Sechzehn - Kat

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Als ich mich das nächste mal umdrehe, ist er weg. Gottseidank.
Ich hätte es keine Sekunde länger mit ihm in diesem kleinen Raum ausgehalten.

Es ist zwar anders gelaufen, als ich gedacht habe, aber er hat sich trotzdem von mir fernzuhalten. Es sah echt so aus, als würde es ihm leid tun. Er hat sogar gesagt, dass er seine Lüge aufdecken wird. Das muss doch bedeuten, dass er es zumindest bereut, oder?

Oder das war auch eine Lüge.

Naja, es ist aber das Mindeste, was er tun kann. Was in der Besenkammer passiert ist, ist mir nicht ganz klar. Ich weiß noch, dass er ein Riesenarsch war und ich total wütend. Ab da ist alles ein bisschen verschwommen.

Ich bilde mir ein, von starken Armen gehalten worden zu sein. War das er? Hat er mich etwa gehalten? Oder war das bloß Einbildung?

Zumindest bin ich mir ziemlich sicher, dass er sich echte Sorgen um mich gemacht hat. Vielleicht ist es ja wahr, dass es ihm leid tut.

Ich wollte nicht, dass er mich so sieht. Ich wollte nicht, dass mich irgendjemand so sieht. Aber wenn seine Schwester so etwas auch schon einmal durchmachen musste, kann er mir vielleicht helfen.

Ich gehe zu meinem Schrank, hole ein frisches T-Shirt heraus, streife mein Kleid ab und das T-Shirt über. Mein Kleid ist ganz nass vor Schweiß. Oh Gott, ich erkenne mich gar nicht wieder, als ich in den Spiegel auf Anna's Kastentür blicke. Ich muss jetzt eine vertraute Stimme hören.

Bevor ich mich versehe, halte ich mir auch schon mein Handy ans Ohr.

„Kat?", höre ich mein Vater.

„Dad?" Ich kann die Tränen nicht zurückhalten.

„Ja, alles gut?", fragt er besorgt. Vielleicht, weil meine Stimme so verzweifelt klingt, oder weil ich ihn das letzte Mal vor zehn Jahren Dad genannt habe.

„Es tut mir leid.", flüstere ich in den Hörer und lege auf.

Ich weiß, dass er sich eigentlich auch bei mir entschuldigen müsste. Das hat er noch nicht.

Früher hatte ich ein gutes Verhältnis mit ihm. Bevor er weg gegangen ist.

„Ich verlasse nicht dich, nur deine Mutter, Katy", hat er gesagt. Aber eigentlich hat er das dann doch getan. Er ist gegangen und hat mich allein gelassen.

Ich höre einen Schlüssel im Schloss, der Zimmertüre und wische mir schnell die Tränen aus dem Gesicht. Anna kommt ins Zimmer und wirft mir einen verstohlenen Blick zu.

„Hey.", sagt sie.

Ich nicke ihr zu. Sie nähert sich etwas und stellt ihren Rucksack auf dem Boden ab.
Erst als sie direkt vor mir steht erkennt sie mein verweintes Gesicht und kommt jetzt besorgt auf mich zu.

„Kat, alles gut?", fragt sie und fasst mich an den Schultern.
Ich nicke bloß.
„Wirklich?", hakt sie nach.

„Jaja", antworte ich kurz und blicke zu Boden.

„Ich wollte mich bei dir entschuldigen", fängt sie an und macht es mir gleich, indem sie ebenfalls den Kopf zu Boden senkt.
„Wegen heute früh.", fährt sie fort.

Hoffentlich denkt sie nicht, dass ich wegen ihr so verweint aussehe. Denn sie soll keine Schuldgefühle für etwas haben, was Haden verbrochen hat. Aber ich möchte mich jetzt auch nicht bei ihr erklären - ich kann es nicht.

„Ist schon gut.", sage ich stattdessen, aber sie fällt mir ins Wort.
"Nein es ist nicht gut. Ich war echt eine eingebildete Idiotin."

Ich stoße ein kleines Lachen aus und schaue zu ihr auf.

„Ich meine, wer bin ich so über dich zu urteilen.", sagt sie und blickt mir ebenfalls in die Augen.

Dann strecke ich ihr meine Hand hin. „Freunde?", frage ich sie.

Sie schaut zuerst auf meine Hand und dann in mein Gesicht. Doch dann umarmt sie mich.

„Freunde", sagt sie in meine Haare.

Sie umarmt mich einfach. Einfach so und es fühlt sich verdammt gut an.

„Danke.", sage ich leise.
Sie lacht. „Wofür?"

„Einfach so."

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