7 - Tröstende Worte und schlechte Nachrichten

43 5 0
                                    

Das wütende Toben und Geschreie, das um Ellie herum vor sich ging, erschien ihr surreal. Es war ihr beinahe, als schwebte sie über dem ganzen Geschehen und beobachtete ihren eigenen Körper, der sich mühselig durch die aufgeregte Menge gekämpft hatte, um jetzt, mit um die angezogenen Knie geschlungenen Armen, an die Wand gelehnt da zu kauern und haltlos zu zittern. Sie fühlte sich abgeschnitten von der realen Welt, wie ein stummer Beobachter ihres eigenen Lebens. Vor ihrem inneren Auge erschienen immer noch flimmernd, in hektischen, grotesk verformten Bildern Elijah und Owen, leblos auf dem Boden liegend, von einer schmierig glänzenden, roten Pfütze umgeben, neben einem mit Stacheldraht umwickelten Baseball-Schläger.

Heiße Tränen liefen ihre staubigen Wangen hinab und sie wagte es nicht, den Kopf zu heben, aus Angst, die Rettungsaktion der Auferstandenen könnte nur ein flüchtiger Traum gewesen sein und sie noch immer eingepfercht in dem engen Schrank war, oder schluchzend vor den Schuhen der Eindringlinge kniete. Ein verzweifelter Versuch ihres gepeinigten Gehirns, sich von dem Grauen der Wirklichkeit zu befreien. Sie waren tot. Sie waren alle tot. Nur Ellie war gezwungen, sich einen Weg zwischen den Leichenbergen zu ihrer eigenen Erlösung zu bahnen. Alleine, verlassen, verzweifelt.

Das verrottende Fleisch der Verfaulten, das kalt glänzende Metall des Revolvers an Elijahs Kopf und Owens schmerzverzerrtes Gesicht vermischten sich in ihrem Kopf zu einem Bild des Grauens, dass sie normalerweise nur in ihren Träumen zu verfolgen pflegte.

Warum? Warum! Warum.

Keine Frage, sondern ein hilfloses Flehen. Gerichtet an einen Gott, von dem sie nicht einmal wusste, ob er die Menschheit in ihrem Elend nicht doch vergessen hatte. Sie wollte sich verstecken. Weit, weit weglaufen von dem Schrecken, den sie in ihrem kurzen Leben bereits erfahren hatte. Doch sie wusste auch, dass es niemals einen Ausweg geben würde. Sie war gefangen in einem fürchterlichen Kreislauf aus Selbstvorwürfen, Ängsten und rastlosen Zwangsvorstellungen. Wo immer sie auch hinlaufen würde, wenn sie die Verfaulten nicht einholten, würden es ihre Gedanken tun.

„Eleanor..."

Die etwas gedämpfte, tiefe, vertraute Stimme schnitt durch ihre ohrenbetäubende Panik wie ein Messer durch den Plastiksack, der sie zu ersticken drohte. Ellie hob nicht den Kopf, öffnete nicht die Augen, versuchte nur ihren hektischen Atem zu kontrollieren, damit ihr verräterisches Schluchzen nicht ganz so laut durch den Raum hallte.

„Eleanor, bist du...?"

Ellie spürte die leichte Erschütterung als die, in den Boden neben ihr eingelassene, hölzerne Falltür aufgedrückt wurde und jemand die brüchige Leiter nach oben geklettert kam, um das Zehnfache verstärkt. Der Mechanismus quietschte nicht. Ellie hatte den einzigen Eingang zu ihrem Rückzugsort erst vor wenigen Tagen geölt. Damals hatte sie noch gehofft, sich nie wieder dorthin verkriechen zu müssen. Wie naiv sie doch gewesen war.

„Darf ich näherkommen?"

Das Mädchen bewegte sich nicht, als hätte sie Angst, jede noch so kleine Bewegung könnte sie an einen potenziellen Feind verraten und spürte einige Augenblicke später, wie der Besucher sich wenige Meter von ihr entfernt vor ihr auf den Boden setzte, penibel darauf achtend, dass sich ihre Schuhe nicht berührten. Sie fühlte die Wärme seiner Anwesenheit, hörte seinen gemächlichen Atem und dankte ihm innerlich für den Abstand, den er zu ihr einhielt und der ihr Luft zum Atmen ließ. Langsam aber sicher verebbten ihre Tränen und es war ihr, als kehrte sie langsam aus ihrer schwerelos schwebenden Position wieder in ihren Körper zurück. Die Taubheit in ihren Gliedern ließ nach und sie fühlte sogar wieder das Brennen des Schnittes an ihrem Arm. Nach einem tiefen Einatmen streckte sie die Hand aus und legte sie mit der Handfläche nach oben auf den staubigen Holzboden. Einige Splitter bohrten sich in ihren Handrücken, doch der Schmerz störte sie nicht, beruhigte sie stattdessen noch ein bisschen mehr. Ihre Nervenenden waren so angespannt, dass das Stechen ihnen eine willkommene, sinnvolle Beschäftigung verlieh.

SAVED - Der letzte Tag auf Erden // Eine The Walking Dead FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt