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Mit einem mulmigen Gefühl im Magen beobachte ich die schlanke Blondine, wie sie von der Bühne geht und sich wieder auf ihren Platz setzt. Stumm laufen ihr Tränen über die Wangen und lassen die Eisprinzessin um einiges menschlicher aussehen.

„Sie möchte uns doch nicht die Kinder wegnehmen?", fragt Magnus mich leise, so dass der kleine Junge auf meinem Schoß nichts davon mitbekommt. Ahnungslos zucke ich mit meinen Achseln, ich bin mir selbst nicht sicher, was sie genau mit ihren letzten Satz gemeint hat.

Es könnte sein, dass sie uns mit den Kindern gesehen hat und der Meinung ist, dass wir uns gut und liebevoll um sie kümmern. Wir lieben die Zwei jetzt schon abgöttisch und ich hoffe, dass sie uns die beiden nicht wegnehmen möchte. Es würde uns das Herz brechen, wenn wir sie weggeben müssten.

Unsere Herzen wären auch gebrochen, wenn Anna aufgewacht wäre und die beiden wieder zu sich genommen hätte. Doch damit hätten wir uns arrangieren können, schließlich ist sie ihre Mutter. Doch Rafael und Max einer uns vollkommen Fremden zu überlassen, ist ein Ding der Unmöglichkeit für mich und bestimmt auch für Magnus.

Der restliche Gottesdienst zieht an mir vorbei, während die Gedanken in meinem Kopf wie wild rasen. „Sie können uns die Kinder doch nicht einfach wegnehmen.", sage ich mehr zu mir selbst, als zu Magnus. Fast schon flehend gucke ich ihn an, während ich den kleinen Jungen fester an mich drücke. Ganz automatisch schlingt dieser seine Arme um meinen Hals und schmiegt sein Gesicht an meine Schulter.

Gemeinsam, wie eine kleine Familie, erheben wir uns von den unbequemen Bänken und folgen der Menschenmasse nach draußen. An der frischen Luft lasse ich Rafe vorsichtig herunter. Sofort ergreift er meine und Magnus Hand und schmiegt sich an meinen Mann.

Anna wollte nicht unter einem Grabstein liegen, also folgen wir dem Priester zu einer grünen Wiese. Die Sonne scheint strahlend auf uns herunter. Es kommt mir vor, als wüsste sie nicht, was für ein trauriger Abschied hier unten gerade passiert.

Still sehen alle dabei zu, wie die Urne unter die Erde gesetzt wird. Magnus und ich begleiten Rafael nach vorne und nehmen gemeinsam mit ihm eine Rose. „Die wirfst du zu ihr hinein und verabschiedest dich dann in deinen Gedanken von ihr. Du kannst ihr alles sagen, was du ihr noch sagen wolltest. Sie wird es hören.", Magnus hat sich neben den kleinen Jungen hingekniet und streicht ihm vorsichtig durch die schwarzen Haare.

Mit aller Mühe unterdrückt Rafe die Tränen und gibt ein Nicken von sich. Er wendet sich dem Loch zu und schließt die Augen, nur um dann die Rose vorsichtig hinein zu werfen. Völlig entkräftet lehnt er sich gegen Magnus, der es ihm gleich macht. Er schließt die Augen und legt dann die Rose zu Anna.

Ich beobachte, wie mein Mann den Jungen hoch hebt und an die Seite trägt. Dort lässt er sich auf eine Bank nieder und streicht ihm beruhigend über den Rücken. Mein Blick wandert wieder zu dem Loch, in dem Anna liegt. Ich habe sie nicht gekannt, aber ich kenne ihre Kinder. Man kann nicht solche tollen Wesen großziehen, wenn man ein schrecklicher Mensch ist. Die beiden sind höflich, liebevoll und selbst nach den vergangenen Wochen können sie immer noch Lachen. „Ich werde mich gut um sie kümmern.", verspreche ich ihr leise, bevor ich meine Rose zu den beiden anderen lege.

Mühsam erhebe ich mich und laufe zu meiner Familie. Magnus guckt mir schon entgegen und in seinen Augen sehe ich so viel Liebe und Verständnis. Doch auch ein Funken Unsicherheit und Angst blitzt in ihnen auf. Vorsichtig lasse ich mich neben ihnen nieder undschlinge meinen Arm um Magnus Schulter. „Ich lasse nicht zu, dass sie uns jemand weg nimmt.", verspreche ich ihm.

Unsere Blicke gleiten hinunter zu dem schwarzhaarigen Jungen, der von alldem nichts mitbekommen hat und sich mit seinen Fingern in Magnus Jackett fest krallt.

Nachdem sich alle von Anna verabschiedet haben, setzt der Trauermarsch sich wieder in Bewegung. Wir folgen den Menschen in einen kleinen Saal, wo bereits ein Buffet aufgebaut wurde. „Möchtest du etwas essen?", frage ich Rafe und nehme seine Hand.

Zusammen häufen wir Kleinigkeiten auf die Teller und ich kann ihm sogar ein Lächeln entlocken. Mit drei Tellern in der Hand machen wir uns auf den Weg zu Magnus, der bereits an einem Tisch sitzt und etwas zu Trinken organisiert hat. Wie ein verdurstender stürzt sich Rafe auf seinen Becher und leert ihn innerhalb weniger Sekunden. „Da hat ja jemand Durst.", sagt Magnus und zieht belustigt eine Augenbraue nach oben.

Mit einem stolzen Grinsen auf den Lippen zuckt Rafe mit seinen Schultern und setzt sich auf einen Stuhl. Ich starre ihn völlig überrascht an und beobachte, wie er das Essen hinunter schlingt. „Er sah gerade aus wie du.", murmelt mein Mann leise neben mir und ergreift seine Gabel, „Es scheint, als würde er ein paar von unseren Angewohnheiten übernehmen.".

Grinsend zucke ich mit meinen Schultern, „Ich sehe nichts schlechtes daran.". Das Lächeln auf meinen Lippen erstirbt, als sich eine Blondine auf uns zu bewegt. Mein Blick verfinstert sich mit jedem Schritt, den sie näher kommt. Sie sollte lieber noch nicht einmal auf die Idee kommen, uns die Kinder wegzunehmen.

Malec - Hochzeit auf den ersten BlickOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz