2 - Die Erlöser

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Ellie erreichte den Vorhof der Anstalt einige Minuten nach Elijah und Owen. Die hohe Zaunfront war zu einem großen Teil von übergroßen Büschen und ungezähmtem Efeu überwachsen und steinalte Obstbäume reckten ihre langen, knorrigen Äste darüber, als versuchten sie mit ihren hölzernen Armen das andere Ufer zu erreichen. Die Front der Anstalt ragte hoch und einschüchternd über den Gärten auf. Es war ein altes Gebäude; hohe Fenster und kunstvolle Erker verzierten die gelblich graue Fassade des Hauptgebäudes, das vor vielen Jahren wohl einmal weiß gewesen sein musste. Neben dem versiegten Springbrunnen, der aus dem trockenen Boden des Vorhofes spross, reihten sich dutzende Holz- und Eisenkisten aneinander und bildeten eine Art Miniatur-Labyrinth. Einige der Deckel waren halb oder vollständig geöffnet und angeschlagene Konservendosen, verschmutzte Kleider und verrostete Waffen quollen an das morgendliche Tageslicht. Ein klappriger Laster verdeckte die Sicht auf die provisorische Zugbrücke, die die Auferstandenen, wie die Bewohner der Anstalt sich in Anlehnung an die Bibelgeschichte selbst nannten, als Weg über den schützenden Wassergraben errichtet hatten.

Das mulmige Gefühl ergriff bereits von Ellie besitz, bevor ihr Kopf überhaupt einen konkreten Gedanken formen konnte. Etwas stimmte nicht. Es war still. Zu still. Keine Spur von dem geschäftigen Treiben, das diesen Teil des Geländes normalerweise auszeichnete. Niemand war zu sehen. Nicht einmal das Summen gedämpfter Gespräche oder das Scharren von Schuhen auf der trockenen Erde waren zu hören. Der Vorhof war leer.

Das Ziehen in Ellies Magen verschlimmerte sich, als sie die geschlossene Eingangstüre erblickte. Für gewöhnlich stand die massive, doppelflügelige Holztür tagsüber stets offen. Zum einen, weil meist reger Betrieb inner- und außerhalb des Gebäudes herrschte und es den Bewohnern wohl irgendwann leid geworden war, die schwere Tür jedes Mal erneut aufzustemmen, zum anderen jedoch, um den Auferstandenen zu suggerieren, dass sie willkommen waren, dass keiner von ihnen von dem gemeinsamen Leben ein- oder ausgesperrt wurde. Weder die Arbeiter draußen vor den Zäunen, die die Felder bestellten und sich um die Tiere kümmerten, noch die Männer und Frauen im Anstaltsgebäude, die für die Instandhaltung der Schlafräume und Küche zuständig waren, die kochten, wuschen und die Räume der altersschwachen Anstalt renovierten. Es sollte ihnen zu verstehen geben, dass die Türe (metaphorisch sowie wörtlich) immer für sie offenstand.

Doch nun war diese Tür geschlossen und obwohl Ellie wusste, dass das Hauptquartier über mehrere Eingänge verfügte, fühlte sie sich in diesem Moment doch merkwürdig allein, ausgesperrt aus ihrem eigenen Zuhause.

Sie stemmte die Hände auf die Knie und kniff die Augen zusammen, versuchte ihre Atmung zu kontrollieren. Ihr Brustkorb schmerzte und ihre Kehle brannte. Ihr Körper war derlei physische Anstrengung nicht gewohnt und sie verfluchte im Stillen die Bettruhe, die Owen ihr aufgehalst hatte.

Reflexartig ließ sie sich auf den staubigen Boden fallen, als sie von nicht allzu weiter Ferne das laute Dröhnen einer kratzigen Männerstimme vernahm. Sofort fuhr ein scharfer Schmerz durch ihren rechten Ellenbogen und sie spürte wie das Blut einer oberflächlichen Schürfwunde ihren Ärmel verklebte. Kein Laut verließ ihre bebenden, blassen Lippen.

„Guuuten Morgen!"

Obwohl der Sprecher einige Meter von ihr entfernt war, hörte Ellie doch den Sarkasmus, der mit den Worten, die durch statisches Knistern, das vermutlich von einer Art Megafon stammte, merkwürdig verzerrt klangen, mitschwang.

Ellie stützte sich auf ihre stechenden Ellenbogen, robbte einige Meter vorwärts und duckte sich hinter eine halb ausgeräumte, von tiefen Dellen überzogene Eisenkiste voller Konservendosen. Einige der kleinen, trüb silbrig schimmernden Behälter waren angeschlagen und einzelne Eisensplitter der Kiste bohrten sich in das dünne Metall der Dosen. Der bittere Gestank von verwesendem Trockenfleisch und verfaulten Bohnen stieg Ellie in die Nase. Angeekelt presste sie eine Hand über Mund und Nase, schlich jedoch verbissen weiter.

SAVED - Der letzte Tag auf Erden // Eine The Walking Dead FanfictionWhere stories live. Discover now