Siebenundzwanzig - Kat

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Dieser Idiot hört die ganze restliche Stunde nicht mehr auf mich anzuschauen, nur manchmal dreht er sich weg und schaut auf seine Hände.

Ich weiß noch nicht genau, was ich von dieser „Freundschaft" halten soll, aber auf jeden Fall wird es keine einfache. Ich glaube mit Haden ist nichts einfach. Ich weiß nicht, warum ich eingewilligt habe mich mit ihm zu vertragen, wo er mich so verdammt schlecht behandelt hat. Naja, vielleicht verdient jeder Mensch eine zweite Chance. Aber keine dritte. Darüber weiß mein Vater bestens Bescheid. Also wenn er noch einmal Scheiße baut, ist es aus für mich. Dann werde ich ihn so lange ignorieren, bis er mich endgültig in Ruhe lässt.

Professor Miller beendet die Stunde und ich fange an meine Sachen wieder in meinem Rucksack zu verstauen.
Dank Haden, habe ich jetzt schon wieder keine vollständige Mitschrift. Dieses Wochenende muss ich viel nachholen.

„Und da wir jetzt Freunde sind, wollen wir was gemeinsam unternehmen?", schlägt er vor, steht auf und wirft sich seinen Rucksack lässig über die Schulter.
Mal abgesehen von seiner eingebildeten Art und seinem passiv-aggressiven Verhalten, ist der Rest von ihm ziemlich attraktiv. Er hat jedes Recht so eingebildet zu sein.
Er beugt sich zu mir rüber und sein weißes T-Shirt spannt dabei ein wenig.

„Alles gut, KitKat?", raunt er mir ins Ohr. Was soll jetzt dieser blöde Spitzname? Ich hasse solche Kosenamen. Die erinnern mich bloß an meinen Vater.

Hastig ziehe ich mich zurück. Ich schlucke schwer. „Ähm, na klar.", sage ich und werde rot.
Oh Gott wann bin ich das letzte Mal rot geworden?

Als er sieht, wie unangenehm mir das alles ist, lächelt er nur noch mehr.

„Also was meinst du? Morgen Rendezvous?", fragt er verschmitzt.

Ich muss über diese Bezeichnung lachen. „Freunde gehen nicht auf „Rendezvous"", erinnere ich ihn und mache mit den Händen Gänsefüßchen.

„Na gut, dann eben zusammen Abhängen.", sagt er und verdreht die Augen.

Ich will ihm gerade sagen, dass ich für so etwas gerade keine Zeit habe und auch wirklich keine Lust, als ein Typ, der ein paar Reihen vor uns gesessen ist, zu uns nach oben kommt. Ich kenne diesen Typ. Das ist Max Tremblay und ich kenne ihn ziemlich gut. 

Ich weiß nämlich was für ein Riesen Arschloch er ist. Mehr gibt es über ihn auch nicht zu wissen. Im Ernst ich habe diesen Typen noch nie mit einer anderen Beschäftigung gesehen, als sich imponierend und selbstgefällig aufzuführen.

Als er bei uns ankommt, schaut er uns verwirrt und bedächtig an. Dann wirft er Haden einen seltsamen Blick zu, den ich nich deuten kann.

„Haden. Kat.", begrüßt er uns. Ich kenne ihn zwar gut genug, um zu wissen, dass er ein Arsch ist, aber auch nicht so gut, dass wir uns jemals grüßen würden.

Das letzte Mal habe ich mit ihm vor einem Jahr gesprochen, als ich ganz neu auf dem College war und nicht wusste, worauf ich mich einlasse.

Ich schaue zuerst Haden an, welcher sich unwohl an Ort und Stelle bewegt. Dann werfe ich Max einen wütenden Blick zu und zische ab. Dabei berühre ich Max' Schulter absichtlich mit meiner und eile die Stiegen herunter.

Ich höre, wie mir jemand nachläuft und bin erleichtert, als ich sehe, dass es Haden ist und nicht Max.

„Was ist denn los?", fragt er außer Atem.

„Ich muss jetzt weiter Haden. Man sieht sich.", sage ich kurzangebunden, aber nicht wütend. Schließlich haben wir uns gerade erst vertragen, da möchte ich nicht schon wieder eine schlechte Stimmung haben. Aber allein die Tatsache, dass er mit Max Tremblay befreundet ist, macht mich wütend.

Haden bleibt auf einmal stehen und schaut mir hinterher, wie ich die restlichen Stiegen runterlaufe und mich Professor Miller nähere.

Ich drehe mich kein einzige Mal zu ihm um, sondern richte stattdessen meine volle Aufmerksamkeit auf Alexander.

Ich stehe hinter ihm, als er gerade seine Unterlagen in seiner Tasche verstaut. Ich räuspere mich und er dreht sich um. Ein Lächeln umspielt seine Lippen, als er mich sieht.

„Miss Evans.", er legt seine Tasche beiseite und kommt etwas näher. „Ich habe sie letzte Stunde vermisst. Ich glaube sie sind meine interessierteste Schülerin. Da fällt es schnell auf, wenn sie einmal nicht da sind.", sagt er lachend und reibt sich den Nacken. 

Er ist verlegen - verdammt süß.

Ich trete ebenfalls einen Schritt näher. „Das freut mich zu hören. Ja deswegen, bin ich auch zu Ihnen gekommen. Ich war letztes Mal...verhindert, aber ich wollte fragen, ob sie mir sagen können, auf welchen Seiten ich das von letzter Stunde im Buch nachlesen kann.", sage ich und spiele mit meinen Händen. Die Erinnerung an den eigentlich Grund, warum ich das letzte Mal nicht da war, schmerzt, aber ich ignoriere sie.

Er nickt und hört mir aufmerksam zu, als ich spreche. „Warten Sie kurz.", sagt er und dreht sich zu seiner Tasche. Einige Sekunden später holt er einen Zettel hervor und wendet sich wieder mir zu. Er streckt mir den Zettel mit ausgehaltener Hand entgegen.

„Hier, nehmen sie ruhig meine Mitschrift.", sagt er lächelnd.

„Nein das geht doch nicht. Sie brauchen die doch noch bestimmt.", widerspreche ich ihm. Er schüttelt lachend den Kopf. „Jetzt nehmen sie schon."

Ich nicke und nehme ihm dankend den Zettel aus der Hand. Dabei berühre ich seine Hand ein bisschen zu lange, denn er schaut mir verlegen in die Augen und zieht seine Hand rasch weg.

Der ganze Saal ist bereits leer - wenn der Kurs beginnt haben es die Studenten nie so eilig, wie wenn er zu Ende ist. Aber als ich mich umdrehe sehe ich, dass jemand noch geblieben ist. 

Haden. Er steht mit verschränkten Armen ein paar Meter hinter uns und schaut uns neugierig zu.

Ich werfe ihm einen fragenden Blick zu. Was will er noch hier?

Auch Alexander scheint ihn gesehen zu haben und wirkt so, als würde er sich in dieser Situation ziemlich unwohl fühlen.

„Und gehen wir?", fragt er und lässt mich nicht aus den Augen.

„Äh...", stottere ich. Habe ich etwas verpasst? Warum wartet er auf mich?

Alexander zieht sich schnell zurück. „Geht ruhig, ich werde Miss Evans nicht mehr länger aufhalten.", sagt er und schenkt mir ein freundliches Lächeln.

„Auf Wiedersehen.", sage ich und winke ihm kurz. Dann drehe ich mich um und schaue Haden mit zusammengezogen Brauen an.

Er steht immer noch an Ort und Stelle und wartet, dass ich zu ihm komme. Aber ich gehe eiskalt an ihm vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.

Ich höre ihn frustriert ausatmen und mir nachlaufen, aber ich bin bereits aus der Tür.

Dieser Haden scheint mir aber auch wirklich jeden Tag vermiesen zu wollen.

Rumor has itWhere stories live. Discover now