Der Brief, den du geschrieben

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Der Brief, den du geschrieben,
Er macht mich gar nicht bang;
Du willst mich nicht mehr lieben,
Aber dein Brief ist lang.

Zwölf Seiten, eng und zierlich!
Ein kleines Manuskript!
Man schreibt nicht so ausführlich,
Wenn man den Abschied gibt.

~Heinrich Heine~

Am nächsten Tag wurde ich eher unangenehm geweckt. Und damit meinte ich, dass ein schmerzhafter Aufprall mich aufschrecken ließ. Mit protestierendem Rücken setzte ich mich auf und sah mich um, in dem Versuch, mich zu orientieren.

Langsam kehrte die Erinnerung zurück und mit ihr meine Sinneswahrnehmung. Der Geruch von gebratenem stieg mir in die Nase, dann ein leises schnarchen. Schwerfällig erhob ich mich und stützte mich auf das Bett an meiner Seite. Dann richtete ich meinen Blick auf die Person darauf.

Chris lag, alle viere von sich gestreckt, auf seiner Decke und schien friedlich zu schlafen. Wahrscheinlich hatte er mich aus dem Bett gedrängt. Seufzend richtete ich mich ganz auf, dann blinzelte ich auf ihn hinunter. Ich könnte jetzt gemein sein...

Zufrieden mit meiner Idee begann ich, sein Zimmer zu untersuchen. Und ich fand tatsächlich was ich suchte. Um Anne nicht zu stören oder zu erschrecken schloss ich Chris' Zimmertür. Mit leisen Schritten lief ich zurück zu dem Bett, dann kniete ich mich neben ihn. Ich atmete noch einmal tief durch, mein Grinsen wurde etwas breiter.

Der Pfiff, der einige Sekunden später schrill ertönte, ließ Chris aufschrecken. Orientierungslos sah er sich um, bis er mich mit der Pfeife entdeckte. Dann verzog er das Gesicht.

„Echt jetzt?"
Immer noch grinsend nickte ich.
„Wegen dir bin ich aus dem Bett gefallen. Natürlich musste ich mich revanchieren."

Chris schüttelte bloß den Kopf und rieb sich durch das Gesicht.
„Und ich dachte immer, ich sei der kindische."

Dann kletterte er aus dem Bett.

„Woher hast du überhaupt die verdammte Pfeife?"
Ich zuckte mit den Achsel.
„Du hast hier so viel Kram rumliegen, da war es nur eine Frage der Zeit, bis ich eine Pfeife oder ähnliches finden konnte."

Chris blinzelte kurz, als sei er noch nicht ganz wach. Dann verzog er das Gesicht.

„Du hast also in meinem Zeug herumgewühlt, verstehe ich das richtig?"

Jetzt war es an mir, dass Gesicht zu verziehen.

„Natürlich nicht, ich habe mich nur etwas umgesehen. Riechst du das auch? Ich glaube, wir sollten runter gehen und Anne fragen, ob sie Frühstück für uns hat."

Ich verzog nochmal das Gesicht, dieses mal wegen meiner wirklich schlechten Ablenkung, dann eilte ich aus dem Zimmer hinaus. Hinter mir konnte ich Chris lachen hören, dann seine Schritte.

Als ich die Küche erreichte lächelte Anne mich fröhlich an.

„Guten Morgen, Elias!"
Dann fiel ihr Lächeln etwas.
„Wenn du etwas gesagt hättest, dann hätte ich sicherlich die Couch hergerichtet."

Ich setzte mich auf einen der Stühle am Küchentisch, dann schenkte ich ihr ein entschuldigendes Lächeln.

„Es tut mir Leid, aber irgendwie bin ich wohl oben eingeschlafen."
Sie winkte ab.
„Ist ja auch nicht so schlimm. Hattet ihr denn gestern einen netten Abend?"

„Ja, es war sehr angenehm."
„Sehr angenehm? Ist deine Ausdrucksweise morgens immer so komisch?"

Chris, der sich auf die Bank gesetzt hatte, schenkte mir ein freches Grinsen. Obwohl er mich ärgern wollte, konnte ich nicht anders als leicht zurück zulächeln. Dann bereitete ich eine Antwort vor, doch Anne kam mir zuvor, indem Chris plötzlich ein Geschirrtuch im Gesicht hatte.

Noch während er überrascht und viel zu spät die Arme hochriss stellte Anne Teller auf den Tisch und schüttelte den Kopf.

„Zuerst muss ich erfahren, dass ich die nächsten Wochen alleine hier sein werde und dann bist du auch noch unhöflich zu deinem Gast."

Chris grummelte etwas vor sich hin während er aß und auch Anne aß ruhig ihr Frühstück. Nur ich stocherte darin herum, mein Hunger war vergangen. Chris würde für ein paar Wochen verschwinden? Hatte er nicht noch mit der Uni zu tun? Wollte er mir davon noch erzählen, oder nicht?

„Schmeckt es dir nicht, Elias?"

Überrascht zuckte ich zusammen und erwiderte Annes besorgten Blick.

„Keine Sorge, es schmeckt sehr gut, aber ich habe keinen großen Hunger."

Sie nickte und akzeptierte die Antwort stumm. Als ich meinen Kopf wegdrehte erwiderte ich kurz Chris Blick, der mich mit gerunzelter Stirn betrachtete. Nicht wirklich in der Stimmung für irgendeine Art des Kontaktes mit ihm senkte ich meinen Blick auf den Teller und zerstückelte das Rührei weiter.

Eine quälend lange Viertelstunde sagte niemand etwas, ich hing meinen Gedanken nach, die anderen beiden aßen ihr Frühstück auf. Dann räumte Anne den Tisch ab. Mein Angebot, ihr dabei zu helfen, lehnte sie jedoch ab. Dabei wollte ich hier wirklich nicht mit Chris sitzen. Der beobachtete mich immer noch unschlüssig.

„Danke für das Frühstück, Anne. Kommst du nochmal mit hoch, Elias?"

Überrascht riss ich meinen Blick von dem Anblick der Sträucher, die man aus dem Küchenfenster sehen konnte, los und sah zu Chris. Dann nickte ich.

„Klar, mein Handy dürfte sowieso noch irgendwo da oben liegen."

Dann stand ich auf und dankte Anne ebenfalls für das Essen. Hinter Chris lief ich die Treppe hinauf und betrat das Zimmer. Etwas hilflos stand ich dann mitten in seinem Raum.

„Was ist los?"
Chris stand mir gegenüber und musterte mich.
„Seit eben bist du so still. Das macht mir Sorgen."

Ich zuckte mit den Schultern und wich seinem Blick aus. Ich wollte wirklich nicht in seine Privatsphäre eindringen. Mit den Fragen, die mir auf der Zuge brannten, würde ich das aber ganz bestimmt tun.

„Elias!"
Chris klang genervt und aus irgendeinem Grund nervte mich das ebenfalls.
„Ich versuche dir hier zu helfen und du..."

„Was meinte Anne damit, dass du die nächsten Wochen nicht hier sein wirst?", fiel ich ihm, seltsam wütend, ins Wort.

Ich wusste das ich nicht einfach so eine Frage stellen sollte, aber der Gedanke, dass Chris mich vielleicht wieder für Wochen ignorieren würde, störte mich.

Als ich ihn ansah spürte ich, wie meine Wut stieg. Chris wirkte peinlich berührt.

„Achso, das? Also ja, ich werde für ein paar Wochen wegfliegen."

„Hättest du mir davon erzählt, wenn ich jetzt nicht gefragt hätte?"

Hinter meinem Rücken ballte ich die Hände zu Fäusten, während Chris sich zu winden schien. Allein die Tatsache, dass er mir nicht antwortete, machte mich noch etwas wütender.

„Okay."
Ich murmelte das Wort eher zu mir selbst, dann schüttelte ich den Kopf.
„Ich denke, dass ich jetzt gehen werde."

„Warte!"

Ich griff bereits nach meinem Handy, das auf einem Regal in der Nähe lag, als Chris das sagte.

„Lass es mich erklären, okay?"

^^^^^^

Und ich habe es geschafft, noch ein Kapitel rechtzeitig zu schreiben. Wow. Noch jemand hier, der in seinen Ferien nur am Bett liegt?

Over and Out, _Amnesia_Malum_

PS: Wie immer nicht proofread.

25/04/19

PerlenlebenWhere stories live. Discover now