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Nazar.

Ich liebe meine Familie, eigentlich. Ich bin sogar ein ziemlicher Familienmensch, aber Riza und ich können uns einfach nicht ausstehen.

Wahrscheinlich liegt es auch daran, das ich ihm damals immer wieder gesagt habe, dass seine damalige Freundin nicht gut genug für ihn wäre, dass ich ein schlechtes Gefühl bei ihr habe. Ich mochte seine Freundin einfach nicht, und sie mich auch nicht. Dennoch versuchte ich immer wieder etwas gutes an ihr zu finden, doch ich scheiterte jedes Mal aufs Neue. Sie ist der Teufel höchstpersönlich.

Riza war damals erst 17 Jahre alt und Cansu, seine Freundin ein Jahr älter als er. Sie hatte ganz andere Vorstellungen, doch er hielt lieber zu ihr, als zu mir. Er vertraute eher ihr, als mir. Und das machte mich fertig.

Ich wusste, das Cansu nur jemanden wollte, der ihr zu Füßen lag und sich für sie kaputt macht. Sie machte daraus ein Spiel und genoss es in vollen Zügen. Irgendwann rutschte Riza in die Drogenszene wegen ihr ab und kam erst dann wieder raus, als ich es seinen Brüdern sowie meinen erzählt habe. Er schämt sich für diese Sache und das wissen wir beide. Wir und unsere Geschwister wissen es. Und trotzdem können wir uns weiterhin nicht ausstehen.

Damals wollte ich nur das Beste für meinen jüngeren Cousin. Ich wollte ihn helfen. Aber er nahm diese Hilfe nicht an und das tat mir weh.

Ich wollte nicht, dass seine erste richtige Beziehung so endete, dass sie überhaupt so anfing. Aber jeder muss etwas erleben, damit er weiß, wie er in Zukunft handeln soll.

Wenn dann sehen die beiden dich als eine Nutte", schleichen sich immer wieder seine Worte durch meinen Kopf und lassen mich schon fast weinen.

Ich vermisse meinen alten Cousin, der auf mich aufgepasst hat, obwohl er jünger ist als ich. Der, mit dem ich immer Spaß haben konnte. Mit dem ich raus gehen konnte. Ich vermisse Riza, den ich nicht schlagen muss für seine verletzenden Worte.

„Nazar", ruft meine Mutter nach mir.

Seufzend stehe ich von meinem Bett auf und wische mir die Tränen aus dem Gesicht, laufe aus dem Zimmer und gehe in die Küche rein. Dort steht schon meine Mutter, in ihrer Jeansjacke und sportlichen Schuhen. Sie hält mir sofort das Haustelefon zu. „Orkan Abi."

Das ist ein Scherz oder? Verfolgen mich diese Jungs? Was kommt als nächstes? Eine Überraschungfeier?

Kizim, jetzt nimm das Telefon, ich hab nicht ewig Zeit", zwingt sie mich und drückt es mir einfach in die Hände. „Ich bin bei Fatma, komme heute Abend wieder." Mit einem Kuss auf meine Stirn verabschiedet sich meine Mutter von mir und läuft aus der Küche raus.

Gerade als ich mir das Telefon an mein Ohr halte, verlässt sie auch schon die Wohnung. „Hallo?"

„Nazar, hey", höre ich Orkan Abi's Stimme und setze mich auf einen der schwarzen Stühle in der Küche. „Du fragst dich sicher, woher ich deine Hausnummer habe, Dayi'n verdi."

„Okay", antworte ich darauf.

Klar Dayi, gib einfach mir fremden Leuten meine Hausnummer, gar kein Thema. Hättest sie doch auch gleich zum Frühstück bei uns morgen um neun einladen können.

„Capi hat von einem Jungen heute erzählt, iyimisin?", fragt er mich nach meinem Befinden und lässt mich stutzen. Diese Frage überrascht mich einfach. Er fragt mich wirklich, ob es mir gut geht und ich weiß nicht, ob ich nun lügen soll oder nicht.

Ich entscheide mich für die Wahrheit. „Ja iyim. Es war nur mein Cousin, wir haben da so unsere Differenzen."

„Wenn was sein sollte, dann ruf mich einfach auf dieser Nummer an, egal wann", bietet er mir an, was mich zum Lächeln bringt. „Dein Onkel weiß auch Bescheid, yani."

Tamam, olur", lächle ich vor mich hin und schätzte seine Geste sehr.

„Schreib mir dann einfach, ich gebe dir dann auch die Nummer von Capital und Samra weiter. Onlarıda arayabilirsin."

Natürlich rufe ich die beiden an, wenn ich gerade depressiv in meinem Bett liege oder Riza mich wieder mal eine Nutte nennt. Ich kenne die beiden nicht mal, obwohl Capi wirklich sympathisch wirkt. Mehr als der Schönling.

„Mache ich, bis dann", nuschle ich nur noch und lege schnell auf. Das ist mir zu peinlich und trotzdem laufe ich mit dem Telefon in meiner Hand zurück in mein Zimmer und greife nach meinem Smartphone, auf dem ich mein Adressbuch öffne und die Nummer von Orkan Abi einspeichere.

Ich schreibe ihm noch schnell eine Nachricht auf Whats App und gebe ihm Bescheid, dass ich es bin, was er nur mit einem Daumen hoch Emoji quittiert. Wie meine Eltern. Schrecklich.

Doch kurz darauf schickt er mir zwei Kontakte, welche unter Capi und Sam eingespeichert sind.

Ganz starke Leistung.

Will ich überhaupt die Nummern der beiden haben? Wahrscheinlich habe ich keine andere Wahl, aber anschreiben muss ich die beiden ja nicht. Das liegt dann wohl in meiner Hand.

𝖥𝖫𝖮𝖶𝖤𝖱𝖲. | 𝙎𝘼𝙈𝙍𝘼. + BEARBEITUNG Where stories live. Discover now