Mein größter Wunsch

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Schweigend schauen wir uns in die Augen.
Ich kenne Louis' Meinung zu Evan und jetzt kennt er meine zu dem komischen Typen, mit dem er mal ein Date hatte.
Das ich ihn nicht kenne, macht im Moment nichts aus.
Ich kann ihn nicht leiden und fertig. Es ist einfach so.

Als es weiter still zwischen uns bleibt, frage ich die Fragen aller Fragen.
„Louis, warum bin ich hier?".
Fragend hebt er seine Augenbrauen, doch ich lasse mich nicht abwimmeln.
„Dieses Abendessen...was ist der Grund? Warum wolltest du mit mir zusammen essen?".
Louis scheint verlegen, kratzt sich am Hinterkopf und meidet meinen Blick.
Doch das kenne ich schon von ihm und ehe er etwas sagen kann, presche ich dazwischen.
„Und lüg mich nicht an. Nenn mir einfach den Grund".
Mein Gegenüber schluckt, meidet noch immer meinen Blick und scheint zu überlegen. Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen und hin und wieder wiegt er den Kopf von links nach rechts und wieder zurück.
„Ich-", beginnt er, bricht dann aber ab und schweigt wieder.
Ich gebe ihn ein paar Minuten. Er scheint noch immer zu überlegen.
Kurz räuspert er sich, dann sieht er mich endlich an.
„Ich weiß es nicht".
Ich muss lachen.
„Du willst mir erzählen, dass du nicht weißt warum du mich zum Abendessen eingeladen hast?".
Louis nickt und ich glaube ihn mal wieder kein Wort.
Ich meine, er muss sich doch was dabei gedacht haben, oder?
„Ich...ich weiß es wirklich nicht, Harold", flüstert er leise und steht auf. Er geht zu seinem Fenster und schaut hinaus. Ich hingegen bleibe auf dem Sofa und beobachte Louis mit Adleraugen.
Er kann mir doch nicht erzählen, dass er mich zum Abendessen einlädt, weil er gerade einfach Lust auf Rouladen hatte und niemanden sonst kennt, der das Gericht mag. Ich kenne eine Menge Menschen die Rouladen lieben. Kendall zum Beispiel. Ab und an gehen wir gemeinsam Mittagessen und dann kommt es auch schon mal vor, dass wir uns Rouladen bestellen. Leider sind sie nie so gut wie die, die Louis gekocht hat. Er beherrscht dieses Gericht einfach perfekt.

„Ich weiß einfach nicht mehr was ich machen soll", ertönt es leise von Louis, der noch immer aus dem Fenster sieht.
„Es war schon die ganzen zwei Jahre schwer ohne dich, aber ich habe es irgendwie geschafft meinen Alltag zu meistern. Doch als ich dich dann in der Hütte gesehen habe...all die Gefühle...es war verdammt hart."
Er schüttelt den Kopf und legt seinen Zeigefinger auf das Fensterglas. Stumm malt er eine Linie nach, ehe er weiter spricht.
„Ich habe versucht cool zu wirken, habe versucht mit dummen Sprüchen meine Unsicherheit zu verstecken, doch das ist nach Hinten los gegangen. Unsere...unsere gemeinsamen Nächte, die Berührungen, der...die Fehler wie du es so schön nennst, haben mich vollkommen durcheinander gebracht. Ich wollte nicht mehr so für dich fühlen, da ich weiß das du mir eh nie glauben wirst und mir nie wieder eine Chance geben wirst, aber ich kann gegen meine Gefühle einfach nichts machen."
Der Wuschelkopf dreht sich zu mir um, lehnt sich mit dem Rücken an das Fenster und versteckt seine Hände in seinen Hosentaschen.
„Nach dem komischen Essen mit Kendall und Eleanour habe ich mir wirklich vorgenommen über dich hinweg zu kommen. Ich will kein Skalve meiner Gefühle sein. Das macht mich fertig und ich komme langsam wirklich an meine Grenzen. Aber dann tauchst du in meiner Praxis auf und ausgerechnet ich muss dich behandeln. Du...du hast wieder alles durcheinander gebracht".
Aufgebracht fährt er sich durch die Haare und dreht sich wieder zum Fenster.
„Ich hatte große Mühe kalt zu sein. Monoton und Gefühlskalt und eigentlich hat es auch wunderbar funktioniert, bis...naja bis heute Morgen. Ich konnte meine Fassade einfach nicht mehr aufrecht halten und schneller als ich gucken konnte, habe ich dich zum Essen eingeladen. Was ich da getan habe, ist mir erst richtig bewusst geworden, als du verschwunden bist."

Okay.
Das war...viel Information.
Trotzdem weiß ich nicht was Louis hiermit bezwecken will. Aber er anscheinend auch nicht.

Er dreht sich wieder zu mir um, geht langsam auf mich zu und setzt sich wieder auf das Sofa neben mich.

„Mir ging es damals wirklich schlecht, Harold. Du kannst Kendall fragen. Nachdem ich kapiert habe, dass sie wirklich auf Frauen steht und das mit El Ernst ist, haben wir uns angefreundet. Ich habe ihr so oft mein Herz ausgeschüttet und El und sie hatten an manchen Abenden wirklich einiges zu tun, damit ich mich wieder beruhigen konnte. Liebeskummer tut scheiße weh und du bist nicht der Einzige, dessen Gefühle verletzt wurden".
Ein hauch Wut schwankt bei seinen Worten heraus und schuldig senke ich meinen Blick. Dabei trifft mich keine Schuld. Louis ist ganz alleine Schuld an der Misere.

Es bleibt einige Minuten ruhig und ich lasse Louis' Worte sacken.
Das es ihm so schlecht geht, wundert mich und tut mir leid. Aber mir ging es auch verdammt schlecht.

Louis unterbricht die Stille mit einem frustrierten Lacher.
„Wie soll ich auch über dich hinweg kommen?".
Augenverdrehend steht er wieder auf und geht zum Fenster zurück.
„Ich meine...du warst mein erstes Date, bei dir war ich das erste mal so richtig verliebt...mein erster Kuss...mein...mein erstes Mal. All das haben wir zusammen erlebt und es hat sich wie ein fieser Virus in meinen Kopf und mein Herz gebrannt. Ich kann dich einfach nicht vergessen".
Der Klang seiner Stimme jagt mir eine Gänsehaut ein. Er ist den Tränen nahe und nur noch leise kommen die Wörter aus seinem Mund.
Er hat Recht.
Auch ich kann unsere gemeinsamen Erinnerungen nicht vergessen, aber man muss loslassen. Das Leben geht schließlich weiter.

„Es war nicht leicht und als ich dann von dem Unfall erfahren habe...Haz, ich...ich wollte nur noch zu dir, dich in meine Arme nehmen und dich trösten. Ich kann nur erahnen was für Schmerzen du hast. Jemanden aus seiner Familie zu verlieren muss der reinste Albtraum sein".
Ich nicke.
Albtraum ist gar kein Ausdruck.
„Ich bin fast durchgedreht vor Sorge und wenn Liam mich nicht auf dem Laufenden gehalten hätte, wäre ich vermutlich wirklich irgendwann bei dir aufgetaucht. Oder ich hätte dich zumindest gestalked. Aus Kendall war ja einfach nichts heraus zu bekommen und ...ich konnte nicht schlafen, solch Sorgen habe ich mir gemacht."

Das er sich solche Sorgen um mich gemacht hat, berührt mich. Und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, hätte ich ihm vermutlich nicht die Tür vor der Nase zugehauen, wenn er mir damals sein Beileid - MOMENT!

Mein Kopf fährt in einer schnellen Bewegung zu Louis und augenblicklich klappt mein Mund auf.
„Liam?".
Louis hält mit seinem Redefluss inne und sieht mich irritiert an.
„Du sagtest gerade, dass Liam dich auf dem Laufenden gehalten hat?".
Meine Brust zieht sich zusammen und als ich Louis' erschrockenen und ertappten Gesichtsausdruck sehe, fühle ich mich sofort verraten.

Mein bester Freund hat meinem Ex-Freund gegen meinen Willen alles erzählt.
Sie hatten Kontakt, obwohl Liam gesagt hat, dass sie es nicht haben.
Ich fühle mich verarscht, hintergangen und kann das Vertrauen knacken meines Herzen hören.

„Ähm-", beginnt mein Ex-Freund doch ich unterbreche ihn, indem ich vom Sofa springe.
Der kann was erleben.
Ich eile zur Tür, aber Louis quetscht sich vor mich und versperrt mir den Weg.
„Harold, ich...sei nicht sauer auf Liam. Ich habe ihn wirklich hartnäckig genervt."
Das ist mir egal.
Er ist mein bester Freund!

Ich versuche an den Türgriff zu kommen, doch Louis packt meine Hand und zwingt mich damit ihn anzuschauen.
„Harold...ich...ich habe das nur getan weil ich dich liebe".

Seine Worte verpassen mir eine Gänsehaut und mein Körper gefriert.
Alles in mir ist überfordert und ich weiß nicht was ich machen soll.
Ich bin wütend auf Liam, traurig und fühle mich verarscht. Meine Hand kribbelt und Louis' Worte sorgen nicht gerade dafür, dass dieses Kribbeln aufhört.
Und dann noch der Blick wie er mich ansieht.

Ich gebe den Versuch auf die Tür zu öffnen, Louis umfasst aber noch immer meine Hand. Das Kribbeln breitet sich aus und als Louis seine andere Hand auf meine Wange legt, setzt mein Gehirn aus.
Diese Berührung ist so zärtlich, strahlt so viel Liebe aus und ich bin gefangen in diesem Moment.
„Weißt du was mein größer Wunsch ist?", will er wissen und ich kann nicht reagieren.
Woher soll ich auch wissen was sein größter Wunsch ist?
Mein Körper reagiert auch gar nicht mehr, selbst wenn ich nicken wollte oder den kopf schütteln.

„Mein größter Wunsch ist, dass du mir glaubst".

NachtfalterWhere stories live. Discover now