09 | Gespräche

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»Hey! Sorry, dass wir gerade unsere Unterhaltung unterbrechen mussten, aber meine Kollegin mag es eigentlich nicht so, wenn ...«, ratterte sie ein wenig atemlos herunter, doch ich stoppte sie mit einer Handbewegung.

»Schon gut. Du kannst ja nichts dafür«, meinte ich nachsichtig. »Also was ich vorhin sagen wollte, ist, dass ich unser Gespräch bei Alex auf der Dachterrasse echt nett fand und ich wollte dich fragen, ob du Lust hast dich noch mal mit mir zu treffen. Ich würde dich gerne zum Essen einladen und dich ein bisschen besser kennenlernen.« Ich sah sie erwartungsvoll an.

»D-Du willst mich einladen?«, fragte mein Gegenüber erstaunt. »Ja. Also nur wenn du es auch möchtest natürlich.« »Ja, sehr gerne. Ich hätte nie damit gerechnet, dass wir uns wiedersehen. Mir hat der Abend bei Alex auch gut gefallen und ich hätte das gerne wiederholt, wenn du nicht so weit weg gewesen wärst.« »Freut mich. Dann sehen wir uns am Samstag um 19 Uhr in der ›L'Osteria Bella Italia‹«, bestimmte ich. »Bis Samstag. Ich muss wieder zurück in den Laden«, verabschiedete sie sich.

Puh! Was für ein Zufall. Aber den ersten Schritt hatte ich erfolgreich geschafft. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich drehte mich um und fuhr die Rolltreppe nach oben zum Parkhaus. Nach etwa der Hälfte des Weges wendete ich meinen Kopf erneut in die Richtung, aus der Sarah gekommen war. Meine Augen suchten nach ihr. Sie war schon ein ganzes Stück zurückgelaufen.

Im selben Moment sah sie ebenfalls in meine Richtung. Unsere Blicke trafen sich für wenige Sekunden. Sarah schenkte mir ein kleines Lächeln. Ich zwinkerte ihr zu und schon war sie wieder im Nike Store verschwunden. Inzwischen war ich im Obergeschoss angelangt, lief weiter bis zum Parkdeck und fuhr endlich zum Studio. Ich war super gut gelaunt und motiviert an neuen Songs zu arbeiten, was vielleicht auch an meiner Begegnung mit Sarah liegen könnte.

Ich griff zu meinem Handy, da ich mal wieder einen Anruf bekam. »Alex, Bruder, was geht?«, meldete ich mich. »Bruder was geht ab bei dir?«, fragte er zurück und lachte tief. »Bin im Studio. Du weißt, neue Songs schreiben und so. Bruder, was ich mal fragen wollte, du bist doch gut mit Sarah befreundet, oder? Ich hab sie gerade in der Mall of Berlin bei Nike getroffen. Sie arbeitet scheinbar dort. Seit wann ist sie in Berlin?« »Seit drei, vier Wochen. Sie ist wegen ihres Studiums umgezogen. Nice, dass du sie getroffen hast. Ihr habt euch ja damals echt gut verstanden.«

Ich verstand sofort, worauf er anspielte. Auch ohne ihn zu sehen, wusste ich, dass Alex wieder seinen ›Ich-weiß-genau-was-da-abgeht‹ Blick aufgesetzt hatte und vermutlich mit den Augenbrauen dazu wackelte.

»Ich fand sie nett, aber mehr ist da bisher auch nicht. Wir werden uns aber bald treffen. Ich lade sie am Samstag zum Essen ein«, berichtete ich. Dass ich Sarah nicht nur charakterlich sympathisch, sondern auch optisch wirklich hübsch und attraktiv fand, musste ich Alex ja nicht auf die Nase binden.

»Uuh, du lässt mal wieder nichts anbrennen, hab ich recht?« Er lachte lauthals los und kriegte sich noch kaum ein. Der Typ war doch schon wieder komplett high. Ich schüttelte nur den Kopf. »Spaß beiseite. Ich wünsche euch einen schönen Abend. Viel Glück, vielleicht wird das ja was mit euch beiden. Denk daran, Sarah ist am Anfang immer sehr schüchtern und lässt nicht unbedingt schnell andere Leute an sich ran. Also übertreib es nicht und pass auf sie auf.« »Danke Bruder, werde ich machen. Ciao«, sagte ich und legte auf.

Ich schaltete mein Handy auf Flugmodus, um mich in Ruhe der Musik widmen zu können und legte los. Nach fünf Stunden standen ein neuer Beat sowie der erste Part und die Hook meines nächsten Songs. Es wurde wieder mal ein etwas persönlicheres, tiefgründiges Werk. Das Intro hatte ich selbst auf der Gitarre eingespielt.

Ich war sehr zufrieden mit dem Ergebnis und verabschiedete mich schließlich von Hamudi und den anderen Jungs, die mit mir im »Anthra-Studio«, wie ich es liebevoll nannte, waren. »Anthra« war die Kurzform von Anthrazit, meiner Lieblingsfarbe, in der ich beinahe das komplette Studio verkleidet hatte. Es war mein ganzer Stolz, den ich in monatelanger Arbeit mit meinen Jungs selbstständig aufgebaut hatte. Ich hatte mehr als eine Million Euro darin investiert.

Als ich wieder zuhause in meiner Wohnung war, kochte ich schnell etwas zu essen und legte mich anschließend mit meinem Laptop ins Bett, um meine Lieblingsserie weiterzuschauen. Meine neuen Nike Klamotten hatte ich ungeachtet im Wohnzimmer liegen gelassen. Darum konnte ich mich morgen immer noch kümmern. Ich machte ein Bild für meine Insta Story, schrieb kurz mit John und legte dann mein Handy zur Seite.

Immer wieder kreisten meine Gedanken um das Treffen mit Sarah am Nachmittag. Ich hatte echt verdammt viel Glück gehabt, sie erneut zu sehen und war froh darüber, dass sie meine Einladung angenommen hatte. Das Schicksal meinte es wohl gut mit mir.

Leider hatten wir in der Eile vergessen unsere Nummern auszutauschen, aber dafür hatten wir am Samstag noch genügend Zeit. Ich wunderte mich ein bisschen über mich selbst. Normalerweise ließ ich mich nicht innerhalb von so kurzer Zeit so schnell von einer Frau beeindrucken.

Ich dachte an Johns Worte und unsere gemeinsame Abmachung zurück. Ich sollte mich vielleicht nicht direkt zu sehr reinsteigern, bloß weil ich eine weibliche Person kennengelernt hatte, die mir nett und sympathisch erschien. Immerhin kannte ich sie kaum und wer weiß, wie sie wirklich tickt. Wir hatten schließlich erst ein Mal für wenige Stunden miteinander geredet. Dass Frauen sich nur wegen meines Status und des Geldes für mich interessierten, war ja keine Seltenheit. Mit der Zeit wurde ich einfach extrem vorsichtig.

Allerdings hatte ich bei Sarah nicht das Gefühl, dass sie jemand war, der nur auf Fame aus ist. Schließlich war sie schon mit Alex befreundet, bevor er bekannt war, wollte nicht groß in die Öffentlichkeit gezogen werden und verhielt sich eher zurückhaltend gegenüber meinen Jungs, soweit ich es mitbekommen hatte. Sie war irgendwie besonders. Besser werde alles erst mal langsam angehen lassen.

Immerhin hat Raphael doch noch den ersten Schritt geschafft und Sarah eingeladen. Was glaubt ihr, werden sich die beiden auch weiterhin gut verstehen und ihr erstes Date wird 'erfolgreich'?

Und könnt ihr Raphaels Bedenken verstehen?

In meiner Wolke | 1raf7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt