Der Schein trügt

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27. Juni 2017

Es war schon ein halbes Jahr vergangen und in der Zeit hatte sich unglaublich viel getan. Ich war in den Sozialen Netzwerken bekannt! Ich hatte über eine halbe Millionen Follower! Ich verdiente Geld mit Werbung, sowie Product Placements und war bei wichtigen Events eingeladen. Zur Schule ging ich nicht mehr so häufig, weil ich so viel zu tun hatte und immer noch mehr vorhatte.

Am Vormittag

Ich hatte schon gefrühstückt, als ich Richtung Bad sprintete, um mich zu Schminken. Schon heute Mittag ging mein Flieger nach Berlin, wo das "World of beauty" Event veranstaltet wurde. Ich war exklusiv eingeladen. Es blieb nur noch wenig Zeit und ich wollte mir noch ein perfektes Outfit zurechtlegen, dass ich vor Ort anziehen würde. Im Schminken war ich mittlerweile ein Profi geworden. Alle Handgriffe saßen auf Anhieb. Klamotten hatte ich auch mehr als genug. Viele waren von Kooperationen, also prinzipiell kostenlos. "Was ein Leben!"

In Berlin

Der Flug war ganz angenehm. Mit meinen 17 Jahren durfte ich schon alleine Fliegen, aber wohnen musste ich bei meiner Tante Olga, die in Berlin ein Apartment hatte. Sie holte mich mit ihrem kleinen PKW vom Flughafen ab. Nich das was ich mir vorgestellt hatte, aber jeder fängt mal klein an. Das weiß ich jetzt am besten. Die Hauptsache ist für mich, mich perfekt zu präsentieren, auch heute! Angekommen bei Olga, machte ich mich sofort ans ankleiden, denn der Zeitplan war knapp. In 2 Stunden würde mich Olga zum Event fahren, dort sollte ein Mitarbeiter auf mich warten um mich zur Promi Lounge zu bringen. Ich musste schließlich auf den roten Teppich und Autogramme geben.

Auf dem Event

Ich sah einfach nur gut aus, in meinem roten Kleid. Auf dem Weg hatte ich schon ein paar Bilder gemacht, aber auf der "World of beauty" würden hunderte Fotografen sein. Bislang kam ich nicht in die Besten Lounges, da ich eher ein D Promi war, aber wie gesagt "Man fängt klein an." Der Mitarbeiter hatte mich direkt in einen Raum gebracht. Dort waren nicht viele Möbel, nur eine Couch, ein Schminktisch und ein Regal mit Accessoires. Ich sollte nochmal frisch gemacht werden um später richtig schön aussehen. Alles war im Stress. Alles musste perfekt werden.

Auf der Bühne

In den letzten Monaten stand ich immer wieder auf einer Bühne, doch das hier war anders. So viele Leute, die man kannte, die noch viel berühmter waren als ich. Das war ein unglaubliches Gefühl, aber irgendwie auch etwas überfordernd, denn natürlich war ich nicht so wie die großen Stars. Mein Auftritt war ziemlich kurz, da sich nicht so viele Leute für mich interessierten. D Promi eben... Später war noch die Autogrammstunde, die sehr viele Besucher nutzten und ehrlich gesagt fühlte ich mich dabei einfach nur super. Das Gefühl, dass andere etwas von einem haben wollen, dass man ihnen nur selbst geben kann, ist einfach unbeschreiblich. Mein einziges Problem war, dass ich das ganze über zwei Stunden durchziehen musste und irgendwann war es nichts Besonderes mehr. Es war eher Automatismus. Ich wusste natürlich auch, dass ich dafür meinen Anteil an Geld bekommen würde, was mich anspornte. Dennoch war es nicht so schön wie ich es mir erträumt hatte und ich glaubte die anderen Leute dort fühlten genauso. Es wollte nur niemand zugeben.

Im Gästezimmer von Olga

Olga war ein herzlicher Mensch. Ganz im Gegensatz zu meiner Mutter. Sie ist er sehr misstrauisch. Olga ist das komplette Gegenteil, sie hilft jedem wo sie nur kann und sieht in allen Menschen irgendwas gutes. Das liebe ich irgendwie an ihr. Sie hatte meine Mutter auch Anfangs davon überzeugen, dass ich auf all die Veranstaltungen gehen durfte. Krass, dass sie es mir überhaupt erlaubt hat. Dabei zahlte sich alles aus. Mein Konto war heute wieder um 800€ reicher geworden und für die ganzen Reisen musste ich, dank meines Sponsors auch nichts mehr zahlen. Man könnte meinen es sei ein Traum, doch jeder Traum hat auch eine dunkle Seite, an die man Anfangs gar nicht denkt.

Nachts im Bett

Ich scrollte durch meine DMs und beantwortete Anfragen zu Promotions, aber auch Fans, die mir lange und süße Texte schreiben. Das traurige daran war nur eins. All diese Personen kannten mich ja nicht wirklich und mochten bloß mein Online Ich. Meine Freunde meldeten sich schon lange nicht mehr. Einige meinten ich wäre abgehoben, andere versuchten sich bei mir einzuschleimen. Letztendlich brach ich den Kontakt zu allen ab. Ich hatte das Gefühl, dass ich ausgenutzt wurde. Eigentlich stand ich jetzt alleine da. Ich war zwar bekannt, aber richtige Freunde hatte ich keine mehr. Ich war allein! Traurig kuschelte ich mich in meine Decke und schlief kurz dannach ein...

FAMEWhere stories live. Discover now