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Das monotone Piepen meines Weckers, riss mich aus meinem unruhigen Schlaf und für einen kurzen Moment dachte ich darüber nach, wie es wäre einfach liegen zu bleiben genau wie meine Mutter. Doch, wenn ich eins wusste, dann das ich nicht so werden wollte wie meine Mutter. Also fing ich an meine Gliedmaßen zu bewegen und stieg aus meinem Bett. Meinen Rücken streckend lief ich durch den schmalen Flur, bis in die Küche und mein Finger landete wie von selbst auf dem Knopf der Kaffeemaschine. Immer noch müde, da ich nicht wirklich viel geschlafen habe, lehnte ich mich gegen die Arbeitsfläche und schloss die Augen.

Der Ton der Kaffeemaschine ließ mich wissen, dass mein Kaffee fertig war und ich stellte die Tasse auf unseren Esstisch. Bevor ich mir selbst Frühstück machte, stellte ich einen Joghurt mit Löffel auf einen Teller und einen Bagel. Mit dem Teller in der Hand und einer Flasche Wasser unter den Arm geklemmt lief ich den Flur runter zum Zimmer meiner Mutter. "Mama? Ich komme jetzt rein." sagte ich bevor ich die Tür langsam öffnete. Doch meine Mutter lag unverändert im Bett, in der gleichen Position wie auch gestern und den Tag davor. 

"Ich hab hier dein Frühstück." sagte ich sanft und stelle den Teller mit der Flasche auf ihren Nachttisch. Sie starrte an die Wand gegenüber von ihrem Bett. Eigentlich stand ich in ihrer Sicht, doch es war, als würde sie durch mich durch sehen. "Bitte iss was, Mama." ich lächelte schwach und ging wieder zur Tür. "Ich gehe gleich zur Schule. Ruf mich an, wenn du was brauchst." sagte ich, so wie jeden Tag, wenn ich morgens aus ihrer Tür ging.

Und wieder erhielt ich keine Antwort. Kein Nicken, keinen Blick, nicht mal eine Bewegung. Ich trank meinen Kaffee, aß etwas und wenig später saß ich in dem kleinen, alten Bus auf dem Weg zur Schule. Die Kopfhörer in meinen Ohren beschallten mich mit Musik und die kleinen Häuser in unserem heruntergekommenen Viertel, flogen an mir vorbei.

Ich betrat das graue Gebäude. Ich saß auf einem hölzernen Stuhl. Ich hörte den Lehrern zu. Ich saß alleine in der Cafeteria und aß das Essen, dass sie uns gaben. Freunde hatte ich keine. Jedenfalls nicht mehr. Seit sieben Monaten nicht mehr um genau zu sein. Es dauerte nicht lange bis sich meine sogenannten Freunde langsam, aber sicher von mir abwendeten. "Betrug liegt sicher in den Genen." hatte meine Freundin Fiona gesagt. "Wie soll ich dir je wieder Vertrauen? Woher weiß ich, das du nicht anders bist?" das waren Henrys Worte. 

An dem Tag sagte ich ihnen sie sollten gehen. Wenn es ihnen so schwer fällt sich mit mir abzugeben, dann will ich sie nicht bei mir haben. Seit diesem Tag sitze ich allein, esse allein und lerne allein. Mein Ruf eilt mir voraus. Ich bin nicht mehr Rosemary Anderson, das Mädchen das fast keiner kannte. Ich bin Rosemary Anderson, das Mädchen dessen Vater im Gefängnis sitzt. Das Mädchen, dessen Vater den Staat beschissen hat. Das Mädchen dem keiner mehr Vertraut und das Mädchen mit dem keiner mehr redet.

Sie reden zwar nicht mit mir. Die anderen Schüler. Aber sie reden über mich. Und sie starren mich an, jedes Mal, wenn ich einen Raum betrete. Damals dachte ich das wird abschwächen. Aber das tut es nicht. Ich bin immer noch Thema eins. Sie wispern und flüstern. Oder manche, die mutigen, sagen es mir ins Gesicht. "Betrügerfamilie." "Dreckige Gene." "Schlampe." "Wegen dir müssen wir mehr Steuern zahlen." 

Ich ließ diese Kommentare an mir abprallen. Jedenfalls versuchte ich das.Ich hörte mittlerweile einfach gar nicht mehr zu. Als ich wieder im Bus saß und zurück nach Hause fuhr, fragte ich mich was ich überhaupt hier machte. Mein Alltag ist so monoton, so grau. Ich tat nichts anderes außer zur Schule zu gehen, mich um meine Mutter zu kümmern , arbeiten und essen. Wann habe ich das letze mal ein gutes Buch gelesen? Wann habe ich das letztes mal einen Film gesehen? Wann habe ich das letzte mal gelacht?

Frustriert und wütend über mein Leben, stieg ich aus dem Bus und schloss die Haustür zu unserem kleinen Haus auf. "Bin wieder zuhause!" rief ich auch, wenn cih wusste, dass meine Mutter es nicht hören würde. Also ich glaubte schon sie hörte was ich sagte, jedenfalls körperlich. Nur geistlich war sie wie taub. Ich ging in ihr Zimmer um nachzusehen, ob sie etwas gegessen hatte doch der Teller war unberührt. Im Zimmer roch es nach Urin, was mir sagte, das meine Mutter nicht auf Toilette gegangen war. Seufzend öffnete ich das Fenster.

"Mama, du solltest dich waschen gehen." sagte ich sanft. "Du musst dich nicht schämen." füge ich noch hinzu, dann gehe ich aus dem Zimmer. Kurz lehne ich mich gegen die Wand und schließe die Augen. Mach was mit deinem Leben. Irgendwas. Lies ein Buch. Sagte ich mir.

Ich aß nur schnell etwas und schon saß ich wieder im Bus, auf dem Weg zu meiner Arbeit. Ich arbeitete jeden Tag von 17-20 Uhr. In einer kleinen Lagerhalle von einem noch kleinerem Möbelhaus. Den Kopf gegen die Scheibe gelehnt, sah ich aus dem Fenster und lauschte der Musik, aus meinen Kopfhörern.

Bevor ich die Halle betrat, atmete ich tief ein und stieß die Luft wieder aus. Ich versuchte ein Lächeln aufzusetzen als ich meinen Chef begrüßte, doch meine Augen lächelten nicht mit, ich war zu müde. "Hallo Rosemary." sagte er freundlich, als ich meine Sachen ablegte und meine Karte stanzte. "Hallo, Mr. Gilbert." antwortete ich darauf und lief daraufhin in die Halle und begann, die endlosen Kartons und Kisten einzuräumen bis meine Arme sich anfüllten, als würden sie abfallen. "Auf Wiedersehen, Rosemary." sagte mein Chef, wie immer wenn ich ging. "Auf Wiedersehen, Mr. Gilbert." erwiderte ich. Und auch hier. Alles wie immer.

ITS ALL IN YOUR HEADWhere stories live. Discover now