Bittgedanke, dir zu Füßen

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Stirb früher als ich, um ein weniges
früher

Damit nicht du
den weg zum haus
allein zurückgehn musst

~Reiner Kunze~

„Okay."

Ich atmete tief durch, dann drehte ich mich ein Stück, sodass ich ihn gänzlich ansehen konnte. Chris tat es mir nach, sodass wir bald schon einander gegenüber lagen. Es war schön. Nur wir beide und die Stille. Beinah tat es mir leid, die Ruhe zu zerstören, doch es gab Dinge, die wir klären mussten.

„Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe. Es hat mich nur so wütend gemacht, was du gesagt hast. Es war nicht fair, das weiß ich."

Chris seufzte, dann nickte er.

„Ich weiß. Es tut mir auch leid. Ich hätte nicht einfach wegrennen sollen. Außerdem hast du Recht, ich habe mich kindisch verhalten. Diese ganze Idee, hierher zu kommen oder mich über meinen Vater zu informieren, war blöd. Es hatte schon seinen Grund, warum meine Mutter nicht gerne über ihn redet."

Ich verzog das Gesicht. Es war nicht meine Absicht gewesen, so einen Zweifel in ihm zu sähen.

„Es ist verständlich, dass du mehr wissen wolltest, Chris. Mach dir keinen Vorwurf. Du konntest ja nicht wissen, worein er dich zieht."

Chris antwortete nicht, sondern zuckte bloß mit den Achseln. Er schien nicht überzeugt, doch ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Vielleicht lag es an meiner Müdigkeit, doch mir fiel partout nichts ein, was ich hätte sagen können, um ihm dabei zu helfen, sich besser zu fühlen. Also wählte ich den einzigen Weg, der mir in den Sinn kam.

„Wie geht es dir?"
Chris runzelte die Stirn und hob den Blick von dem Laken.
„Wie meist du das?"
„Wenn du jetzt gerade sagen müsstest, wie du dich fühlst. Was wäre das?"

„Ich weiß nicht. Schlecht. Müde. Fertig. Oder alles drei vielleicht auch."
„Dann habe ich eine Idee: Schlafen."
„Okay."

Dann spürte ich, wie Chris sich in Bewegung setzte und sich aufsetzte. Beinah ohne nachzudenken griff ich nach seinem Arm und zog ihn wieder herunter.

„Vielleicht sollte ich mich anders ausdrücken: Wir schlafen beide hier."

Chris blinzelte überrascht, dann kehrte das kleine Grinsen zurück auf sein Gesicht, das ich so vermisst hatte.

„Na wenn das so ist."

Kaum lag er wieder neben mir, jetzt ohne Brille, spürte ich einen Arm über meiner Hüfte. Jetzt war es an mir, überrascht auszusehen, während Chris mich selbstzufrieden ansah.

„Wenn wir in einem Bettschlafen, dann richtig."

Ich seufzte, nickte aber. Das kleine Lächeln, das in mir aufstieg, konnte ich beim besten Willen nicht unterdrücken. Deshalb drückte ich mein Gesicht ins Kissen, wie ein kleiner verliebter Teenager. Aber ich war ein erwachsener Mann, deshalb blieb das glückliche Quietschen aus.

„Gute Nacht", murmelte ich stattdessen, sehr sicher, dass ich zufriedener Klang als zuvor.

„Nacht", erwiderte Chris und auch er klang zufrieden, wenn auch etwas schläfriger. Anscheinend war er nun auch endlich erschöpft. Gut, dann würde er auch besser schlafen. Ich konnte bloß hoffen, dass das ihn vor Alpträumen schützen würde.

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Als ich dann irgendwann wach wurde, bemerkte ich zuerst, wie warm es war. Müde blinzelte ich gegen das Licht im Zimmer an. Dann warf ich einen Blick zu Chris, dessen Arm noch immer auf mir ruhte. Während des Schlafs war ich näher an ihn heran gerutscht, sodass mein Kopf irgendwie unter seinem Kinn gelandet war. Unangenehm. Ich versuchte etwas wegzurutschen, doch das Licht blendete mich unangenehm. Schlecht gelaunt schloss ich meine Augen wieder.

PerlenlebenWhere stories live. Discover now