13 - Das Heiligtum

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Ellie wurde von der unangenehmen Gewissheit der Anwesenheit einer anderen Person geweckt. Man hatte sie wohl aus dem leeren Lastwagen entfernt, denn jetzt spürte sie unter sich statt hartem Metall die unnachgiebigen Federn einer durchgelegenen Matratze. Ihr Kopf pochte und als sie die Augen für einen Moment zu schmalen Schlitzen öffnete, hätte sie beinahe vor Schmerz aufgestöhnt.

Mit fest zusammengepressten Augen versuchte sie daher, sich an die Einzelheiten des Zimmers zu erinnern, die sie in dem kurzen Moment gesehen hatte.

Durch saubere, doch trotzdem vom Alter vergilbte Vorhänge waren diffuse Sonnenstrahlen gedrungen, die sich durch ihre geweitete Pupille hindurch direkt in ihren Kopf gebohrt hatten. Es war also allem Anschein nach nicht mehr finstere Nacht. Wie lange hatte sie geschlafen? Ellie hoffte inständig, dass es nicht mehr als wenige Stunden waren, in denen sie sich bereits hilflos in den Fängen der Erlöser befand. Der Rest des Raumes, bestehend aus einigen Stühlen und Schränken war im verschwommenen Dämmerlicht verschwunden. Leider hatte sie keinen Blick auf die Person, deren Körperwärme sie deutlich neben sich spürte, erhaschen können.

Ellie glaubte, jeden Knochen ihres Körpers einzeln spüren zu können. Und jeder einzelne von ihnen schmerzte. Mühselig bewegte sie einen Finger nach dem anderen, dann die ganzen Hände, dann die Beine und schließlich den Nacken. Nichts schien gebrochen zu sein, doch die lange Autofahrt, an die sie sich nur langsam zu erinnern begann, hatte sie mit zahlreichen blauen Flecken und wohl auch mit einigen Prellungen zurückgelassen.

„Sie ist wach!", rief eine weibliche Stimme, die Ellie unter anderen Umständen als warm und angenehm empfunden hätte, die allerdings für ihren jetzigen Geschmack viel zu nahe an ihrem Kopf erklungen war, kaum, dass das weißblonde Mädchen sich zu bewegen begonnen hatte. Das Gefühl der Präsenz an ihrer Seite verschwand, als sich die Person mit hastigen, trippelnden Schritten von ihr entfernte. Ellie wollte ihr noch etwas nachrufen, sie fragen, wo sie sich denn überhaupt befand, doch bevor sie sich die Worte zurechtlegen konnte, wusste sie, dass es keinen Sinn hatte, denn ihr würde die Stimme ohnehin versagen.

Da sie ihr Sehsinn zumindest fürs Erste größtenteils im Stich gelassen hatte, verließ Ellie sich nun vollständig auf ihre anderen, noch funktionierenden Sinne. Die Angst, die sich in ihrem Inneren aufzustauen begann, versuchte sie dabei weitestgehend zu ignorieren.

Nach dem Ruf der Frau, gefolgt von dem schwungvollen, wenig taktvollen Zuschlagen einer vermutlich aus massivem Eisen gefertigten, schweren Tür, war Stille eingekehrt. Ellie war nun also allein im Zimmer. Wie lange die fremde Frau wohl wegbleiben würde? Würde die Zeit genügen, um ausreichend Kraft zu sammeln, um einen Fluchtversuch zu starten? Oder würde die Frau Verstärkung holen, auf deren Bekanntschaft sich das lädierte Mädchen unter keinen Umständen freuen würde? Von draußen glaubte Ellie, Stimmengewirr zu vernehmen und ihre leeren Hoffnungen sanken so schnell wieder in sich zusammen, wie sie gekommen waren. Dieser Fluchtweg war also versperrt und sie fühlte sich körperlich noch nicht in der Lage dazu, aus dem Fenster zu klettern. Zusätzlich hatte sie keinen blassen Schimmer, in welchem Stockwerk sie sich überhaupt befand.

Mit zitternden Händen tastete Ellie um sich. Sie erfühlte eine dünne Decke aus grobem, kühlem Stoff, in die der untere Teil ihres Körpers gewickelt war, das glatte Bettlaken, das aus kaltem Stahl gefertigte Bettgestell. Nach weiterem Herumtasten erreichten Ellies bebende Finger ein Nachtkästchen aus rauem Holz, auf dem einige Fläschchen standen. Sie nahm eines davon und wog es nachdenklich in der Hand, als könnte sie so den Inhalt erraten. Es musste wohl halbvoll gewesen sein und der Gedanke, was es wohl enthalten und wie viel davon schon in ihren Körper eingeflößt sein könnte, beunruhigte Ellie. Sie stellte die gläserne Flasche so lautlos wie möglich zurück und zog die Hände wieder eng an ihren Körper, als hätte sie sich verbrannt. Hatte man sie etwa unter Drogen gesetzt? War sie gerade dabei, langsam vor sich hin zu sterben? Sie konnte das Pochen ihres eigenen Herzens hören und das Blut rauschte ihr in den Ohren, als sie verzweifelt versuchte, sich aufzusetzen. Doch weder ihr Kreislauf, noch der pulsierende Schmerz ließen dieses Vorhaben zu und drückten sie mit vereinten Kräften wieder zurück nach unten.

SAVED - Der letzte Tag auf Erden // Eine The Walking Dead FanfictionWhere stories live. Discover now