XXIX

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Kleine “Vorwarnung“:
Da sich das Finale deutlich länger zieht als gedacht, werden wir die gewohnte Anzahl an Kapiteln wohl deutlich überschreiten... aber ich denke, damit hat niemand ein Problem.

Die Gegend um Thranduil wurde immer dunkler, doch trotzdem war es dem Elb immer noch möglich, seine Umgebung durch die Dunkelheit hindurch zu erkennen. Es schien fast, als hätte er nun einen Punkt erreicht, an dem das Licht trotz der vielen Schritte, die ihn immer weiter in die Tiefe führten, nicht weiter abnahm. Schon begann er, darüber nachzudenken, als es vor ihm heller wurde. Vorsichtig folgte er dem Gang immer weiter in die Tiefe und mit jedem Schritt wurde es um ihn heller. Schließlich konnte er wieder jeden Stein um sich haargenau erkennen und nur kurz danach hatte er auch die Quelle des Lichtes ausfindig gemacht: Zwei Fackeln waren links und rechts in der Wand befestigt und erleuchteten, so schien es, einen niedrigen Durchgang. Mit größter Vorsicht schlich Thranduil auf seinen leisen Elbensohlen auf das Ende des Ganges zu. Der Gang senkte sich langsam und Thranduil schlich vorsichtig weiter, dann sah er den Durchgang. Etwa dreißig Meter vor ihm führte ein etwa zwei Meter hohes Tor in einen großen Raum. Langsam schlich er weiter, dann spähte er durch das Tor. Was er sah, ließ ihm für einen kurzen Moment den Atem stocken. Vor ihm lag ein riesiger Raum, der offenbar in mehrere Stockwerke eingeteilt war. Eine etwa fünf Meter breite Brücke führte über einen Abgrund, der in eine tiefe Schwärze leitete, auf der gegenüberliegenden Seite lag ein weiterer Durchgang. Vorsichtig trat Thranduil durch das Tor und sah nach oben. Auch dieser Anblick versetzte ihn in Erstaunen, sah er doch bis in meistens dreißig Meter Höhe verschiedenste Stockwerke, meistens nur Brücken, die kreuz und quer durch den Raum führten und die verschiedenen Seiten des Raumes miteinander verbanden. Thranduil hatte nicht damit gerechnet, dass diese Festung sich dermaßen gewaltig in den Berg gegraben hatte. Auch fiel dem Elb hier erstmals geschäftiges Treiben auf. Auf den oberen Stockwerken tummelten sich unzählige Wesen, die Thranduil kaum erkennen konnte, sie aber als Orks identifizierte. Die drei, vier Stockwerke über ihm schienen jedoch völlig entvölkert, soweit er dies erkennen konnte. Auch auf seinem Stockwerk war niemand zu erkennen, irgendetwas in ihm sagte ihm jedoch, dass er dort, hinter dem etwa fünfzig Meter entfernten Durchgang auf der anderen Seite, auf Orks stoßen würde. Trotzdem wusste er, dass er dorthin vorstoßen musste, denn er vermutete dort auch die Verliese, wo Celeborn und Théoden wohl gefangengehalten wurden. Erneut sah Thranduil nach oben. Es würde wohl keinem der Orks möglich sein, ihn hier unten zu erspähen, trotzdem sollte er diese Brücke so schnell und unauffällig wie nur irgend möglich überqueren. Er holte noch einmal tief Luft, dann rannte er auf leisen Sohlen los. Immer wieder warf er kurze Blicke nach oben, doch er schien unbemerkt zu bleiben. Trotzdem atmete er erleichtert auf, als er die andere Seite erreicht hatte. Schnell flüchtete Thranduil sich in den Durchgang, dann sah er sich um. Vor ihm lag ein recht schmaler Gang, der schnurgerade in den Berg hineinführte. In die Wände waren in regelmäßigen Abständen Fackeln eingelassen, sodass der Gang in voller Länge erleuchtet war. Immer wieder zweigten wohl andere Wege von diesem Gang ab, doch Thranduil wusste, dass dieser Weg der richtige war. Ohne weitere Zeit zu verlieren, schlich er mit größter Vorsicht den langen Stollen hinab. Immer wieder kam er an schwarzen Durchgängen vorbei, die sich auf beide Seiten verteilten und hinter denen der Elb nichts Gutes vermutete. Sein Gang hingegen schien ewig geradeaus zu führen, bis er schließlich eine scharfe Kurve machte. Thranduil schlich vorsichtig voran und spähte um die Ecke. Der Gang führte in eine große Halle, die etwa zwölf Meter hoch und kreisrund war. Sie maß im Durchmesser etwa vierzig Meter und von ihr zweigten mehrere Gänge ab, sodass Thranduil nicht wusste, wohin er nun gehen sollte, bis er die Gestalt in der Mitte des Raumes entdeckte. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt und saß auf dem Boden. Ihre rückenlangen Haare, die tiefschwarz über ihren Schultern auf den Rücken flossen, waren etwas wirr und verfilzt, doch von der Person schien eine gewisse Würde auszugehen. Thranduil war sich sicher, dass er Celeborn gefunden hatte.
“Celeborn!“ Ohne zu zögern ging er auf die am Boden sitzende Gestalt zu.
“Celeborn, ich bin hier um dich zu...“,
'retten', hatte Thranduil sagen wollen, als ihn eine Bewegung im Augenwinkel jäh aus seinem Satz riss. Orks strömten aus den Gängen, die zur Halle führten, sicher ein Dutzend von ihnen begann, einen Kreis um sie zu bilden. Thranduil war klar, dass er mitten in eine Falle getappt war.
“Kannst du aufstehen?“, murmelte er Celeborn ins Ohr, dann zückte er vorsichtig sein Schwert und drehte Celeborn den Rücken zu. Thranduil wusste nicht, wie kampffähig der Elb war, doch er brauchte wohl seine Unterstützung. Im Rücken spürte er, wie Celeborn sich langsam aufrichtete, doch die Orks vor ihm zogen seine Aufmerksamkeit auf sich. Zwar hielten sie alle ihre Krummschwerter in den Händen, doch keiner von ihnen machte Anstalten, Thranduil anzugreifen. Auf einmal spürte er eine Hand auf der Schulter, kühl und distanziert.
“Du musst nicht jedes Problem mit Gewalt lösen, Thranduil“, erklang Celeborns ungewohnt hohle Stimme hinter ihm. Etwas überrascht drehte er sich um und sah in das Gesicht seines Weggefährten. Celeborns Gesicht war müde, seine Augen eingefallen und auf seinen Lippen lag ein falsches Lächeln, das seine Augen nicht erreichte.
“Leg deine Waffe nieder, Thranduil“, sagte Celeborn erneut, doch seine Stimme klang seltsam verzerrt. “Diese Orks stehen unter meinem Befehl, sie werden dir nichts tun.“
“Unter deinem Befehl?“ Thranduils Gesicht sprach von einer Mischung aus Überraschung und ungläubigem Entsetzen.
“So ist es, Thranduil“, meinte Celeborn. “Morgoth höchstselbst hat sie mir unterstellt.“
“Du dienst dem Gefallenen?“, sagte Thranduil entsetzt, ohne wirklich begriffen zu haben, was hier passierte.
“Ich diene Melkor Morgoth, dem großen Herrscher von Mittelerde und dem Retter des elbischen Volkes“, gab Celeborn leicht säuerlich zurück.
“Was ist nur in dich gefahren, Celeborn?“
“Ich verstehe deine Überraschung, Thranduil, doch er hat mir für meine Dienste den Schutz und die Wiedererstarkung der elbischen Rasse zugesichert“, versuchte Celeborn zu beruhigen. “Mit Morgoth an der Macht werden wir Elben wieder dort sein, wo uns unser Geburtsrecht sieht: an erster Stelle, vor den schwachen und machtlosen Völkern der Zwerge und Menschen.“
“Welches elbische Volk? Östlich von Valinor gibt es kein elbisches Volk mehr!“
“Die Elben werden mit der Hilfe Morgoths wieder dorthin kommen, wo sie seit jeher waren!“
“Hörst du dich reden, Celeborn? Erinnerst du dich nicht daran, was mit denen geschehen ist, die sich dem Bösen angeschlossen haben? Die Ostlinge, die verräterischen Zwerge, Saruman... sie alle wurden verdorben und vom Bösen fallen gelassen. Dir wird dasselbe widerfahren!“
“Es reicht, Thranduil!“ Celeborn schnitt ihm scharf das Wort ab. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt und seine Finger zitterten. “Ich habe dich hierhergeführt in der Hoffnung, dass du vernünftig bist und einsiehst, was gut und richtig ist, doch du hast mich enttäuscht.“
“Du bist derjenige, der fern jeder Vernunft handelt!“ Auch Thranduil war nun wütend.
“Ich sehe, ich habe mich in dir getäuscht. Offenbar bist du doch nur ein weiterer Narr, der unser Volk dem Untergang überlässt.“ Celeborn hatte die Augen zu Schnitzen verengt, sein ganzer Körper war angespannt. “Dann fürchte ich, dass mir keine andere Wahl bleibt.“
Er sah Thranduil für einen kurzen Moment an und was jener in diesen Augen sah, erschreckte ihn: in Celeborns Augen fand sich eine erschreckende Mischung aus Leere und Hass. So schnell wie er gekommen war, ging der Augenblick vorüber, dann blickte Celeborn an ihm vorbei in die Gesichter der Orks. “Ergreift ihn.“

Der letzte Silmaril III: Ewiges LeidenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt