6. der teufel lädt ein

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Sofie

Es klingelte an meiner Haustür, weshalb ich wohl oder übel mein Bett verlassen und in den Flur dackeln musste.

Als ich die Tür öffnete sah ich verwundert in Unns flaschengrüne Augen.
Sie lächelte leicht und fuhr sich durch ihre hellbraunen Haare, die ihr mittlerweile bis über die Schultern und fast zur Taillie fielen.
Sie wuchsen wirklich schnell.

„Störe ich gerade?" fragte sie mit ihrer leisen melodischen Stimme worauf hin ich lächelnd den Kopf schüttelte.

„Wollte eh anfangen zu kochen. Willst du mitessen?"
Sie zögerte und die kleine Kerbe zwischen ihren Augenbrauen trat hervor, was immer dann geschah wenn sie abwägte was wohl die höflichere Antwort war.
Um dem vorzubeugen fügte ich noch ein „Unn, du verletzt schon nicht meine Gefühle und mehr Aufwand ist es auch nicht. Also sag." hinzu bevor sie zu einer unehrlichen Antwort kam.

„Na gut, dann gerne." lächelte sie und lief nach mir in die Küche wo sie sich auf einen der Barhocker an dem Tresen niederließ.

„Also was gibts?" fragte ich während ich anfing das Gemüse zu schälen.

„Ich bin hergekommen um Dir etwas auszurichten." sagte sie, klang irgendwie unsicher doch ich sah nicht zu ihr.

„Aha? Klingt ja sehr dramatisch." ich lachte auf und schöpfte mit einem Glas etwas trockenen Reis ab „könnte glatt von Claire kommen."

„Es kommt von ihr."

Ich war so geschockt, das ich in meiner Bewegung inne hielt. Meine Hand wurde schwach und ohne etwas dagegen hätte machen zu können, glitt mir das Glas aus den Fingern und zerschellte auf den Fliesen.

Langsam drehte ich mich um und sah zu Unn, die erschrocken zurück starrte, ihre Augen immer wieder zwischen mir und den Scherben am Boden hin und her wandern ließ.

Dann machte sie Anstalten sich hinzuknien um die Glasstücke aufzusammeln doch ich unterbrach sie.

„Hör auf." zischte ich, was sie unsicher hochblicken ließ.

„Aber Sofie, wenn jemand reintritt-„
das ist jetzt gerade scheißegal Unn" ich konnte meine eigene Stimme zittern hören.
Mein ganzer Körper stand unter Strom und immer noch hatte ich Unns Worte im Kopf.
„Es kommt von ihr" hallte immer wieder nach.

Unn richtete sich wieder auf und sah mich an, ihre vollen Lippe öffneten sich wieder um erneut zu sprechen doch dazu ließ ich es nicht kommen.

„Woher... wieso... was?"
War das einzige was ich heraus bekam aber das war jetzt auch erstmal das einzige was zählte.
Ich musste diese Fragen beantwortet kriegen.

„Ich weiß nicht wieso. Aber sie möchte unbedingt mit Dir reden. Sie meinte... sie vermisse dich."
Unns Gesichtsausdruck war undurchdringlich, ich hatte keine Ahnung was in ihr vorging.

Sie konnte lügen, das wusste ich. Doch sie konnte es so gut, das ich nie wusste wann.
Wollte Claire wirklich nur mit mir reden weil sie mich vermisste? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Ich konnte mir nicht vorstellen das dieser... Mensch überhaupt etwas fühlte.
Sie wollte unbedingt mit mir reden? Aber über was?

Und vor allem...

Argwöhnisch runzelte ich die Stirn denn erst jetzt wurde mir klar was das was Unn gerade gesagt hatte überhaupt bedeutete.

„Du... hast mit ihr gesprochen?" Meine Stimme war ganz ruhig, doch in mir zog ein Sturm auf.

„Nun ja... ja... a-aber darum g-geht es doch ni-„

„NATÜRLICH geht es jetzt darum!" fiel ich ihr, wohl etwas hysterischer als gewollt, ins Wort.

„Dieses Mädchen hat uns Jahre lange manipuliert! Sie wollte Noah erstechen! Sie hat Mila umgebracht!" ich musste kurz Luft holen um mich nicht zu verhaspeln denn das was ich sagen wollte überschlug sich mit meinen neu aufkommenden Gedanken.

Ich dachte an all die Momente in denen sie mich hatte schlecht fühlen lassen, obwohl es dafür keinen Grund gab. Ich erinnerte mich an die duzende Male in denen sie mir gedroht hatte, es aber nie wie eine wirkliche Drohung hatte wirken lassen.
Oh ja, Claire hatte schon immer gut reden können.
Das Wort war ihre größte Waffe und sie hatte immer schon gewusst wie sie sie hatte einsetzen müssen.

„Wie lange" brach ich nun die Stille die entstanden war, stützte mich etwas an der Arbeitsfläche der Küche ab denn ich hatte das Gefühl sonst umzukippen.

„Wie lange hast du wieder mit ihr Kontakt?"

Unn atmete auf, wohl erleichtert das ich nicht mehr schrie.
„Seit... ein paar Monaten." ich musste schwer schlucken.
Warum war mir das nie aufgefallen? Wir hatten doch seit der Nacht im Club an der so vieles passiert war, immer mehr Kontakt gehabt, viel mehr als davor, obwohl wir uns gleich viel sahen.

„Warum?"

„Ich weiß nicht warum. Vielleicht einfach weil... sie mir schon so oft geholfen hat. Sie war für mich da wenn es sonst niemand war."

„Da kannst du nur für dich sprechen." sagte ich bitter.

„Keiner zwingt dich zu ihr zu gehen-„
„Das wäre ja noch schöner!"
„Aber" ignorierte sie meinen Kommentar, sah mich intensiv an, „du bist die erste nach der sie gebeten hat. Außer mir, lässt sie niemanden zu sich. Nicht mal Toni."

Das zu hören löste etwas merkwürdiges in mir aus, was ich nicht so ganz definieren konnte.

Eine merkwürdige Mischung aus Angst, Wut, Verwirrung, Verzweiflung und einem ganz kleinen, kaum merklichen Funken... Stolz.

Doch der erlosch gleich wieder bei dem bloßen Gedanken daran wie sie damals auf dem Dach wie eine wahnsinnige auf Noah zu gerannt war, das Messer gezückt und rücksichtslos auf Mila eingestochen hatte, die noch versuchte Claire von Noah wegzureißen.

Die Bilder flackerten vor meinem inneren Auge und ich konnte spüren wie meine Lunge sich schmerzhaft zusammenzog, meine Atmung stoßartig wurde und sich Tränen anbahnten.

Die Angst die mich damals wie ein alles übergreifender Tsunami überrollt hatte, die mir die Luft zum Atmen und die Kontrolle über meinen Körper genommen und mich so laut hatte schreien lassen das meine Stimmbänder noch Tage später geschmerzt hatten- diese Angst kam zurück.

Wie benebelt konnte ich gerade noch wahrnehmen wie meine Tauben Hände von der Kante, an der ich mich fest gehalten hatte, abrutschten, wie meine Beine, die sich anfühlten wie weiches Wachs, einknickten und wie schwarze Punkte vor meiner verschwommene Sicht anfingen zu tanzen.

Gods »pausiert Where stories live. Discover now