Folgen Sie dem rosa Kaninchen

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Die Zeit verging und 19 Uhr rückte immer näher. Ich wurde ein bisschen nervös bei dem Gedanken, dass gleich das Training beginnen würde. Ezio war verdammt gut und ich hatte so gar keine Ahnung vom Fach. Ob er sich schon eine Art Plan zurechtgelegt hatte? Wie sollte ich mir das Training zum Assassinen überhaupt vorstellen? So wie bei der Bundeswehr oder was? Ich konnte mich noch erinnern, dass Ezio in seiner eigenen Ausbildung zuerst das Untertauchen gelernt hatte, was ich persönlich als nicht sonderlich schwer empfand. Allerdings konnte ich nicht wissen, womit er bei mir beginnen würde, also konnte es genau so gut Kampf sein.

Unsicher machte ich mich auf den Weg zum Animus-Raum und wartete kurz, ehe ich eintrat. Vorsichtig beugte ich mich zur Tür hin und lauschte. Nein, diesmal waren keine Stimmen zu hören, was mich ungemein erleichterte. Also trat ich ein und entdeckte sogleich Alice auf dem Sofa, die ihren Laptop auf dem Schoß hatte. Das blaue Leuchten des Computers kroch in ihre Züge wie Wasser und verlieh ihr ein leicht gespenstisches Aussehen.

Als sie mich erblickte, lächelte sie und rief: „Aha, pünktlich!“

Mit ihrer rechten Hand klopfte sie auf das Polster neben sich und ich folgte ihrer Einladung. Auf dem Bildschirm ihres Notebooks war eine Arte alte Karte abgebildet, soweit ich es erkennen konnte.

„Also, ich habe mir die Karte von Florenz einmal angeschaut und ungefähr den Fabbro Liccardi gefunden. Wenn Ezio mit dir trainieren will, wird er dich sicherlich in den Hof da hinten bringen, da dort keine Wachen sind, weil hier vorne eine Kirche ist.“, erklärte sie mir und ich folgte ihrem Finger nickend über die Karte.

„Auf den Friedhof?“, fragte ich und sah sie ungläubig an.

„Hinter den Friedhof“, versicherte sie mir eilig, „Da ist nämlich ein kleiner Park und da ist abends, oder eben nachts, niemand mehr!“

Langsam kam die alte Sorge über meine Ungeschicklichkeit wieder hoch und ich beschloss, sie darauf anzusprechen.

„Alice, was ist, wenn es zu dunkel ist und ich nicht gut sehen kann?“, fragte ich und sah sie eindringlich an. Sie biss sich auf die Lippe und dachte kurz nach.

„Ich kann die Helligkeit vom Animus etwas hochstellen, wenn das du möchtest. Soll ich?“, schlug sie vor und legte fragend den Kopf schief. Man konnte die Helligkeit hochstellen? Der Animus war tatsächlich wie dafür gemacht, ein Videospiel zu werden.

„Das wird wahrscheinlich das Beste sein“, meinte ich und stand auf. Hinter mir hörte ich, wie sie ihren Laptop zuklappte und dann an mir vorbei zum Animus tapste. Auf einen Tastendruck fuhr sich das ganze Ding hoch und die Liegefläche begann blau zu leuchten. Ich seufzte und ließ mich darauf nieder. Jetzt ging die Reise also weiter.

„Alice, was mache ich gerade eigentlich genau?“, fragte ich und bettete meinen Kopf auf dem komischen Kreis am oberen Ende.

„Momentan“, erklärte sie und verkabelte mich, „versuchst du Ezios Sympathie zu gewinnen. Wenn er dir vertraut, wird es leichter sein, den Standort herauszufinden oder ihn sogar danach zu fragen. Es ist eine heikle Angelegenheit, also lass dir bei allem Zeit!“ Ich nickte und merkte, wie mein Körpergefühl auf Giulia übertragen wurde.

„Giulia? Giulia!“, rief irgendjemand und sobald ich richtig in der Haut meiner Vorfahrin steckte, konnte ich die Stimme orten.

Der Jemand stand offensichtlich vor meinem Fenster auf der Straße. Ich sprang auf und lugte nach draußen.

„Ezio!“, versuchte ich überrascht zu rufen, obwohl ich ihn gleich an der Stimme erkannt hatte. Irgendwie erinnerte mich das Ganze hier an die Szene mit Cristina. Ezio stand etwas genervt am Straßenrand und hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Sein Auftreten, seine Robe, seine Stimme – alles lenkte mich wieder von dem ab, was ich ursprünglich tun wollte. Eigentlich hatte ich vor, elegant aus dem Fenster zu steigen und an der Fassade nach unten zu klettern, doch irgendwie geriet alles etwas aus der Form. Fast wäre ich über die Brüstung gefallen, wenn ich nicht noch schnell einen Mauerstein zu fassen bekommen hätte. Viel zu langsam arbeitete ich mich an der Hauswand nach unten und als ich endlich neben Ezio stand, war ihm schon fast der Geduldsfaden gerissen. Er sah mich mit ernster Miene an und hielt mir zwei Finger vors Gesicht.

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⏰ Last updated: Sep 14, 2014 ⏰

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Renaissance und zurückWhere stories live. Discover now