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Als ich, mit müden Knochen wieder zuhause ankam hatte ich zu aller erst das Bedürfnis mich in mein Bett fallen zu lassen. Doch das war keine Option. Ich hörte das Rauschen unserer Dusche und lächelte erleichtert. Meine Mutter war duschen gegangen und für mich war das die Gelegenheit ihre Bettwäsche zu wechseln. Nicht, dass es eine freudige Angelegenheit war nach Urin riechende Bettwäsche abzuziehen und zu waschen. Aber das meine Mutter aufgestanden war, war nun mal eine gute Sache.

So leise wie möglich lief ich in ihr Zimmer, damit sie nicht mitbekam, dass ich da war. Für meine Mutter war es anstrengen ins Bad zu gehen. Sie war schwer depressiv, sie empfand es als körperlich unmöglich aufzustehen und sich zu waschen. Wenn sie es dann also tat, war das immer ein gutes Zeichen.

Ich versuchte durch den Mund zu atmen, als ich in ihr Zimmer ging. Sie hatte das Fenster wieder zugemacht und die Luft stand im Raum. Der Geruch war so stark, dass selbst durch den Mund atmen nicht half. Ich öffnete das Fenster wieder und zog das Laken und die Bettwäsche ab. Vorerst warf ich es auf ihren Boden, da ich so schnell wie möglich fertig sein musste. Hastig zog ich neue Wäsche auf und lief mit der dreckigen wieder raus. 

Ich hielt die Luft an, als ich mit der schmutzigen Wäsche in meinem Zimmer stand. Mein Kopf begann weh zu tun, ein schmerzhafter Druck baute sich auf. Ich lies die Luft wieder raus und atmete ruckartig ein. Nach 20 Minuten in denen ich in meinem Zimmer stand und durchgehen den Geruch von Urin einatmete, hörte ich wie die Badezimmertür aufging und schlurfende Schritte zu hören waren. 

Die Tür zum Zimmer meiner Mutter klickte und es war wieder still. Ich stopfte die Bettwäsche in die Waschmaschine und schaltete sie ein. Erschöpft lehnte ich mich dagegen. Ich fragte mich jeden Tag, wie Töchter und Söhne überall auf der Welt es schafften sich um ihre alten Eltern zu kümmern. Die mussten sogar noch viel mehr machen, sie waschen, sie beschäftigen. Meine Mutter wollte meine Hilfe ja gar nicht.

Mit geschlossenen Augen stand ich da und atmete ruhig ein und aus. Ich war nur froh, dass wir keinen ersten Stock hatten, sondern in einem Bungalow lebten. Nicht das wir uns etwas besseres hätten leisten können. Aber so konnte ich sicher sein, dass ich ohne Sorgen das Fenster öffnen konnte.

Ich legte meiner Mutter zu ihrem Essen auch nie so etwas wie ein Messer dazu. Nicht das ich glaubte, sie würde mir so etwas antun. Aber eine leise Stimme in meinem Kopf sagt mir immer wieder, was wenn doch? Was wenn sie mich gar nicht mehr liebt? Was, wenn sie so unglücklich ist und es nicht mehr aushält? Ich habe einfach Angst, sie könnte sich verletzten. Zittrig atme ich aus und wische mit angestaute Tränen aus den Augenwinkeln.

Bevor ich mit meinen Hausaufgaben anfangen kann, muss ich noch die Küche aufräumen, den Müll rausbringen und Lebensmittel einkaufen gehen. Also stieß ich mich ab und zog mir meine Jacke wieder an. Meine Kopfhörer ließ ich im Haus. Ich hatte keine Lust auf Musik. In Stille saß ich im Bus. Die Musik im Supermarkt blendete ich aus. Ich wollte keine hören. Auch nicht, als ich die Küche säuberte und auch nicht, als ich mich über meinen Schreibtisch beugte und meine andauernden Rückenschmerzen ignorierte. 

Um mich herum war es still, doch in meinem Kopf war es laut. Gedanken prasselten auf mich ein und es würde nicht stiller als ich mich erschöpft und fertig schlafen legte. In meinem Kopf wurde eine neue Straße aufgebuddelt. An diesem Abend las ich kein Buch, so wie ich es mir vorgenommen hatte. Ich lag in meinem Bett und versuchte das Chaos in meinem Kopf zu ordnen. So wie ich auch versuche mein Leben zu ordnen. Erfolglos.

ITS ALL IN YOUR HEADWhere stories live. Discover now