte ebenfalls nichts. Ich hatte das Gefühl, er wolle mir die Zeit geben die ich brauchte. Doch durch die Stille und die vielen Gedanken die ich mir machte, kam mir etwas in den Sinn, das mir so gar nicht gefiel.

"Meinst du es hat etwas mit den Unterlagen zu tun? Dass Logan deshalb gestorben ist." Milo atmete tief ein und wieder aus. "Ausschließen kann ich es nicht. Allerdings wussten nicht viele Leute davon. Und vor allem wusste ja keiner so recht woran er genau gearbeitet hat. Aber möglich ist es. Darum ist es auch so wichtig, dass niemand erfährt, dass du gerade daran arbeitest. Solange wir nicht wissen worum und um wen es sich handelt müssen wir vorsichtig sein." Seine Hand wanderte über den Tisch und umschloss meine, ehe Milo mir tief in die Augen sah. "Aber wenn du jetzt aufhören willst, kann ich das voll und ganz nachvollziehen. Ich werde dich nicht dazu zwingen."

Ich musste nicht lange darüber nachdenken. Ich musste wissen wofür mein großer Bruder sein Leben gelassen hatte.

_ _ _ _

Jetzt erst recht.

Mit diesem Gedanken hatte ich schon vor Stunden einen der unzähligen Ordner meines Bruders aufgeschlagen und brütete seitdem über seinen Aufschriften, Skizzen und der ein oder anderen wirren Zahlenkombination.

Und was hatte ich rausgefunden? Nichts.

Trotzdem wollte ich nicht aufgeben bevor ich nicht hinter das Geheimnis von Logan gekommen war. Ich wollte wissen, ob es tatsächlich etwas mit seinem Tod zu tun hatte und wenn ja, wollte ich diese Mistkerle bezahlen lassen. Zwar wusste ich, dass ich nicht unbedingt persönlich auf großen Rachefeldzug gehen konnte, aber sie früher oder später hinter Gittern zu sehen war alle mal ein Anfang.

"Du bist immer noch wach?" Ich schreckte auf und blickte in Richtung Türe, wo Jacob im Türrahmen stand und die Hände tief in den Taschen seiner Jogginghose vergraben hatte. "Erschreck mich doch nicht so." Ein kleines Schmunzeln schlich sich auf seine Lippen ehe er vollends in das schummrige Licht meines Zimmers trat. "Ich hab dich noch nie so konzentriert arbeiten sehen wie die letzten Tage." Mein Mitbewohner ließ sich auf mein Bett fallen und musterte mich. "Also entweder du hast etwas verdammt interessantes gefunden oder du bist kurz davor durchzufallen." Empört sah ich ihn an. "Ey! So schlecht bin ich jetzt auch wieder nicht!" Er lachte leise. "Also hast du was interessantes gefunden, hab ich recht?" Ich seufzte kurz und schielte auf die Unterlagen. "Leider noch nicht." 

Das Bett knarrte etwas als Jacob aufstand und auf meinen Schreibtisch zulief. "Vielleicht kann ich dir helfen?" Mir kamen die Worte von Milo wieder in den Sinn, niemandem etwas zu sagen. Zwar vertraute ich Jake und den Anderen aus der WG aber mitbekommen sollte trotzdem keiner von ihnen etwas. Ich wollte niemanden unnötig in Gefahr bringen. Schon gar nicht meine besten Freunde. Also klappte ich blitzschnell den Ordner zu und erntete darauf einen verdutzten Blick von Jake. 

"Sag mir nicht du hast Geheimnisse vor mir, Lilly." Seine gespielte Empörung brachte mich zum Schmunzeln. "Leider doch, Jacob. Damit wirst du dich wohl abfinden müssen." "Jetzt bin ich aber enttäuscht von dir." Ich zuckte die Schultern und grinste ihn etwas an. "Und damit werde ich mich wohl abfinden müssen." Schmunzelnd schüttelte er den Kopf und trat den Rückzug an. Kurz bevor er wieder aus meinem Zimmer verschwand drehte er sich nochmals um und sah zu mir. "Aber im Ernst. Falls du bei irgendwas Hilfe brauchst, ich bin für dich da." Ich lächelte ihn dankbar an. "Ach und noch was, Lilly. Deshalb bin ich eigentlich überhaupt erst zu dir gekommen." Er kam wieder auf mich zu und hielt mir einen kleinen Briefumschlag entgegen. "Der war im Briefkasten."

Ich musterte den Umschlag, auf dem lediglich mein Nachname stand. Kein Absender, keine Briefmarke, nichts.

Jacob verschwand dieses mal ganz aus meinem Zimmer und ich riss kurz darauf gespannt das Papier auf. Ein klein zusammengefalteter Zettel fiel mir entgegen.

Und was darauf stand verschlug mir regelrecht den Atem.



Heyho 👋

Sorry für die Pause, mir fehlt momentan einfach die Zeit, aber ich habe euch natürlich nicht vergessen!

Was denkt ihr was auf dem Zettel steht?

Love you ♥️


Milo Where stories live. Discover now